Osttirol-Innsbruck (I): Ein braunes Trio
Am 24. Juli waren es drei aus Matrei, die sich am Landesgericht Innsbruck verantworten mussten. Gibt es einen neuen Neonazi-Zyklus in Osttirol? Die drei aus Matrei wurden schuldig gesprochen. Aufklärung brachte der Prozess dennoch nur wenig.
Alle drei Angeklagten (im Alter von 23 bis 24) bekannten sich von Beginn an schuldig, erklärten ihre zahlreichen Nazi ‑Aktionen für „Blödsinn“ und gaben sich „reumütig“. Bekanntschaft mit der Justiz hatten sie bereits gemacht: E.L. und E. S. wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung, der Drittangeklagte D.T. wegen Sachbeschädigung, aber auch schon einmal wegen NS-Wiederbetätigung. Damals kam er mit einer Diversion davon.
D.T. ist der Auffälligste des Trios. Bei seiner Diversion war er zur Teilnahme an einem zweitägigen Kurs an der Universität Innsbruck über die NS-Ära verpflichtet worden. „Das hat mir schon geholfen, aber ich hatte das Zeug noch auf dem Handy und war zu blöd, es zu löschen“, erklärte er laut „Kleine Zeitung“ (24.7.24) dem Richter auf dessen Frage.
Der vorsitzende Richter, der die Verhandlung ruhig und unvoreingenommen führte, bohrte nicht nach. Möglicherweise war das Facebook-Konto von D.T. nicht Gegenstand der Ermittlungen. Dort ist T. mit einer „Schwarzen Sonne“ am rechten Unterarm im Coverfoto zu finden, und seine Likes verraten, dass er die Neonazis von „Unwiderstehlich Österreich“ ebenso gut findet wie den deutschen Neonazi Tommy Frenck und natürlich die regionalen Nazi-Kameraden von „Terrorsphära“ (siehe auch Osttirol III). Dass ihm auch das Team Herbert Kickl, die FPÖ und sogar der HC gefallen, verwundert kaum. So viel lässt sich jedenfalls sagen: D.T. hat bei seinem Zwei-Tage-Kurs an der Uni Innsbruck ziemlich sicher nichts gelernt, und zu blöd zum Löschen ist er außerdem.
Viele der in der Anklage vorgeworfen Delikte wurden in der „Fischerhütte“ gesetzt – da trafen sich neben den Angeklagten noch weitere Personen aus ihrem Freundeskreis:
Auf einer Hütte hatten sie unter anderem ein Schild mit dem Namen „Wolfsschanze“ – so hieß das Hauptquartier Adolf Hitlers während des Zweiten Weltkrieges – angebracht. In dem Häuschen wurden auch Fahnen einschlägiger rechtsextremer Rockgruppen aufgehängt. (kleinezeitung.at, 24.7.24)
In insgesamt 48 Fragen, die die Geschworenen zu beurteilen hatten, wurden die Delikte der Angeklagten zusammengefasst. In der Verhandlung wurden ihnen auch Videos gezeigt, die die Angeklagten und ihren Freundeskreis bei Saufgelagen auf der Hütte zeigten, aber auch bei JackAss-Aktionen (man schlägt sich mit einem Hammer den Pfosten weg, auf dem man gerade steht). Aus den dümmlichen Videos und Fotos stechen folgende hervor, wie die Prozessbeobachtung in der Mitschrift festgehalten hat:
– Ein Video zeigt einen der Angeklagten beim Geschlechtsverkehr mit einer Frau, den er selbst filmt; er schwenkt dann hoch an die Wand zu einer über dem Bett hängenden Hakenkreuzflagge und zeigt anschließend den Hitlergruß in Richtung der Flagge
– ein Foto von einem der Angeklagten mit aufgemaltem Hitlerbart, er zeigt den Hitlergruß
– mehrere Videos mit Nazimusik im Hintergrund
Die Schuldfragen wurden einstimmig beantwortet, die Strafmaße liegen eng beieinander:
Der Erstangeklagte wurde zu einer bedingten Haftstrafe von sieben Monaten und 15 Tagen, sowie einer unbedingten Geldstrafe von 6300 Euro verurteilt. Der Zweitangeklagte erhielt neun Monate bedingte Haft und 5220 Euro unbedingte Geldstrafe. Der Dritte im Bunde schließlich wurde zu neun Monaten bedingt und 6300 Euro unbedingter Geldstrafe verurteilt. Die drei Männer nahmen das Urteil an, die Staatsanwältin gab kein Erklären [sic!] ab. Das Urteil ist vorerst daher nicht rechtskräftig. (kleinezeitung.at, 24.7.24)
Der ORF Tirol (26.7.24) stellt in seinem Bericht über den Prozess die Frage, ob der Bezirk Lienz in Sachen Wiederbetätigung besonders auffällig ist. Gericht und Staatsanwaltschaft sehen dafür keine „objektiven Indizien“. Wir wären uns da nicht so sicher.
Osttirol-Innsbruck (II): Ein Holocaustleugner
Zwei Tage vor dem braunen Trio, am 22. Juli, musste Martin P. (32) das Landesgericht Innsbruck besuchen. Als Angeklagter. Wegen Wiederbetätigung nach § 3h Verbotsgesetz: Holocaustleugnung. Er hatte am 7.8.2023 in dem von ihm betriebenen Telegram-Kanal „Corona-Zeitzeuge“ unter anderem die folgenden unfassbar zynischen Zeilen gepostet: „Sagt nicht, die Juden haben den Holocaust verdient, denn den gab es nie! Es ist alles gelogen von vorne bis hinten! Adolf Hitler hat die Gaskammern nie in Betrieb gesetzt, weil sie nicht funktionierten! Vielleicht hätten sie es aber verdient. Wer weiß.“ (tirol.orf.at, 26.7.24)
Angeklagt waren nur diese zwei Sätze, die allerdings für sich sprechen. Seine Gesinnung hat der Osttiroler aber auch in anderen Postings aufblitzen lassen: „Glaubt den Juden in der Ostmark nichts“ oder: „Der Jude [gemeint ist Sebastian Kurz; Anmk. SdR] lügt immer nur rum.“ Auch ein Solidaritäts-Posting für den schweren Antisemiten Attila Hildmann wird in der Verhandlung erwähnt.
Martin P., der in Kärnten wohnhaft ist und in Lienz arbeitet, bekennt sich vor Gericht zwar schuldig, trägt vor Gericht aber die üblichen Entschuldigungsfloskeln vor: „Des war Schwachsinn, ich wollte Dampf ablassen.“ Sein Verteidiger setzt noch eins drauf und führt ein schwieriges Vorleben – von Kindheit bis Arbeitslosigkeit – als Grund an, warum er in die Verschwörungsszene „hineingerutscht“ sei. Heute schäme sich der Angeklagte dafür.
Was sich eine/r von den acht Geschworenen dabei gedacht hat, als er (oder sie) für „nicht schuldig“ plädiert hat, wissen wir nicht. Die anderen sieben waren sich einig bei der einzigen Hauptfrage: schuldig. Das Urteil: ein Jahr bedingt und 1.440 Euro Geldstrafe, die in Raten abgezahlt werden kann.
Osttirol-Innsbruck (III): 9 Jahre Haft für braunen Rapper „Kombaat“ bestätigt
Nichtigkeit gegen ein Urteil eines Geschworenengerichts einzulegen, kann ins Auge gehen. Das musste schon vor einem Vierteljahrhundert Gottfried Küssel erfahren, als er das wegen seiner Verurteilung zu zehn Jahren Haft als Chef der VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition) versuchte. Das Ergebnis waren elf Jahre Haft nach einer Neuverhandlung.
Der Osttiroler Neonazi-Rapper und Kampfsport-Aktivist Manuel E. („Terrorsphära“ und „Kombaat“), dem auch ein vom Verfassungsschutz beobachtetes Treffen mit Küssel als Beleg für seine Verwobenheit in der Neonazi-Szene vorgehalten wurde, blitzte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde ab, daher wurde am 7.8. im Oberlandesgericht Innsbruck nach der Berufung durch den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft nur mehr das Strafmaß verhandelt. Im März war er vom Landesgericht Innsbruck zu neun Jahren unbedingter Haft verurteilt worden, was tatsächlich als „geschmalzen“ bezeichnet werden kann, aber angesichts des jahrelangen Wirkens von Manuel E. in der nationalen und internationalen Neonazi-Szene nicht unverständlich ist.
Die Verteidigungslinie, wonach sich Manuel E. seit seiner letzten Verurteilung nach dem Verbotsgesetz 2004 doch „drastisch verändert“ habe, ein „fürsorglicher Vater“ geworden sei und sogar einen zeitgeschichtlichen Kurs an der Uni Innsbruck besucht habe, konnte offenbar nicht überzeugen. Die Staatsanwaltschaft hielt in der Berufungsverhandlung mit der Vorbildwirkung von Manuel E. in der regionalen Osttiroler Szene dagegen und bezog sich darauf, dass seine jüngste Rolle als Nazi-Rapper „Kombaat“ bereits ihre Nachahmer gefunden habe. Das OLG Innsbruck bejahte die besondere Gefährlichkeit, die sich aus der weltweiten Verbreitung von NS- und rassistischen Texten ergebe, und fand das Urteil der Erstinstanz als „tatangemessen“. Es blieb daher bei den neun Jahren Haft. Die Nazi-Szene zeigte sich in prompt folgenden Reaktionen auf ihren Kanälen über das Urteil „not amused“.
Danke an prozess.report für die Beobachtung aller drei Prozesse!
Eder und alter Osttirol-Beitrag