Starke Polizeipräsenz im Landesgericht
Nachdem szenekundige Beobachter*innen im Vorfeld der Verhandlung, die heute, 2.2., im Blitztempo abgewickelt wurde, bereits unsicher waren, ob der Angeklagte überhaupt freiwillig vor Gericht erscheinen würde, wurde diese Frage schon früher als gedacht beantwortet. Schnellen Schrittes gingen wir beinahe gemeinsam mit dem Angeklagten die letzten Meter zum Landesgericht Steyr. Dort angekommen, fiel sofort die eher starke Polizeipräsenz und die Anwesenheit mehrerer Antifaschist*innen auf. Dass in Steyr die Umtriebe der rechtsextremen Szene genau beobachtet werden, ist nicht neu, aber bei den vergangenen Prozessen waren weniger strenge Kontrollen und weniger Polizeipersonal vor Ort. Auch eine Abordnung des Verfassungsschutzes wohnte der Verhandlung bei.
SHAEF- und QAnon-Anhänger vor Gericht
Das lag vermutlich am Eindruck, den der Angeklagte aufgrund der Inhalte seiner Postings nicht zuletzt auch bei den Behörden hinterlassen hatte. Roland S. ist aus Jugendzeiten bereits bekannt als ehemaliger Skinhead und mittlerweile stark ins Staatsverweigerer, QAnon- und SHAEF-Milieu abgedriftet. Österreich und Deutschland seien also Firmen, die vom amerikanischen Präsidenten (nämlich Trump, who else?) demnächst befreit würden.
War er zu Beginn der Pandemie noch Seite an Seite mit der damaligen Leitfigur und Anführerin der „Steyrer Sonntags-Spaziergänge“ Sabine Brandner, so verflüchtigte sich auch ihre Begeisterung für seine doch eher wahnhaften Ideen offenbar schnell. Wie so oft wollte man gewisse Leute plötzlich nicht mehr kennen oder dabeihaben. Wie bei Küssel, den man nach dem Besuch des 100. Spaziergang plötzlich nicht gekannt haben wollte.
Lachout-Dokument vielfach gepostet
S. wurde nach dem Verbotsgesetz § 3h, Abs. 1 und 2 angeklagt – er postete am 16.12.2022 auf seinem Facebook-Profil das Holocaust-leugnende „Lachout-Dokument“ und ergänzte es mit dem Kommentar: „Keine Menschen mit Giftgas getötet.“ Weiters hat er dies zu einem späteren Tatzeitpunkt auf mehreren weiteren FB-Profilen verbreitet, wovon allerdings nur zwei Beteiligte im Prozess namentlich erwähnt wurden: Youtuber Heimo O. und Facebook-Streamer Bert Walter U.. Bei zumindest einem der beiden, Heimo O. könnte das hinsichtlich einer laufenden Bewährungsstrafe spannend werden.
Auch auf Telegram postete der Angeklagte das Dokument in einer „SHAEF“-Gruppe und auf mindestens fünf weiteren Facebook-Profilen, darunter auch in jenes von Hannes Brejcha, Anführer des „Fairdenken“-Grüppchens in Wien.
Schnelle Verhandlung, schnelles Urteil
Nach einem durch seinen Verteidiger vermutlich hart erarbeiten Schuldbekenntnis des Angeklagten, der sich unerwarteterweise zudem reuig zeigte und seine Tat als Dummheit bezeichnete, zogen sich die Geschworenen und Richter zu Beratungen zurück. Während der halbstündigen Unterbrechung prangte das Dokument und etwas vergrößert auch der Kommentar mit dem Giftgas auf den Bildschirmen im Schwurgerichtssaal Steyr.
Da sich S. geständig zeigte und unbescholten war, kam es zum mildesten Urteil innerhalb des Strafrahmens. Die Geschworenen entschieden einstimmig mit 8 zu 0 Stimmen auf schuldig mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bei 3 Jahren Probezeit inkl. Übernahme der Gerichtskosten von 250 Euro. Das Urteil ist rechtskräftig. Im Zuge der Urteilsverkündung wurden auch die Herkunft und der grobe Inhalt des gefälschten Dokuments nochmals erläutert. Roland S. war sichtlich erleichtert, bedankte sich bei seinem Verteidiger und verabschiedete sich auch Richtung Staatsanwaltschaft, Richter und Geschworenen, um schließlich mit einem bescheidenen Lächeln den Schwurgerichtssaal zu verlassen.
Nicht nur die Steyrer Beobachter*innen sind äußerst gespannt, ob es in dieser Angelegenheit noch weitere Prozesse geben wird – wohl auch einige derer, die das Lachout-Dokument als Kommentare nicht gelöscht, sondern gehostet hatten.
Wir danken für die Prozessbeobachtung!
* Zur Kunstfigur „Horst Schlager” ➡️ Fake-Horst taucht in die rechte Welt ein