Cornelius Obonya (Schauspieler)
Liebe Mitmenschen!
Willkommen! Willkommen zu einem Fest für die Demokratie! Es ist eine Einladung — geben Sie Ihre Stimme ab — und sich selbst nicht auf! gehen Sie zur Wahl! Schicken Sie ihre Stimme auf die Reise in eine demokratische Zukunft.
Leben Sie, bleiben Sie am Leben, es lohnt sich. Es ist nicht leicht, es ist nie leicht. Demokratie ist nichts für Feiglinge. Sie haben Angst? Das eint uns – ich hab auch Angst – vor dem Verlust des guten Daseins. Angst davor, das eigene Land zu verlieren – die Flüsse werden weniger, die Seen gehen zurück, die Gletscher schmelzen und geben die kalte Wirklichkeit frei. Wir alle haben Schuld daran, wir sind zu lange so gefahren, mit unseren Autos, unseren Maschinen, jede einzelne Stück Kohle, das abgebaut wurde, war eines zu viel. Das wussten wir nicht. Jetzt wissen wir es. Und nun müssen wir zurück. Müssen verlieren, um zu gewinnen. Das wird nicht einfach. Und wir alle wissen das — tief im Innersten wissen wir das. Auch die unendlich wütenden, die lieber die Demokratie drangeben, als nicht wütend zu sein.
Aber wir dürfen nicht diese eine Konsequenz ziehen, die der Planet uns nicht erlaubt. Nämlich unsere Freiheit aufzugeben, ihn zu retten.
Nichts, aber auch gar nichts kann es rechtfertigen Parteien zu wählen, die uns vormachen, dass mit Tempo 150 durch die Vergangenheit zu brettern, die Zukunft besser macht.
Und für die Identitär-Beeinträchtigten habe wir eine ganz schlechte Nachricht. Aus diesem Land wird nicht mehr deportiert! Das ist hier nicht 1944 sondern 2024! Deportieren Sie sich doch bitte selbst einmal in so etwas wie ein Hirn! Scheuen Sie sich nicht davor, es kann nur besser werden …
Und übrigens: Gelegenheit macht Deportation. Sie selbst könnten der oder die nächste sein. Wenn Ihre Führer und Volkskanzlisten der Macht es sich mal in Ihre Richtung überlegen …
Wir mögen darüber diskutieren müssen, ob nicht eine geordnete Migration für diesen ganzen Planeten vonnöten sein wird. Meinungen gibt es viele, aber eine Tatsache gibt es auch. Migration passiert, die ganze Zeit. Und sie wird stärker werden. Es macht aller Erfahrung nach keinen Sinn, sich nicht mit ihr zu beschäftigen. Sie wird einmal das einzige Thema sein. Wenn der letzte menschengemachte Sturm übers Land gefegt ist, die Erde ausgetrocknet, und alles was nicht emigriert ist, tot sein wird, dann werden auch die letzten begreifen, dass Festungen nicht die Lösung sind. Denn der nächste Sturm kommt bestimmt. Irgendwann bricht die Mauer und der Wind pfeift durch.
Wir haben, so denke ich, alle einen Wunsch an die demokratisch gesinnten Parteien in diesem Land. Bitte begreifen Sie endlich, dass hier keine absoluten Mehrheiten mehr zu holen sind. Kommunizieren Sie miteinander – holen Sie das Beste aus Ihren Leuten heraus und bieten Sie es den anderen an. Bieten Sie es uns an. Wir stehen hier. Sie wollen unsere Stimme. Sie kriegen sie, weil wir das so wollen. Weil es nicht anders geht. Das ist Demokratie. Nicht immer angenehm, aber immer möglich. Das ist das Wichtigste.
Verstehen Sie bitte endlich, dass es nur gemeinsam geht. Sie schauen hier, in eingeübtem Proporz-Parlamentarismus, wie das sprichwörtliche Kaninchen der Schlange zu, wie sie sich durch das Gras des Populismus in die Wohnzimmer der Menschen schleicht und in Zeitlupe zubeißt – Meine Damen und Herren, das ist hier keine Universum-Sendung.
Das ist eine Bevölkerung, die Angst hat. Angst zu verlieren – vieles. Und da sind nicht alle Antisemiten oder Antimuslime, oder keine Demokraten. Oder Impfgegner, oder Deportationssüchtige, die sich in deutschen Hinterzimmern die Welt zusammenfaseln und eine europäische Hass & Co Import-Export Firma gründen.
Das sind Menschen, die ein Angebot brauchen – endlich. Nicht unsere Leut gegen die Reichen, nicht die Anständigen gegen die Faulen, nicht die Autofahrer-Nationalisten gegen die Umweltkrieger. Nicht die geschmäcklerischen Liberalen gegen die dumpfen Stammzellen ebensolcher Tische.
Es sind Menschen. Wir sind Menschen. Und wir werden uns unser Recht, eine Wahl zu haben, nicht nehmen lassen. Das geht sich nicht aus. Aber machen Sie endlich Politik in der Sache und nicht um die Sachen herum. Wir sind da. Eine ganze Zivilgesellschaft ist hier. Viele Einzelinitiativen, durch das ganz Land hindurch, sind da. Und viele, die sich nicht trauen, die nicht mehr vertrauen.
Dennoch – helfende Hände überall. Ergreifen Sie sie bitte, sprechen Sie mit diesen Menschen und reden Sie nicht über sie. Und dann bereiten wir am Wahltag, wann auch immer er kommen möge, denn das ist uns hier, den meisten Menschen völlig egal, gemeinsam diesem rechts-rechten Spuk ein demokratisches Ende.
Vielen Dank.
Erich Fenninger (Bundesgeschäftsführer Volkshilfe, Mitveranstalter der Demonstration)
Hallo liebe Freundinnen und Freunde, schön, dass ihr da seid.
Wir stehen heute tatsächlich an einem Kipppunkt der Geschichte. Und so weit vorne am Abgrund wie noch nie in der zweiten Republik.
Theodor W. Adorno hat so gut wie ausgeschlossen, dass ein autoritärer Faschismus in Zukunft in der gleichen, alten und damit identifizierbaren Uniform wiederkommt. Aber er hat schon damals davor gewarnt, dass er in abgeänderter Form wieder an die Macht kommen will. Heute stehen wir unmittelbar davor.
Durch die Arbeit der investigativen Journalisten konnten wir einen Einblick davon bekommen, was sich hinter den Kulissen tut. Finanzstarke Eliten mit völkischer Gesinnung in offensichtlicher Tradition des Nationalsozialismus finanzieren und organisieren die Zusammenarbeit von rechtsextremen, rassistischen Ideologen, Gewaltbereiten und Identitären mit einer bei demokratischen Wahlen antretenden Partei.
Für den Tag an dem sie Regierungsverantwortung bekommen planen sie eine sogenannte Remigration, ein völlig verharmlosendes Wort für Deportation und Massenvertreibung – denn das ist damit gemeint. Eine Massenvertreibung von asylwerbenden Menschen Schutzbedürftigen, Staatsbürgern mit Migrationshintergrund, MenschenrechtsaktivistInnen und Menschen, die eine andere Meinung haben als sie.
Sie wollen ein Land, das Menschen wieder deportiert. Unsere Nachbarin, die Pflegerin, die Ärztin, die Reinigungskraft, den Bauarbeiter, Menschen mit anderer Gesinnung, dich, mich, uns. Sie setzen uns auf Fahndungslisten. Sie bedrohen anders Denkende schon jetzt mit Schlägertrupps.
Sie wollen Legislative und Exekutive zusammenlegen. Sie diskreditieren, spalten, betreiben Abwertung von Menschen, sind frauenfeindlich und gegen die Gleichstellung der Geschlechter. Sie sind gegen Armutsbetroffene, Geringverdienende und gegen Gutmenschen. Entrechtung und Angriff auf die Menschenrechte und Demokratie ist ihr Programm. Wir wissen, dass der Rechtsextremismus nicht mit der Übernahme rechter menschenfeindlicher Politik durch andere Parteien verhindert werden kann. Im Gegenteil,menschenfeindliche Politik trägt zur Normalisierung bei und verschiebt die Alltagsmeinung genau dorthin wo sie sie haben wollen.
Daher fordern wir die Parteien, insbesondere die ÖVP auf, nicht mit der Übernahme von menschenfeindlicher Gesinnung, den Boden aufzubereiten. Die Rechtsextremen selbst – sie erkennen in uns, den Antifaschistinnenmenschenrechtsorientierten Menschen ihre größte Gefahr. Daher müssen wir heuer in einem Wahljahr lauter und immer lauter werden.
Wir sind diejenigen, die die Demokratie verteidigen, die im heurigen Jahr verhindern werden, dass die Rechtsextremen die Macht bekommen, dass sie weder den Kanzler stellen noch Teil der Regierung sein werden. Wir sind die menschliche Feuermauer, die die Demokratie und die Menschenrechte schützt.
Österreich könnte 2024 das Land sein, das den globalen Rechtsruck zu stoppen beginnt. Wenn wir es alle nur wirklich wollen. Ein anderes, sozial gerechtes und menschenrechtsorientiertes Österreich ist möglich.
Wow. pic.twitter.com/jMjMdwBEtp
— Erich Fenninger (@erichfenninger) January 26, 2024
Kay Voges (Regisseur, Intendant Volkstheater Wien)
Hallo. Ein Zitat: „Jede Geschichte hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“ Diese Worte kommen vom großen Filmemacher Jean-Luc Godard. Godard war ein Meister darin unser Bild von Narrativen auf den Kopf zu stellen. Geschichten zu erzählen, die so noch nie erzählt wurden. Und unseren Blick für andere Perspektiven zu öffnen.
Er arbeitete oft mit Collagen, wo er verschiedene Bilder hintereinandergestellt hat, die erstmal keinen eindeutigen Sinn ergaben. Denn den Sinn, den sollte jede Zuseherin für sich selbst finden. Jeder sollte seine eigene Geschichte erzählen.
Godard gab die Verantwortung über die Erzählung ab – und legte sie in unsere Hände. Denn so können wir danach diskutieren, was ich gesehen habe und was du. Wir können unsere Ansichten vergleichen, uns darüber streiten wie was wohl gemeint war und schauen, wo wir dasselbe gesehen haben.
Wenn wir uns die Reaktionen auf die Enthüllungen von Correctiv anschauen, dann gibt es auch dort verschiedene Narrative. Für einige sind die Ergebnisse einfach erschreckend. Für andere sind die Pläne dieser Faschisten, die logische Folge einer menschenverachtenden Weltanschauung. Für wieder andere ist die Correctiv-Story ein realer, wahrgewordener Albtraum. Und ich glaube, heute haben sich hier Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen versammelt. Auch heute können wir darüber diskutieren, was ich in der Geschichte gesehen habe und was du. Auch heute haben wir verschiedene Ansichten.
Aber wenn uns die letzten Wochen seit der Recherche etwas gezeigt haben, dann doch vielleicht Folgendes:
Wir sind so viele, die dasselbe sehen.
Wir sind so viele, die die Pläne von AfD, FPÖ, Identitären und Erzkonservativen ablehnen.
Wir sind so viele, die ein friedliches humanistisches Menschenbild in sich tragen.
Wir sind so viele, die unsere Demokratie verteidigen wollen.
Wir tragen die Verantwortung für die Geschichte in unseren Händen. Und wir können Teil einer Geschichte sein, wo wir nicht permanent darauf schauen, welche Ansichten uns entzweien, sondern uns darauf konzentrieren, was wir gemeinsam haben. Wir können Teil einer Geschichte sein, wo wir Brücken bauen, anstatt sie einzureißen. Wir können zusammenstehen, anstatt auf Abstand zu gehen.
Was uns bevorsteht, wenn die FPÖ an die Macht kommt, kann das Ende unserer Demokratie sein. Aber was ist, wenn wir es diesmal schaffen die Reihenfolge zu drehen? Was ist, wenn das hier heute ein Anfang ist? Was, wenn das hier der Anfang ist einer Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft, die dem Faschismus in Europa ein Ende setzt?
Wir können uns entscheiden. Wir können Geschichte sein. Gehen wir sie an.
Dankeschön.
Kay Voges brachte die Correctiv-Recherche als Koproduktion des Berliner Ensembles und des Volkstheaters Wien in Form einer szenischen Lesung auf die Bühne des Berliner Ensembles.
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