Alter Hetzer und Neonazi
„Brunello“ ist natürlich nicht der richtige Name des Angeklagten, der schon zum wiederholten Mal vor Gericht steht. Auf Facebook pöbelt Bruno H. seit etlichen Jahren auf seinen diversen Konten, darunter mit dem mittlerweile gelöschten „Brunello Tschinello“, durch zahlreiche Sperren und zwei Verurteilungen: 2015 wegen Verhetzung und 2018 wegen Wiederbetätigung. Seine Freundesliste ist nicht allzu groß, aber dafür mit etlichen Wiederbetätigern durchsetzt. Politisch ist auch er dort einzuordnen: zwischen all den Braunen und frustrierten Blauen. Wenn es in den letzten Jahren irgendwann wieder einmal eine braune Absetzbewegung von den Blauen gab: „Brunello“ war dabei oder begleitete sie zumindest mit Wohlwollen.
Vor einigen Jahren war das mit dem Begleiten auch noch wörtlich zu verstehen. „Brunello“ war so ziemlich bei jeder rechtsextremen Demo auf der Straße. Mittlerweile schlagen 77 Lebensjahre auf seinen Bewegungsapparat durch und „Brunello“ zieht seine Kreise auch nicht mehr in Wien, sondern in einer burgenländischen Gemeinde.
Rassistische Ausfälle, Sieg Heil-Rufe und Drohungen mit Kickl
Was ist da passiert, dass Bruno H. eine ganze Bus-Besatzung so gegen sich aufgebracht hat, dass sie nicht einmal mehr mit ihm gemeinsam in ihre Heimatorte fahren, sondern lieber am Bahnhof in Ebenfurth so lange auf das Eintreffen der Polizei warten wollte, bis der pöbelnde Braune amtsbehandelt war?
Am 26.8. des Vorjahres sollte der Angeklagte am Ebenfurther Bahnhof in einen Bus des Schienenersatzverkehrs umsteigen. Das angeblich „ausländische“ Aussehen eines ÖBB-Security-Mitarbeiters veranlasste Bruno H. zu einer rassistischen Schimpfkanonade und zum Hinweis, dass er sich als steuerzahlender Österreicher (H. bezieht eine Pension) von einem „solchen“ nichts sagen lasse. In den Bus stieg er dann schließlich doch ein, setzte dabei weitere Beschimpfungen ab, einige „Sieg Heil“-Rufe und Drohungen, dass sich in Wien ohnehin bald der Wind drehen würde und er Kickl persönlich kennen würde. Die Hinweise waren an die anderen Passagiere gerichtet, die ihm erklärten, dass sie mit ihm nicht gemeinsam die Fahrt aufnehmen wollten und er aussteigen möge.
Das tat Bruno H. dann auch, nachdem er noch einmal mit seinen Freunden und dem, was in den nächsten Jahren passieren werde (Kickl!), gedroht hatte. Weil er sich dann aber mit einem Taxi von seinem Tatort entfernen wollte, bevor noch die Polizei eingetroffen war, hinderten ihn die Passagiere am Einsteigen, woraufhin er auch noch den Taxifahrer beschimpfte – vermutlich, weil der auch „ausländisch“ aussah.
Die von Bus-Passagieren verständigte Polizei war rasch vor Ort, agierte nach Angaben der Zeugen „sehr geschickt und professionell“ und protokollierte die Aussagen der Passagiere, die am 16. Jänner zur Verhandlung wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung vor einem Geschworenengericht in Wiener Neustadt führten.
Bruno H. vor Gericht: politisch in der Mitte
Vor Gericht erzählte H. von einer Kindheit in Wien, wo das Leben noch in Ordnung gewesen sei und die Nachbarn zusammengehalten hätten. Das tun sie zumindest als Buspassagiere anscheinend noch immer, aber H. wird das vermutlich anders interpretieren. Apropos: Alkohol war bei dem Vorfall auch im Spiel, aber nach Einschätzung des vorsitzenden Richters eher in geringen Mengen. Wobei die Einschätzung, was eine geringe Menge ist, vom Angeklagten ohnehin anders interpretiert wird. Eine Alkoholentwöhnungstherapie hat der „Brunello“ nämlich schon hinter sich, obwohl er nach eigenen Angaben nie ein Alkoholiker gewesen sei, sondern nur so zwei bis drei Viertel Wein nachmittags getrunken habe – nie zum Frühstück! Jetzt trinke er nachmittags immer nur Bier. Von den übrigen Tageszeiten erzählte er dem Gericht anscheinend nichts.
Ähnlich realistisch fiel seine politische Selbsteinschätzung vor Gericht aus. Hatte er bei seiner polizeilichen Einvernahme noch erklärt, er stünde Mitte-Rechts, so erklärte er vor Gericht, das sehe er jetzt anders und wechselte auf Mitte.
Seine Strategie, sich reumütig und kleinlaut zu geben war, ging nicht auf. Die Geschworenen befanden ihn einstimmig für schuldig im Sinne der Anklage. Das Strafmaß wurde mit 24 Monaten Haft, davon 21 Monate bedingt auf drei Jahre, festgelegt. Das bedeutet drei Monate Abgang in die Haft unbedingt. H. nahm die Strafe an, die Staatsanwaltschaft äußerte sich noch nicht. Daher ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Wir danken für die Prozessbeobachtung!