Erhöhung der Politikergehälter: Sie weinten, aber sie nahmen
Befragt zur saftigen Erhöhung der Politikergehälter für seine Parteifreunde in den Bundesländern (Landbauer, Svazek & Co.), die Kickl noch im Sommer verhindern wollte, verlegte sich der FPÖ-Parteichef auf Wehleidigkeit: Der Koalitionspartner, die ÖVP, sei vom Gehaltsverzicht nicht zu überzeugen gewesen, aber es sei nicht wert gewesen, deswegen die Koalition(en) mit der ÖVP platzen zu lassen. Das erinnert an den preussischen König Friedrich der Große, der nach der ersten polnischen Teilung und dem Landgewinn für die Habsburger-Monarchie über Königin Maria Theresia zynisch gesagt haben soll: Sie weinte, aber sie nahm.
Während Kickl und seine Kumpanen jammern, weil sie mehr Geld einstecken „müssen“, ist an die großmundige Ansage von Herbert Kickl zu diesem Thema im ORF-Sommergespräch zu erinnern. Nachdem Kickl seine FPÖ-Spitzen in den Bundesländern erfolglos ermahnt hatte, die Gehaltserhöhungen nicht einzustreifen, mimte er im Sommergespräch den starken Mann und kündigte für den Herbst ein Bundesverfassungsgesetz im Nationalrat an, mit dem die Zustimmung seiner Parteifreunde in den Bundesländern zur Gehaltserhöhung überstimmt werden könne. Wir haben damals prophezeit: „Wird nicht funktionieren. Glattes Kickl‑K.O.!“ So kam es dann auch.
Blaue Korruption, aber der Sobotka …
Befragt zur freiheitlichen Finanzaffäre in der Steiermark (die in zwei Fällen auch den Verdacht auf NS-Wiederbetätigung ans Tageslicht befördert hat), in die mehrere blaue Funktionäre und Mandatare verstrickt sind, geht Kickl wie so oft in den Angriffsmodus. Der ebenfalls beschuldigte steirische FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek „ist mit Sicherheit der allerbeste Spitzenkandidat“, gegen den „in einem anonymen Käsezettel (…) schlicht und ergreifend“ falsche Vorwürfe erhoben würden, während gegen den Nationalratspräsidenten Sobotka „schwerwiegende Anschuldigungen“ erhoben werden „und das ist schon ein ganz anderes Kaliber wie ein anonymer Käsezettel“.
Und außerdem: Faktisch seien alle Verfahren gegen Freiheitliche eingestellt worden: „Im sogenannten Spesenverfahren viele Einstellungen schon gegen freiheitliche Mitarbeiter, weitere werden folgen. In der gesamten Causa Schellenbacher lauter Einstellungen.“
Die Fakten zur Causa Schellenbacher sehen anders aus: „Im März 2021 wurde Schellenbacher wegen schweren Betruges und betrügerischer Krida (betrügerische Schädigung eines Schuldners in einem Konkursfall) zu 2 Jahren und 9 Monaten unbedingter Haft verurteilt. Im August 2021 wurde das Urteil rechtskräftig“, ist auf Wikipedia über den Ex-Nationalratsabgeordneten nachzulesen. Der ihm ebenfalls vorgeworfene Kauf seines NR-Mandats war damals nicht strafbar, und die Ermittlungen gegen den verdächtigten Empfänger der Kaufsumme, Heinz-Christian Strache, wurden mangels an Beweisen eingestellt. Es gilt daher die Unschuldsvermutung.
Orbáns Spritpreisdeckel: gescheitert, aber richtig?
Eine besonders originelle Interpretation für das eklatante Scheitern des ungarischen Spritpreisdeckels, den die FPÖ auch für Österreich nachahmen wollte, lieferte der FPÖ-Chefökonom Kickl. Gescheitert sei der Spritpreisdeckel, den er trotzdem für richtig hält, weil Österreicher und Menschen aus anderen Ländern zum Tanken nach Ungarn gefahren sind, „was dann dazu geführt hat, dass die Benzin- und die Treibstoffreserven in Ungarn knapp geworden sind“.
Abgesehen davon, dass ein durch staatliche Subvention künstlich niedrig gehaltener Spritpreis nicht die richtige Antwort auf die Klima- und Energiekrise ist, konnte der nationale Spritpreisdeckel in einem offenen EU-Binnenmarkt natürlich nicht funktionieren. Orbáns Regierung hat daher zunächst versucht, die österreichischen und sonstigen Billigtanker von den ungarischen Zapfsäulen auszuschließen: einer von etlichen Verstößen gegen EU-Recht. Das war aber ohnehin wirkungslos, weil die ausländischen Mineralölkonzerne, die nicht wie die ungarische MOL mit russischem Billigöl beliefert wurden, mit den Billigpreisen nicht mehr mithalten konnten bzw. wollten und die Belieferung ihrer Tankstellen einstellten. Der Orbánsche Spritpreisdeckel ist am Orbánschen Nationalismus gescheitert und wäre wohl nur unter immensen ökologischen und ökonomischen Kosten wirksam geworden, wenn er in der gesamten EU eingeführt worden wäre. Dann wäre er aber kein Orbán-Deckel mehr gewesen.
Wenig Ahnung von der Strompreisbremse
Kickl behauptete auch, die Regierung habe keinen Strompreisdeckel gewollt. Deshalb sei es erst „jetzt, mit zwei Jahren Verzögerung“ zur Einführung gekommen Auch das ist falsch: Die Strompreisbremse wurde im September 2022 mit Wirksamkeit 1.12 2022 beschlossen und vor Kurzem um ein halbes Jahr, bis Ende 2024, verlängert.
Keine Ahnung von der Neutralität
Kickl verstreute über das Interview immer wieder seine Weisheiten über die Neutralität, die vorwiegend darin bestehen, dass Neutrale nicht nur die eine Konfliktpartei anhören und „verstehen“ sollten, sondern auch die andere. Das Problem: Sein Interviewer folgte ihm bei dieser Interpretation.
Tatsächlich wurde schon bei der Beschlussfassung über das österreichische Neutralitätsgesetz 1955 sehr deutlich gemacht, dass die österreichische Neutralität nie Schützenhilfe für Aggressoren sein dürfe. Wir zitieren aus der Rede des Berichterstatters, Abg. Prinke (ÖVP):
Denn was heißt Neutralität? Vor allem doch das Versprechen, kein anderes Volk, sei es aus welchen Gründen immer, zu überfallen, es in seinem staatlichen Leben zu stören oder anderen Aggressoren Schützenhilfe zu leisten. Das ist eine aktive Friedenspolitik, und die wollen wir auch weiterhin beachten. (…) Deshalb scheint die Feststellung in den Erläuterungen zum vorliegenden Gesetz, daß Österreich wohl ein neutraler, nicht aber ein neutralisierter Staat sein soll, besonders beachtenswert. Eine Verpflichtung, die uns etwa in das Niemandsland der geistigen Auseinandersetzungen geschoben hätte, wäre eine arge, für uns untragbare Beschränkung der eben errungenen Souveränität gewesen. So aber erleidet die wiedergewonnene Freiheit keinerlei Einbuße. (Stenographisches Protokoll, 26.10.55, S. 5)
Die Erklärung von Prinke ist eindeutig und klar: Neutralität heißt auch, anderen Aggressoren entgegenzutreten – mit friedlichen Mitteln. Damals war es übrigens der Vorläufer der FPÖ, der Verband der Unabhängigen (VdU), der gegen das Neutralitätsgesetz stimmte – mit der scheinheiligen Begründung, dass dieses Gesetz Neutralismus, also das unpolitische Heraushalten, das Vermeiden von klaren Positionen zu Aggression, bedeuten würde. Der VdU geißelte damals jene Haltung, die Kickl jetzt und auch im ZiB 2‑Gespräch einnahm.
Der VdU-Redner Max Stendebach damals:
Wer gibt uns die Gewähr dafür, daß nicht irgendwann einmal irgendeine Regierung aus innerpolitischen Gründen oder auf Anregung von außen her die von uns beabsichtigte Neutralitätspolitik in eine Politik der Neutralisierung umzufälschen oder daß sie Österreich aus Europa auszugliedern sucht? (Stenographisches Protokoll, 26.10.55, S.13)
Stendebach kritisierte damals exakt das, was Kickl jetzt will.
Verdrehung der eigenen Fehler
In der Debatte wird Kickl von Thür auch auf das vom früheren Verfassungsschutzchef Peter Gridling im Herbst 2023 publizierte Buch („Überraschungsangriff“), in dem Gridling erklärte, dass der Verfassungsschutz sehr besorgt gewesen sei über die Kontakte der FPÖ mit Russland. Auch hier geht Kickl auf den Vorwurf nicht ein, sondern gleich wieder in den Angriffsmodus über: „Herr Gridling hat dort (im Verfassungsschutz; Anmk. SdR) einen Zustand hinterlassen, den man gelinde gesagt auf internationaler Ebene als Sauhaufen bezeichnen kann.“
Dabei waren es er selbst und seine Gehilfen, die durch Angriffe auf den bzw. die Razzia im Verfassungsschutz und die rechtswidrige Suspendierung von Gridling die Zustände erst geschaffen haben, die Kickl nun in der ZiB 2 als „Sauhaufen“ beklagt.
Abgesehen davon, ist die gesamte Amtsführung des damaligen Innenministers Kickl schlicht als Abfolge von Skandalen (Polizeipferde, Inserate bei Rechtsextremen, Postenvergaben …) einzuordnen.
Kickl bestätigt neofaschistische Propaganda
17 Mal wurde in der Debatte der rechtsextreme bzw. neofaschistische Propagandabegriff von der „Remigration“ verwendet – nicht nur von Kickl, sondern auch von Thür. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die neofaschistischen Identitären, die rechtsextreme AfD und die FPÖ mit Kickl darunter auch die Deportation, d.h. die zwangsweise Aussiedlung von Staatsbürger*innen verstehen. Das wäre ein Bruch der geltenden Verfassung und des internationalen Rechts. Wie sagte Kickl schon früher dazu?: „Ich glaube, dass das Rechtder Politik zu folgen hat, und nicht die Politik dem Recht.“
➡️ Kickl im Sommergespräch: Kickls Schwindeleien, Verdrehungen & Halbwahrheiten
➡️ Kickl in der ZiB 2: FPÖ-Chef Kickl sinniert im ORF ungebremst über ein faschistisches Konzept