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Rückblick KW 46/23 (I): Prozesse

Ein Lin­zer Fuß­ball­fan hat­te nur die rech­te Hand frei, um sie für einen Jubel zu heben, ein Leon­din­ger ver­harm­los­te den Holo­caust mit diver­sen Pos­tings, und ein Nie­der­ös­ter­rei­cher droh­te zwei Grü­nen Poli­ti­ke­rin­nen mit einer Bom­be. Linz-Steyr: nur eine Hand frei Leon­ding-Linz: Covid-Maß­nah­men­geg­ner nach Ver­bots­ge­setz ver­ur­teilt Unter­wal­ters­dorf-Ebreichs­dorf-Wie­ner Neustadt/NÖ: „eine klei­ne Bom­be“ Linz-Steyr: nur eine Hand frei Ein Jahr beding­te Haft […]

20. Nov 2023
Schwurgerichtssaal Landesgericht Wiener Neustadt (© SdR)
Schwurgerichtssaal Landesgericht Wiener Neustadt (© SdR)

Linz-Steyr: nur eine Hand frei
Leonding-Linz: Covid-Maßnahmengegner nach Verbotsgesetz verurteilt
Unterwaltersdorf-Ebreichsdorf-Wiener Neustadt/NÖ: „eine kleine Bombe“

Linz-Steyr: nur eine Hand frei

Ein Jahr beding­te Haft lau­tet das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil gegen einen 57-Jäh­ri­gen durch einen Geschwo­re­nen­se­nat am Lan­des­ge­richt Steyr. Ange­klagt war der Blau-Weiß Linz-Fan Timo B. nach dem Ver­bots­ge­setz: Er soll beim Ver­las­sen des Sta­di­ons nach einem Fuß­ball­spiel im Febru­ar den rech­ten Arm zum Hit­ler­gruß geho­ben und dabei geru­fen haben „Wir sind eure Haupt­stadt, ihr Bau­ern“. Drei Polizeibeamt*innen, die im Fan­be­reich waren, bezeug­ten die Tat vor Gericht.

B. wur­de von Man­fred Artho­fer, prak­ti­scher­wei­se auch Anwalt des Lin­zer Ver­eins, ver­tre­ten. Artho­fer gab an, den Man­dan­ten seit mehr als 30 Jah­ren zu ken­nen monier­te gleich, dass B. eigent­lich auf „der ande­ren Sei­te“ ste­hen wür­de. Als Beweis legt er ein 20-Jah­res altes Foto vor, das B. in einem T‑Shirt mit der Auf­schrift „Gegen Nazis“ zeigt. Und über­haupt konn­te B. nur des­halb eine Hand beim Skan­die­ren eines Fan­ge­san­ges heben, weil er mit der zwei­ten ein Bier gehal­ten habe.

Die Geschwo­re­nen lie­ßen sich mehr­heit­lich nicht von der Ver­si­on des Ver­tei­di­gers über­zeu­gen und stimm­ten mit fünf zu drei zu Unguns­ten des Ange­klag­ten. Zur beding­ten Haft wur­de auch eine ver­pflich­ten­de Bewäh­rungs­hil­fe ver­ord­net. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Leonding-Linz: Covid-Maßnahmengegner nach Verbotsgesetz verurteilt

Am Lan­des­ge­richt Linz fand am 16. Novem­ber ein Pro­zess nach dem Ver­bots­ge­setz gegen einen Covid-Maß­nah­men­geg­ner statt. Kevin I. hat­te einer­seits meh­re­re Sujets ver­brei­tet, in denen er die Impf­pflicht mit den NS-Ver­bre­chen ver­gli­chen, aber auch sol­che mit typi­schen NS-Paro­len als Wit­ze ver­packt hat­te. Im Fal­le der Auf­nah­men von NS-Juden­ster­nen mit der Auf­schrift „Unge­impft“ oder Abbil­dun­gen von Regie­rungs­mit­glie­dern in NS-Uni­for­men woll­te sich der Ange­klag­te ledig­lich kri­tisch gegen die Regie­rungs­maß­nah­men geäu­ßert haben. Bei Fotos wie jenem von Bier­fla­schen mit Haken­kreuz und eine Nach­richt mit der NS-Paro­le „Heil Hit­ler“ als Abschieds­for­mel mein­te der Ange­klag­te, es habe sich um Humor gehandelt.

Zu den Ankla­ge­punk­ten mit NS-Bezug kamen noch ras­sis­ti­sche Äuße­run­gen gegen Muslim*innen, die der Kevin I. wie­der­um als Kri­tik ver­stan­den wis­sen woll­te, ohne sich davon zu distan­zie­ren. Das ver­han­del­te Daten­ma­te­ri­al stamm­te von einer Haus­durch­su­chung bei I., wobei nicht nur elek­tro­ni­sche Daten­trä­ger, son­dern auch die Bier­fla­schen mit Haken­kreuz-Eti­kett kon­fis­ziert wur­den. Der Ange­klag­te ist zwar bereits mehr­fach vor­be­straft, aber die Delik­te hat­ten bis dato kei­nen poli­ti­schen Hintergrund.

Auch nach den abschlie­ßen­den State­ments von Staats­an­walt­schaft und Ver­tei­di­gung posi­tio­nier­te sich Kevin I. als Opfer: Der Lock­down sei gegen die Men­schen­rech­te gewe­sen; er habe sich kri­tisch geäu­ßert und ste­he nun vor Gericht. Das Urteil lau­te­te 15 Mona­te beding­te Haft mit drei­jäh­ri­ger Bewäh­rung. Es wur­den kei­ne Rechts­mit­tel ange­mel­det, somit ist das Urteil rechtskräftig.

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Unterwaltersdorf-Ebreichsdorf-Wiener Neustadt/NÖ: „eine kleine Bombe“

Der 36-jäh­ri­ge Unter­wal­ters­dor­fer Erwin T. muss­te sich am 13. Novem­ber ins Lan­des­ge­richt Wie­ner Neu­stadt bege­ben, wo er sich u.a. wegen gefähr­li­cher Dro­hung ver­ant­wor­ten muss­te. Er hat­te in der Face­book-Grup­pe „Ebreichs­dorf Gemein­de“ (mit mehr als 2500 Mit­glie­dern) Kom­men­ta­re wie „Auch der Bür­ger­meis­ter ist ein Dreck“ und vor allem „Eine klei­ne Bom­be und die Grü­nen sind weg“ als Reak­ti­on auf ein Pos­ting des Bür­ger­meis­ters hin­ter­las­sen. Die betrof­fe­ne Grü­ne Stadt­rä­tin erstat­te­te dar­auf­hin eine Anzei­ge bei der Polizei.

Als Zeug*innen sag­ten der Ebreichs­dor­fer Bür­ger­meis­ter und die grü­ne Umwelt­ge­mein­de­rä­tin, die angab, sich durch den Kom­men­tar tat­säch­lich bedroht gefühlt zu haben, aus. Die Staats­an­walt­schaft hat­te zuvor dem Ange­klag­ten eine Zah­lung von 720 Euro als Diver­si­on ange­bo­ten. Da T. die ver­ein­bar­ten Raten­zah­lun­gen nicht ein­ge­hal­ten hat­te, kam es zur Ver­hand­lung, wo es aller­dings bei der Diver­si­on blieb; nur die zu bezah­len­de Sum­me erhöh­te sich leicht auf 800 Euro. Nach einer knap­pen hal­ben Stun­de war der Pro­zess zu Ende.

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