Das „Presseservice Wien“ war anwesend, als Bellschan-Mildenburg beigesetzt wurde und dokumentierte den rechtsextremen Auftrieb am Friedhof Annabichl in Klagenfurt fein säuberlich – auch die Schleife auf einem Kranz der Kameradschaft IV, auf in leicht abgewandelter Form das SS-Motto „Seine Ehre heißt Treue“ zu lesen war.
Eine von „Stoppt die Rechten“ eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz wurde eingestellt – obwohl die zuständige Staatsanwaltschaft befand, dass der Spruch grundsätzlich strafbar wäre. Aber, nachdem der 87-jährige Beschuldigte aus der Steiermark bereits zwei Anzeigen wegen der Verwendung desselben Spruchs erhalten hatte, die keine juristischen Folgen hatten, habe er davon ausgehen gehen können, dass die Verwendung der Ableitung der SS-Parole „Unsere Ehre heißt Treue“ nicht strafbar wäre.
„Obwohl für uns [Staatsanwaltschaft; Anmk. SdR] definitiv ein Straftatbestand gegeben ist, mussten wir das Ermittlungsverfahren einstellen.“ Der Grund heißt „Verbotsirrtum“ und steht im Strafgesetzbuch. „Wer das Unrecht der Tat wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennt, handelt nicht schuldhaft, wenn ihm der Irrtum nicht vorzuwerfen ist“, heißt es dort. (Kleine Zeitung, 3.7.23 S. 14)
Es lag also an einem doppelten „Rechtsirrtum“ (der auch schlicht Fehlentscheidung genannt werden könnte), dass der steirische Kamerad nunmehr zum dritten Mal straffrei davongekommen ist. Dafür wurde ihm die Rute ins Fenster gestellt: „Denn für das Zuständigkeitsgebiet der Oberstaatsanwaltschaft Graz – es umfasst die Steiermark und Kärnten – wird es diese Schonung künftig nicht mehr geben. ‚Wir haben den Mann eindringlich belehrt, dass wir in seinem Vorgehen eine Straftat sehen‘, sagt Kitz.“ (Kleine Zeitung)
Ein Abstecher von Neonazis, darunter Gottfried Küssel, zum Grab des ehemaligen Gauleiters von Kärnten und Salzburg, Friedrich Rainer, führte nicht nur zu Fotos des „Presseservice Wien”, sondern auch zur zweiten Sachverhaltsdarstellung, die von der Grünen Nationalratsabgeordneten Olga Voglauer an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt und an die Landespolizeidirektion Kärnten eingebracht wurde. Einmal nach dem Verbotsgesetz, weil auf dem Rainer-Grab ein Hitler-Zitat zu lesen ist und einmal nach dem Abzeichengesetz, weil strafbare Runen auf dem Grabstein eingefräst sind.
Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt stellte das Verfahren nach dem Verbotsgesetz „aus Beweisgründen und rechtlichen Gründen“ (Kleine Zeitung, 11.5.23, S. 14) ein. Welche Beweise und welche rechtlichen Gründe gemeint sind, ist bedauerlicherweise nicht bekannt.
Die Anzeige nach dem Abzeichengesetz scheint jedoch wirkungsvoller gewesen zu sein: die zahlreichen Runen auf dem Grabstein sind mittlerweile abgeklebt. Das Hitler-Zitat ist jedoch geblieben. Österreichische Rechtssprechung eben. Aber die Ironie der Geschichte: Wären die Neonazis nicht zum Rainer-Grab gepilgert, hätte sich vermutlich niemand um den Grabstein gekümmert!