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Eine Belehrung, abgeklebte Runen und ein Hitler-Zitat

Auf das Begräb­nis des SS-Vete­ra­­nen Her­bert Bel­l­­schan-Mil­­den­­burg im Novem­ber 2022 folg­ten gleich zwei Anzei­gen; eine scheint teil­wei­se erfolg­reich gewe­sen zu sein. Bei der ande­ren hieß es: Straf­bar ja, Stra­fe nein. Wie kommt’s? Das „Pres­se­ser­vice Wien“ war anwe­send, als Bel­l­­schan-Mil­­den­­burg bei­gesetzt wur­de und doku­men­tier­te den rechts­extre­men Auf­trieb am Fried­hof Anna­bichl in Kla­gen­furt fein säu­ber­lich – auch […]

12. Sep 2023
Grabstein von Friedrich Rainer mit abgeklebten Runen und verbliebenem Hitler-Zitat (Foto © SdR)
Grabstein von Friedrich Rainer mit abgeklebten Runen und verbliebenem Hitler-Zitat (Foto © SdR)

Das „Pres­se­ser­vice Wien“ war anwe­send, als Bell­schan-Mil­den­burg bei­gesetzt wur­de und doku­men­tier­te den rechts­extre­men Auf­trieb am Fried­hof Anna­bichl in Kla­gen­furt fein säu­ber­lich – auch die Schlei­fe auf einem Kranz der Kame­rad­schaft IV, auf in leicht abge­wan­del­ter Form das SS-Mot­to „Sei­ne Ehre heißt Treue“ zu lesen war.

Eine von „Stoppt die Rech­ten“ ein­ge­brach­te Sach­ver­halts­dar­stel­lung wegen des Ver­dachts auf Ver­stoß gegen das Ver­bots­ge­setz wur­de ein­ge­stellt – obwohl die zustän­di­ge Staats­an­walt­schaft befand, dass der Spruch grund­sätz­lich straf­bar wäre. Aber, nach­dem der 87-jäh­ri­ge Beschul­dig­te aus der Stei­er­mark bereits zwei Anzei­gen wegen der Ver­wen­dung des­sel­ben Spruchs erhal­ten hat­te, die kei­ne juris­ti­schen Fol­gen hat­ten, habe er davon aus­ge­hen gehen kön­nen, dass die Ver­wen­dung der Ablei­tung der SS-Paro­le „Unse­re Ehre heißt Treue“ nicht straf­bar wäre.

„Obwohl für uns [Staats­an­walt­schaft; Anmk. SdR] defi­ni­tiv ein Straf­tat­be­stand gege­ben ist, muss­ten wir das Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­stel­len.“ Der Grund heißt „Ver­bots­irr­tum“ und steht im Straf­ge­setz­buch. „Wer das Unrecht der Tat wegen eines Rechts­irr­tums nicht erkennt, han­delt nicht schuld­haft, wenn ihm der Irr­tum nicht vor­zu­wer­fen ist“, heißt es dort. (Klei­ne Zei­tung, 3.7.23 S. 14)

Es lag also an einem dop­pel­ten „Rechts­irr­tum“ (der auch schlicht Fehl­ent­schei­dung genannt wer­den könn­te), dass der stei­ri­sche Kame­rad nun­mehr zum drit­ten Mal straf­frei davon­ge­kom­men ist. Dafür wur­de ihm die Rute ins Fens­ter gestellt: Denn für das Zustän­dig­keits­ge­biet der Ober­staats­an­walt­schaft Graz – es umfasst die Stei­er­mark und Kärn­ten – wird es die­se Scho­nung künf­tig nicht mehr geben. ‚Wir haben den Mann ein­dring­lich belehrt, dass wir in sei­nem Vor­ge­hen eine Straf­tat sehen‘, sagt Kitz.“ (Klei­ne Zeitung)

Kranzschleife mit SS-Motto und Hitler-Zitat und Runen auf dem Rainer-Grabstein (Foto Presseservice Wien; nachbearbeitet)
Kranz­schlei­fe mit SS-Mot­to und Hit­ler-Zitat und Runen auf dem Rai­ner-Grab­stein (Foto Pres­se­ser­vice Wien; nachbearbeitet)

Ein Abste­cher von Neo­na­zis, dar­un­ter Gott­fried Küs­sel, zum Grab des ehe­ma­li­gen Gau­lei­ters von Kärn­ten und Salz­burg, Fried­rich Rai­ner, führ­te nicht nur zu Fotos des „Pres­se­ser­vice Wien”, son­dern auch zur zwei­ten Sach­ver­halts­dar­stel­lung, die von der Grü­nen Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Olga Vog­lau­er an die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt und an die Lan­des­po­li­zei­di­rek­ti­on Kärn­ten ein­ge­bracht wur­de. Ein­mal nach dem Ver­bots­ge­setz, weil auf dem Rai­ner-Grab ein Hit­ler-Zitat zu lesen ist und ein­mal nach dem Abzei­chen­ge­setz, weil straf­ba­re Runen auf dem Grab­stein ein­ge­fräst sind.

Die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt stell­te das Ver­fah­ren nach dem Ver­bots­ge­setz „aus Beweis­grün­den und recht­li­chen Grün­den“ (Klei­ne Zei­tung, 11.5.23, S. 14) ein. Wel­che Bewei­se und wel­che recht­li­chen Grün­de gemeint sind, ist bedau­er­li­cher­wei­se nicht bekannt.

Die Anzei­ge nach dem Abzei­chen­ge­setz scheint jedoch wir­kungs­vol­ler gewe­sen zu sein: die zahl­rei­chen Runen auf dem Grab­stein sind mitt­ler­wei­le abge­klebt. Das Hit­ler-Zitat ist jedoch geblie­ben. Öster­rei­chi­sche Rechts­spre­chung eben. Aber die Iro­nie der Geschich­te: Wären die Neo­na­zis nicht zum Rai­ner-Grab gepil­gert, hät­te sich ver­mut­lich nie­mand um den Grab­stein gekümmert!

Grabstein von Friedrich Rainer mit abgeklebten Runen und verbliebenem Hitler-Zitat (Foto © SdR)
Grab­stein von Fried­rich Rai­ner mit abge­kleb­ten Runen und ver­blie­be­nem Hit­ler-Zitat (Foto © SdR)