Graz: Winken oder Hitlern?
Feldkirch/Vbg: Freispruch nach SS-Tattoo
St. Pölten: Blaue Freunde dürfen stürmen
Graz: Evangelische Kirche beschmiert
Wieder einmal wurde die Problematik abgehandelt, ob eine stramme Haltung verbunden mit dem Anheben des rechten Arms um ungefähr 45 Grad einen Hitlergruß, eine Provokation oder ein Winken an Freunde darstellt. Am 18.4. musste sich ein Geschworenensenat beim Landesgericht Graz damit beschäftigen, ob es sich dabei um Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes durch den Angeklagten, Frederik P. (22) gehandelt hat, als er in illuminiertem Zustand in einem Cafe am Grazer Freiheitsplatz vor Polizisten seine Armbewegungen vollzog. Mitangeklagt war außerdem ein Verstoß gegen das Waffengesetz, weil die Polizei bei der üblichen Hausdurchsuchung nach einem begründeten Verdacht auf Wiederbetätigung neben Nazi-Schrott auch ein Samuraischwert und einen Schlagring entdeckten. Der Nazi-Schrott wurde aus der Anklage ausgeschieden, weil er in einer Schatulle, also nicht sichtbar, abgelegt war. Der Angeklagte brachte aber dafür etwas anderes in die Verhandlung ein, nämlich seine Vorstrafen: eine versuchte Körperverletzung (2020), eine weitere Körperverletzung, gefährliche Drohung und Sachbeschädigung (2018).
Beim Waffenbesitz ist die Sachlage klar: Der Angeklagte bekennt sich schuldig. Bei der Wiederbetätigung schaut’s anders aus. Zunächst erklärt sich der Angeklagte zu Neonazis. Er kenne keine, würde mit denen auch nichts unternehmen, weil das „Deppen“ sind. Das macht er auch in ähnlicher Weise für Hitler und den Nationalsozialismus geltend. Der Hitler war ein Arschloch und das ganze Regime auch. Den Nazi-Schrott habe er bei einer Räumung, bei der er mitgeholfen habe, erhalten und sich gedacht, der sei wertvoll, den könne er gut verkaufen. Mit der Armbewegung will er seinen Freund David zu der Amtshandlung mit den Polizisten herbeigewunken haben. Zeuge David glaubt nicht an einen Hitlergruß und will die Armbewegung damals als Winken zum Abschied interpretiert wissen. Der zweite Zeuge hat bei seiner Einvernahme vor der Polizei die Armbewegung als provozierende Geste interpretiert. Vor Gericht sieht er eine Abschiedsgeste. Nach ihm sind dann zwei Polizisten im Zeugenstand. Beide sagen übereinstimmend, dass der Angeklagte zuerst seinen linken Arm angehoben habe, dann etwas zurückgetreten sei und in strammer Haltung den rechten Arm angehoben habe – drei Mal. Der eine Polizist sah darin eindeutig eine Provokation, der andere erklärte dem Frederik, dass er damit ein Beschuldigter im Sinne des Verbotsgesetzes sei.
Die Wiedergabe der Schlussplädoyers ist entbehrlich. Bis auf den Satz des Verteidigers, dass man die Tat vom Täter trennen solle. Es mag die Geste ein Hitlergruß gewesen sein, aber Frederik P. sei kein Nazi, es fehle der bedingte Vorsatz. Das sahen die Geschworenen wohl ähnlich. Beim illegalen Waffenbesitz stimmten sie einstimmig auf schuldig, bei der Wiederbetätigung ebenso einstimmig gegen eine Schuld. Die Geldstrafe fiel mit 300 Tagsätzen zu jeweils 40 Euro (also 12.000 Euro insgesamt) geschmalzen aus. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Wir danken prozess.report und „VON UNTEN — Das Nachrichtenmagazin auf Radio Helsinki“ für die Prozessbeobachtung!
Feldkirch/Vbg: Freispruch nach SS-Tattoo
Hallo Vorarlberg! Bei diesem Prozess wäre eine Prozessbeobachtung dringend notwendig gewesen. Warum? Weil die Medienberichte vieles offen lassen. Angeklagt war ein deutscher Staatsbürger (45) wegen des Verdachts der Wiederbetätigung. Ein indirekter Fund! Auf dem Handy eines alten Freundes, der unter Drogeneinfluss in eine Polizeikontrolle geraten war, wurden belastende Fotos gefunden, die den Rücken des Angeklagten zeigten. Einen mit SS-Runen und dem Schriftzug „Meine Ehre heißt Treue“ ausgestalteter Rücken. Die Fotos hatte der Freund geschossen und sie dem Angeklagten weitergeleitet. Auf dem Handy des Angeklagten sind dann drei weitere NS-Inhalte gefunden worden, die aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht Gegenstand der Anklage geworden sind.
Das angeklagte Tattoo sei nach Darstellung der Verteidigerin uralt. Im Jahr 2002 sei es in Thailand „im Suff und mit LSD vollgepumpt“ gestochen worden. „Aus Protest“, weil er die Nazis damit lächerlich machen wollte, versucht sich der Angeklagte in einer etwas seltsamen Erklärung. Warum er erst nach den Fotos seines Freundes, also zwanzig Jahre später, das braune Tattoo überstechen habe lassen? Weil er früher kein Geld dafür hatte, so der Angeklagte. Schließlich sei er damals wegen seines Versuchs, nach Taiwan Drogen einzuschmuggeln, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, von der er 13 Jahre in Taiwan und weitere drei Jahre in Deutschland absitzen musste. Das Überstechen des Tattoos hab er im November des Vorjahres begonnen, mittlerweile sei der braune Dreck vollkommen durch ein neues Tattoo überdeckt.
Die Geschworenen nahmen ihm seine Erklärungen ab – der Freispruch ist bereits rechtskräftig.
Quellen: neue.at, 21.04.23 und vol.at, 21.4.23
St. Pölten: Blaue Freunde dürfen stürmen
War es ein Vorgriff auf die schwarzblaue Koalition in Niederösterreich? Oder doch ein unfreundlicher Akt von den Freunden der FPÖ, als sie am Wahltag für den niederösterreichischen Landtag (29.1.23) die Parteizentrale der ÖVP NÖ in St. Pölten besetzten, dort auf das Dach kletterten, mehrere Rauchtöpfe entzündeten und ein Banner mit der Aufschrift „Politiker einsperren, grenzen zusperren“ entrollten?
Ein identitäres Trio musste sich am 20.4. deswegen wegen des Verdachts des Hausfriedensbruches vor dem Landesgericht St. Pölten verantworten. Einer der Angeklagten durfte, zum Motiv befragt, treuherzig flöten: „Wir sind mit der derzeitigen Grenzpolitik unzufrieden, wollten medienwirksam darauf aufmerksam machen.“ (Kurier, 21.4.23)
Unzufrieden mit der derzeitigen Grenzpolitik sind sie also, die braven Identitären. Wenn‘s weiter nichts ist, oder? Unzufrieden sind ja auch ihre Freunde, die Blauen und deren neue Freunde, die Schwarzen und Türkisen. Unzufrieden mit der derzeitigen Grenzpolitik sind allerdings auch ihre Gegner, die Linken, Grünen, Sozial- und sonstigen Demokrat*innen. Aber die machen nicht nach ihrem Freispruch ein „White Power“-Zeichen wie das einer vom Trio für das identitäre Gruppenfoto machte. Also sind sie nicht bloß Unzufriedene, sondern waschechte Rassisten. Ob der mit dem Handzeichen auch der war, der der Justiz bereits mit NS-Postings aufgefallen ist? Der Richter fällte übrigens laut „Kurier“ einen „klaren Freispruch“: Es war nur unbefugtes Betreten.
Graz: Evangelische Kirche beschmiert
Die Fassade der evangelischen Kreuzkirche in Graz-Lend wurde – passend zum 20.4. – massiv mit braunen und anderen dümmlichen Symbolen beschmiert. Die Grazer Polizei meldet dazu:
Gegen 13:40 Uhr wurde bei der Polizei die Anzeige erstattet, dass bei einer Kirche ein Graffiti-Sprayer am Werk sei. Bei den sofortigen Ermittlungen konnte festgestellt werden, dass das Gotteshaus großflächig mit zahlreichen, teils politisch bzw. religiös motivierten Schriftzügen verunstaltet war. Die Schriftzüge waren mit einem schwarzen Spray auf die Mauer und den Boden des Gebäudes gesprüht worden. Ein 26-Jähriger aus dem Bezirk Wiener-Neustadt-Land (NÖ) konnte im dortigen Bereich wahrgenommen werden. Aufgrund von vorhandenen Tatmitteln in unmittelbarer Nähe und Zeugenhinweisen konnte diese Person glaubhaft der Täterschaft beschuldigt und vorläufig festgenommen werden. Weiters dürfte der Beschuldigte im Anschluss an die Sprayaktion auch pyrotechnische Gegenstände gezündet haben. Die Höhe des entstandenen Sachschadens ist noch nicht bekannt. Zur Tathandlung ist der Beschuldigte geständig, bezüglich der genauen Tatumstände und Motivlage laufen die Ermittlungen. (LPD Steiermark via kriminalfall.at, 20.4.23)

Der Schaden wird auf über 40.000 Euro geschätzt. Die Kreuzkirche in Graz-Lend wurde zuletzt 2020 attackiert.