Der Kärntner Kameradschaftsbund. Ganz tief im rechten Sumpf.
Im ersten Teil unserer Reportage über die Narvik-Feier widmeten wir uns den geschichtlichen Hintergründen des Narvik-Treffens. Heute möchten wir das Augenmerk darauf richten, wer hinter der Feier steht und sich 2023 daran beteiligte.
Die Narvik-Feier wird bis heute von der Kameradschaft der ehemaligen Angehörigen des Gebirgsjägerregiments 139 veranstaltet. Diese ist eine Untergliederung des Kärntner Kameradschaftsbundes, der wiederum ein Landesverband des österreichweit aktiven Österreichischen Kameradschaftsbundes (ÖKB) ist. Der ÖKB ist ein österreichweit aktiver militärischer Traditionsverband, der eng mit dem österreichischen Bundesheer zusammenarbeitet. Der ÖKB Kärnten ist in Sachen Verstrickungen mit dem Rechtsextremismus kein unbeschriebenes Blatt. Nicht nur, dass er etwa in Person des SS-Mannes Paul Rösch an der Gründung und Durchführung des Ulrichsbergtreffens eine maßgebliche Rolle spielte, ist es auch die jüngere Historie der personellen Führungsschicht, die stutzig macht.
Insbesondere der 2019 verstorbene ehemalige Bundesheer-Major Wolf Dieter Ressenig steht exemplarisch für diese Entwicklung. Bis 2009 war er Obmann der Ulrichsberggemeinschaft, die das bereits erwähnte Treffen von Waffen-SS-Veteranen und Neonazis in Klagenfurt organisierte. Letztendlich musste Ressenig als Obmann seinen Hut ziehen, da er im Internet Nazi-Devotionalien verkaufte, was einerseits ein Ende der Teilnahme des Bundesheeres an der Veranstaltung, andererseits aber auch den Untergang einer der größten rechtsextremistischen Veranstaltungen auf europäischem Boden bedeutete.
Es war jedoch nicht das Ende von Ressenigs Karriere innerhalb revisionistischer Strukturen in Kärnten. In den nächsten Jahren schaffte er es bis zum Landesobmann der Kärntner Sektion des ÖKB. Seine Tätigkeit verlangte nicht einmal einen Ortswechsel. So residieren die Büros sowohl der Ulrichsberggemeinschaft als auch des ÖKB Kärnten bis heute im Magistratsgebäude des Stadt Klagenfurt, sogar im selben Stock und im Falle der Ulrichsberggemeinschaft mietfrei. Beim ÖKB subventionierte die Stadt zumindest noch bis zum Jahr 2020 50% der Mietkosten (1). Auch andere hochrangige Funktionäre der Ulrichsberggemeinschaft hatten eine Doppelfunktion im ÖKB Kärnten inne, beispielsweise der mittlerweile verstorbene SPÖ-Landtagsabgeordnete Rudolf Gallob. (vgl. Der Kärntner Kamerad 2012/1, S. 3 via yumpu.com)
Was das Erbe verblichener Ulrichsberg-Funktionäre für heute noch aktuell macht, ist die Tatsache, dass die Stadt Klagenfurt ob der über die Jahre mehrmals geäußerten Kritik an der Raumvergabe an einen rechtsextremen Verein im Feber 2022 entschied, denjenigen Vereinen die Räume zu entziehen, die sich nicht „ausnahmslos von jedwedem extremistischen, rassistischen und radikalen Gedankengut“ (2) distanzieren. Es bleibt die Frage, ob für die Verantwortlichen Politiker*innen auch ein Verein unter diese Präambel fällt, der auf seinen Veranstaltungen nicht nur SS-Soldaten huldigt, sondern auch mit Rechtsextremist*innen verschiedener Coleur gemeinsame Sache macht. Dass der ÖKB Kärnten eben dies getan hat, hat die „Narvik-Gedenkfeier“ am 13. April eindeutig bewiesen.
Angesichts der Verzahnung des ÖKB Kärnten mit Proponent*innen des Rechtsextremismus ist es kein Wunder, wer der diesjährigen Narvik-Feier entweder durch seine Anwesenheit oder aber durch Grußworte seine Ehre erwies. Da wäre beispielsweise Peter Mussi, seines Zeichens Alter Herr der Klagenfurter Burschenschaft Tauriska sowie ehemals Gemeinderatskandidat für die FPÖ. Nur per Grußworte dabei sein konnte Martin Pfeiffer, Chefredakteur der mittlerweile verblichenen rechtsextremen Zeitschrift „Die Aula“, in der KZ-Überlebende als „Landplage“ bezeichnet wurden. Grußworte schickten ebenso der Vorsitzende der deutschen „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“, weiters Peter Dingsleder, ein Aktivist der neofaschistischen „Identitären“, der gleichnamige Enkel des Nazi-Kriegsverbrechers und Trägers des „Goldenen Parteizeichens der NSDAP“, Lothar Rendulic und Alf Gerd Fantur, dessen Großvater Werner Fantur mit dem 1941 erschienenen NS-Propagandabuch „Sieg des Glaubens“ zu den Begründern des Narvik-Mythos gehörte.
Man könnte das ganze jetzt als Brimborium einiger weniger Ewiggestriger abtun, wäre da nicht die Verbindung hin zum Bundesheer. So schickten beispielsweise der ehemalige Militärkommandant von Kärnten, Brigadier i.R. Gunther Spath und Vizeleutnant i.R. Franz Schabreiter, der auch die Funktion des Ehrenpräsidenten des ÖKB Landesgruppe Steiermark bekleidet, Grußworte. Auch international ist man vernetzt: Roland Schäfer vom bayrischen Soldatenbund war ebenfalls mit einer Grußbotschaft vertreten. Es versteht sich von selbst, dass neben verschiedenen Abordnungen des ÖKB (Heiligenblut, Landesfrauenverband Kärnten) auch die große alte Dame des Kärntner Deutschnationalismus, der Kärntner Abwehrkämpferbund, an der Feier beteiligt war.
Zum Abschluss lauschten die versammelten Kameraden noch dem Schriftführer der GRJ 139-Kameradschaft Thomas Schinnerl, der aus dem Kriegstagebuch des Kärntner Ritterkreuzträgers und Norwegen-Kämpfers Franz Rohr vorlas. Bevor man sich jedoch komplett auflöste und den Tag im Klagenfurter Gasthaus Augustin ausklingen ließ, stellte eine Dame noch still und leise zwei Kerzen vor die Gedenktafel der GRJ 139 hin. „Kameradschaft IV Land Kärnten – in treuem Gedenken“ stand darauf geschrieben. Dabei handelt es sich um eine am Rande des Neonazismus angesiedelte Kameradschaft ehemaliger Mitglieder der Waffen-SS. In Kärnten war sie über Jahrzehnte hinweg eine der treibenden Kräfte hinter dem Ulrichsbergtreffen, wobei es auch hier zahlreiche personelle Überlappungen mit dem ÖKB gab.
Und jetzt?
Ob und welche Konsequenzen die Narvik-Feier 2023 nach sich ziehen wird, ist unklar. Einerseits ist das Bundesheer zwar bestrebt, mit der Umbenennung der Windisch-Kaserne einen Traditionsbezug zum Nationalsozialismus zu kappen, andererseits schicken ehemals hochrangige BH-Vertreter aber Grußworte an die Narvik-Feier. Eine Traditionslinie mit dem Gebirgjägerregiment 139 wird laut einer Publikation des Bundesheeres aus dem Jahre 2006 zwar „explizit ausgeschlossen“ (3), was auch die Abwesenheit aktiver Bundesheerangehöriger an der Feier erklären könnte, dennoch hat sich etwa der Kärntner Militärkommandant Walter Gitschthaler in der Vergangenheit an Veranstaltungen beteiligt, an denen auch die 139er-Kameradschaft anwesend war. Hinzu kommt, dass auch der Kärntner Abwehrkämpferbund regelmäßig an Veranstaltungen des Bundesheeres teilnimmt.
Ob der politische Wille, etwas an der Verzahnung von Bundesheer, Teilen der Politik, Kameradschaftsbund und organisiertem Rechtsextremismus (etwa in Form der Kameradschaft IV oder den Identitären) zu ändern in Kärnten da ist, ist fraglich. Am 18. März 2023 feierte der Kärntner Kameradschaftsbund in der Klagenfurter Windischkaserne sein siebzigjähriges Jubiläum. An der Feier beteiligten sich nicht nur der Klagenfurter Bürgermeister und mehrmalige Teilnehmer am Ulrichsbergtreffen, Christian Scheider (Team Kärnten), sondern auch der SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser. Ein Bruch mit einer Organisation, deren Vertreter sich gemeinsam mit Neonazis wie Gottfried Küssel an Begräbnissen von SS-Veteranen zeigen und die gemeinsam mit einer Kameradschaft der Waffen-SS einen im Nationalsozialismus entstandenen Heldenmythos der „Schlacht um Narvik“ weiterpflegt, schaut anders jedenfalls aus.
➡️ Teil 1: Zwischen NS-Heldenmythos, Identitären und Unterstützung durch das Land Kärnten
Fußnoten
1 Subventionsbericht der Stadt Klagenfurt 2022
2 Stadt Klagenfurt sowie Kleine Zeitung 1 und Kleine Zeitung
3 Pirker, Peter: Ein Fall „besonderer Traditionspflege“, S. 29.