Landeck: Blaue Bundesheerler bilanzieren braun

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„Das lesen Sie exklu­siv bei uns“, heißt es übli­cher­wei­se, wenn Medi­en dar­auf hin­wei­sen wol­len, dass sie als Ers­te oder exklu­siv über Infor­ma­tio­nen ver­fü­gen. Seit wir gemein­sam mit prozess.report eine Pro­zess­be­ob­ach­tung in eini­gen Gerichts­städ­ten orga­ni­sie­ren kön­nen bzw. die­se aus­wer­ten dür­fen, gibt es neben unse­rer übli­chen Recher­che­ar­beit außer­halb von Gerichts­sä­len auch Pro­zess­be­rich­te, die es in sich haben und die Qua­li­tät die­ser Arbeit zur Gel­tung brin­gen. Die­ser exklu­si­ve Pro­zess­be­richt belegt es!

Es geht um den Pro­zess wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung (§ 3g Ver­bots­ge­setz), der am 3. März vor dem Lan­des­ge­richt Inns­bruck statt­fand. Zwei mitt­ler­wei­le aus dem Bun­des­heer aus­ge­schie­de­ne Berufs­sol­da­ten waren ange­klagt. Moment, das haben wir doch schon gele­sen auf „Stoppt die Rech­ten“, wer­den sich eini­ge erin­nern. Stimmt! Im Wochen­rück­blick vom 6. März haben wir kurz über die­sen Pro­zess berich­tet und dafür die Infos aus einer APA-Mel­dung verwendet.

Kurz dar­auf traf aber ein exakt pro­to­kol­lier­ter und recher­chier­ter Pro­zess­be­richt aus Inns­bruck ein, und der ent­hält Infor­ma­tio­nen, die nir­gend­wo sonst zu lesen sind und es tat­säch­lich in sich haben. Die Ankla­ge lau­te­te: „Die bei­den ange­klag­ten Berufs­sol­da­ten sol­len in der Pontlatz­ka­ser­ne in Lan­deck seit 2019 mehr­fach im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sinn tätig gewor­den sein.“

Verhandlungskalender LG Innsbruck: "Die beiden angeklagten Berufssoldaten sollen in der Pontlatzkaserne in Landeck seit 2019 mehrfach im nationalsozialistischen Sinn tätig geworden sein (u.a. durch Versenden einschlägiger Fotos über WhatsApp, Zur-Schau-Stellung von NS-Propagandamaterial in einer Vitrine des Wohnzimmers, Aufforderung an andere Soldaten, ein Ei aus Holz mit Hakenkreuz zu küssen)

Ver­hand­lungs­ka­len­der LG Inns­bruck: „Die bei­den ange­klag­ten
Berufs­sol­da­ten sol­len in der Pontlatz­ka­ser­ne in Lan­deck seit
2019 mehr­fach im natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sinn tätig gewor­den sein (u.a. durch Ver­sen­den ein­schlä­gi­ger Fotos über Whats­App, Zur-Schau-Stel­lung von NS-Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al in einer Vitri­ne des Wohn­zim­mers, Auf­for­de­rung an ande­re Sol­da­ten, ein Ei aus Holz mit Haken­kreuz zu küssen)

Nichts gese­hen, nichts gehört?

Nun könn­te man anneh­men, dass die Vor­fäl­le durch Vor­ge­setz­te oder den zustän­di­gen mili­tä­ri­schen Nach­rich­ten­dienst, das Hee­res­ab­wehr­amt, ange­zeigt wor­den sind. Irr­tum! Laut Staats­an­wäl­tin kamen die Taten nicht wegen der Mili­tär­be­hör­de raus, son­dern durch das Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz Tirol. Alle vom Kader­per­so­nal und höhe­ren Rän­ge vom Mili­tär hät­ten gesagt, sie hät­ten nichts gese­hen, nichts gehört.

Der Tiro­ler Ver­fas­sungs­schutz hat bei einer Haus­durch­su­chung im April 2022 bei bei­den Ver­däch­tig­ten eini­ges belas­ten­des Mate­ri­al gefun­den und danach auch Zeu­gen ein­ver­nom­men: Sol­da­ten aus der Kaser­ne, von denen aber die meis­ten zu kei­ner Aus­sa­ge bereit waren oder mein­ten sie wüss­ten von nichts. Das ist doch schon ziem­lich merkwürdig.

Beim Erst­an­ge­klag­ten L.K. fand man näm­lich: Whats­App-Nach­rich­ten mit NS und Adolf Hit­ler ver­herr­li­chen­den Memes (einen gan­zen Ord­ner voll), u.a. Fotos von „Mein Kampf”, dazu Nach­rich­ten wie „brauchst du das heu­te?“ – „ja unbe­dingt“ oder Fotos von T‑Shirts mit NS-Bezug und Hit­ler-Wein und ‑Bier­fla­schen, im Wohn­zim­mer sol­len in einer Glas­vi­tri­ne ein eiser­nes Kreuz mit Haken­kreuz, eine Aus­ga­be von „Mein Kampf“, NS-Urkun­de, Reichs­mark­mün­ze, Ansteck­na­del mit Reichs­ad­ler und Haken­kreuz aus­ge­stellt gewesen.

Beim Zweit­an­ge­klag­ten D.S. auch nicht wenig, näm­lich: Whats­App-Nach­rich­ten mit NS- und Adolf Hit­ler ver­herr­li­chen­den Memes (mit Lukas K. geteilt). Bei ihm wur­de zuhau­se in einem Tre­sor ein Wehr­machts-Sold­buch gefun­den. Das hat S. im Dienst wohl bei sich getra­gen wie die All­ge­mei­ne Dienst­vor­schrift (ADV, müs­sen Sol­da­ten immer bei sich haben, wird bei Grund­wehr­die­nern auch kon­trol­liert) und hat das vor­ge­zeigt und gesagt, das sei sei­ne „ADV“.

Brau­ne Grü­ße in der Zugskanzlei

Dazu kamen in der Ankla­ge aller­dings auch noch die „imma­te­ri­el­len“ Vor­wür­fe: Hit­ler­grü­ße, „Sieg Heil“ und „Guten Mor­gen, mein Füh­rer“ soll es gege­ben haben, wenn jemand in die Zugs­kanz­lei kam; auch das NS-Marsch­lied „Eri­ka“ wur­de dort gespielt.

In der Ver­hand­lung wur­den ins­ge­samt vier Zeu­gen befragt. Bei ihren Aus­sa­gen vor Gericht ruder­ten eini­ge von ihnen aber gegen­über dem, was sie beim Ver­fas­sungs­schutz zu Pro­to­koll gege­ben hat­ten, zurück, konn­ten oder woll­ten sich nicht genau erin­nern. Anzu­mer­ken ist, dass der Zeu­ge M.Z. am 1. Febru­ar eben­falls am Lan­des­ge­richt Inns­bruck einen nicht rechts­kräf­ti­gen Schuld­spruch wegen Wie­der­be­tä­ti­gung und damit eine beding­te Haft von 18 Mona­ten sowie eine Geld­stra­fe abge­fan­gen hat. Aber selbst Z. bestä­tig­te, dass er den Hit­ler­gruß gese­hen sowie „Sieg Heil“ und „Guten Mor­gen, mein Füh­rer“ gehört habe, wenn man die Kanz­lei betre­ten habe. Auch „Eri­ka“ habe er dort gehört. Wegen des Grup­pen­drucks habe er nichts gemeldet.

Der Zeu­ge Z. ist aber noch aus einem ande­ren Grund bemer­kens­wert. Ein Face­book-Wer­be­post der AUF/AFH, der blau­en Per­so­nal­ver­tre­tungs­lis­te im Bun­des­heer, zeigt ihn als Kan­di­da­ten für die Per­so­nal­ver­tre­tungs­wahl 2019. Auf dem Foto sind neben Z. auch die bei­den Ange­klag­ten D.S. und L.K. zu sehen. S. weist die Lan­des­grup­pe AUF/AFH Tirol zudem als ihren „Lan­de­s­öf­fent­lich­keits­re­fe­ren­ten“ aus. Noch immer. Das ist die ers­te Exklu­siv­mel­dung. Nir­gend­wo sonst war zu lesen, dass die bis­lang drei Ange­klag­ten aus der Lan­de­cker Kaser­ne Akti­vis­ten der blau­en AUF/ AFH waren bzw. sind.

3 der 5 Kanditaten der blauen Bundesheergewerkschaft wegen Wiederbetätigung verurteilt (nicht rechtskräftig)

3 der 5 Kan­di­ta­ten der blau­en Bun­des­heer­ge­werk­schaft wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ur­teilt (nicht rechtskräftig)

Was eben­falls nir­gend­wo sonst berich­tet wur­de: Gegen den Kom­pa­nie­kom­man­dan­ten S.G. läuft noch ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren von Ver­fas­sungs­schutz bzw. Staats­an­walt­schaft wegen des Ver­dachts der fal­schen Zeu­gen­aus­sa­ge und des Ver­sto­ßes gegen das Ver­bots­ge­setz. Er steht im Ver­dacht, mit L.K. über Whats­App Bil­der aus­ge­tauscht zu haben. Gegen ihn soll es auch ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren geben.

Der Wahr­spruch der Geschworenen

In 15 Fra­gen muss­ten die Geschwo­re­nen die Schuld der bei­den Ange­klag­ten beur­tei­len. Bei drei davon ver­nein­ten sie eine Schuld, bei sechs bejah­ten sie ein­stim­mig die Schuld, bei den rest­li­chen sechs mehr­heit­lich. K. erhielt 18 Mona­te bedingt und eine Geld­stra­fe, S. 14 Mona­te bedingt und eben­falls eine Geldstrafe.

Ohne Pro­zess­be­ob­ach­tung hät­ten wir über die blaubrau­nen Umtrie­be in der Lan­de­cker Kaser­ne nicht so berich­ten kön­nen. Dan­ke & wir suchen noch Prozessbeobachter*innen, vor allem für Lan­des­ge­rich­te außer­halb von Wien.