Die Anklage lautete: „Die beiden angeklagten Berufssoldaten sollen in der Pontlatzkaserne in Landeck seit 2019 mehrfach im nationalsozialistischen Sinn tätig geworden sein.“
Nichts gesehen, nichts gehört?
Nun wäre anzunehmen, dass die Vorfälle durch Vorgesetzte oder den zuständigen militärischen Nachrichtendienst, das Heeresabwehramt, angezeigt worden sind. Irrtum! Laut Staatsanwältin kamen die Taten nicht wegen der Militärbehörde raus, sondern durch das Landesamt für Verfassungsschutz Tirol. Alle vom Kaderpersonal und höheren Ränge vom Militär hätten gesagt, sie hätten nichts gesehen, nichts gehört.
Der Tiroler Verfassungsschutz hatte bei einer Hausdurchsuchung im April 2022 bei beiden Verdächtigten einiges belastendes Material gefunden und danach auch Zeugen einvernommen: Soldaten aus der Kaserne, von denen aber die meisten zu keiner Aussage bereit waren oder meinten sie wüssten von nichts. Das ist doch schon ziemlich merkwürdig.
Beim Erstangeklagten L.K. fand man nämlich: WhatsApp-Nachrichten mit NS und Adolf Hitler verherrlichenden Memes (einen ganzen Ordner voll), u.a. Fotos von „Mein Kampf”, dazu Nachrichten wie „brauchst du das heute?“ – „ja unbedingt“ oder Fotos von T‑Shirts mit NS-Bezug und Hitler-Wein und ‑Bierflaschen, im Wohnzimmer sollen in einer Glasvitrine ein eisernes Kreuz mit Hakenkreuz, eine Ausgabe von „Mein Kampf“, NS-Urkunde, Reichsmarkmünze, Anstecknadel mit Reichsadler und Hakenkreuz ausgestellt gewesen.
Beim Zweitangeklagten D.S. auch nicht wenig, nämlich: WhatsApp-Nachrichten mit NS- und Adolf Hitler verherrlichenden Memes (mit Lukas K. geteilt). Bei ihm wurde zuhause in einem Tresor ein Wehrmachts-Soldbuch gefunden. Das hat S. im Dienst wohl bei sich getragen wie die Allgemeine Dienstvorschrift (ADV, müssen Soldaten immer bei sich haben, wird bei Grundwehrdienern auch kontrolliert) und hat das vorgezeigt und gesagt, das sei seine „ADV“.
Braune Grüße in der Landecker Zugskanzlei
Dazu kamen in der Anklage allerdings auch noch die „immateriellen“ Vorwürfe: Hitlergrüße, „Sieg Heil“ und „Guten Morgen, mein Führer“ soll es gegeben haben, wenn jemand in die Zugskanzlei kam; auch das NS-Marschlied „Erika“ wurde dort gespielt.
In der Verhandlung wurden insgesamt vier Zeugen befragt. Bei ihren Aussagen vor Gericht ruderten einige von ihnen aber gegenüber dem, was sie beim Verfassungsschutz zu Protokoll gegeben hatten, zurück, konnten oder wollten sich nicht genau erinnern. Anzumerken ist, dass der Zeuge M.Z. am 1. Februar ebenfalls am Landesgericht Innsbruck einen nicht rechtskräftigen Schuldspruch wegen Wiederbetätigung und damit eine bedingte Haft von 18 Monaten sowie eine Geldstrafe abgefangen hat. Aber selbst Z. bestätigte, dass er den Hitlergruß gesehen sowie „Sieg Heil“ und „Guten Morgen, mein Führer“ gehört habe, wenn man die Kanzlei betreten habe. Auch „Erika“ habe er dort gehört. Wegen des Gruppendrucks habe er nichts gemeldet.
Der Zeuge Z. ist aber noch aus einem anderen Grund bemerkenswert. Ein Facebook-Werbepost der AUF/AFH, der blauen Personalvertretungsliste im Bundesheer, zeigt ihn als Kandidaten für die Personalvertretungswahl 2019. Auf dem Foto sind neben Z. auch die beiden Angeklagten D.S. und L.K. zu sehen. S. weist die Landesgruppe AUF/AFH Tirol zudem als ihren „Landesöffentlichkeitsreferenten“ aus. Noch immer.
Der Wahrspruch der Geschworenen
In 15 Fragen mussten die Geschworenen die Schuld der beiden Angeklagten beurteilen. Bei drei davon verneinten sie eine Schuld, bei sechs bejahten sie einstimmig die Schuld, bei den restlichen sechs mehrheitlich. K. erhielt 18 Monate bedingt und eine Geldstrafe, S. 14 Monate bedingt und ebenfalls eine Geldstrafe.
Gegen den Kompaniekommandanten S.G. läuft noch ein Ermittlungsverfahren von Verfassungsschutz bzw. Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage und des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz. Er steht im Verdacht, mit L.K. über WhatsApp Bilder ausgetauscht zu haben. Gegen ihn soll es auch ein Disziplinarverfahren geben.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!