Die Europäische Aktion vor Gericht

Hat­ten wir das nicht schon ein­mal? Stimmt! Im Früh­jahr 2021 berichteten wir über den Prozess gegen fünf Mit­glieder der Europäis­chen Aktion (EA). Das Kollek­tiv „prozess.report“, das damals das mehrtägige Schwurg­erichtsver­fahren beobachtete, hat nun eine Broschüre her­aus­gegeben, in der weit über den Prozess hin­aus Mate­ri­alien zur „Europäis­chen Aktion“ zusam­menge­tra­gen und zu span­nen­den Analy­sen ver­woben wurden.

Auch von einem gut geführten Straf­prozess wie dem gegen die fünf Mit­glieder der Europäis­chen Aktion im Feb­ru­ar 21 darf man sich nicht erwarten, dass Hin­ter­gründe wie Struk­turen, Finanzierung, Ver­net­zung oder Rekru­tierung in einem befriedi­gen­den Aus­maß gek­lärt wer­den. Das stellt auch Mahri­ah Zim­mer­mann in ihrem Beitrag „Knoten­punkt der Extremen Recht­en?“ gle­ich ein­mal fest:

Der nur drei Ver­hand­lungstage dauernde Prozess sorgte für kein­er­lei Aufk­lärung rund um die europaweite Ver­net­zung der neon­azis­tis­chen Organ­i­sa­tion. Selb­st die weitre­ichen­den Ver­strick­un­gen in Öster­re­ich wur­den lediglich gestreift. (…) Hin­sichtlich der Ver­net­zung der EA wäre es etwa wichtig gewe­sen zu klären, warum ger­ade jene fünf Angeklagten vor Gericht saßen, zumal der Ermit­tlungsakt noch acht Per­so­n­en führte.

Auf ein knappes Dutzend Aktivis­ten ver­an­schlagt „Prozess Report“ die Zahl der Mit­glieder in Öster­re­ich. Nicht wirk­lich eine schlagkräftige Truppe, auch weil sich ihr sicht­bar­er Teil, hochtra­bend „Lan­desleit­er“ (Hans Berg­er) und „Gebi­et­sleit­er Wien“ (Rudolf Vogel) benan­nt, in deut­lich fort­geschrit­ten­em Alter befand und noch vor dem Prozess das Zeitliche segnete.

EA Rudolf Vogel bei der Burschenschaft "Tafelrunde zu Wien"

EA Rudolf Vogel bei der Burschen­schaft „Tafel­runde zu Wien”

Auch anderes an der Öster­re­ich-Aus­gabe der EA war so skur­ril, dass man an ihrer Gefährlichkeit zweifeln musste: der stark schw­er­hörige Gebi­et­sleit­er oder der Hitler-Darsteller Har­ald Z. oder auch das E‑Mail von Hans Berg­er an den niederöster­re­ichis­chen FPÖ-Land­tagsklub 2016, in der er zu „Kom­man­doun­ternehmung, Staatsstre­ich, Mil­itär­putsch“ aufgerufen hatte.

Europäische Aktion auf FB: Judea Declares War On Germany

Europäis­che Aktion auf FB: Judea Declares War On Germany

Liest man dann aber die Beiträge zur Europäis­chen Aktion in anderen Län­dern (Mar­ti­na Renner/Kai Budler „Alt-Holocaustleugner*innen und Neu-Freiko­rps in Thürin­gen“, Hans Stutz „Weiss ist das Land, Rein ist die Hand“ und Philipp Moritz „Die Heimat vertei­di­gen“), dann ver­dampft der Ein­druck von Harm- und Bedeu­tungslosigkeit der EA sehr rasch, auch wenn Hans Stutz, ein pro­fun­der Experte des Schweiz­er Recht­sex­trem­is­mus, zu dem Urteil kommt, dass die EA dort wenig bewegt habe: „Die EA hat sich an die Wand gefahren, am aktivsten war sie in den elf Gemein­den des Fürsten­tum Liecht­en­steins gewe­sen.“ Dort wurde sie aber auch so ziem­lich von Beginn an am aktivsten bekämpft. Aus­gerech­net die Regierung des erzkon­ser­v­a­tiv­en Fürsten­tums ini­ti­ierte dur­chaus erfol­gre­ich ein Mon­i­tor­ing und Maß­nah­men gegen den Recht­sex­trem­is­mus, wie man sie sich auch für Öster­re­ich wün­schen würde.

Ganz anders als in der Schweiz und Öster­re­ich war die EA in Deutsch­land und dort vor allem in Thürin­gen nicht nur mit Schu­lun­gen und Vorträ­gen, son­dern auch mit Wehrsportübun­gen und als Teil recht­sex­tremer Infra­struk­tur sehr aktiv: „In Thürin­gen etablierte sich die EA als fes­ter Bestandteil der Infra­struk­tur, sie stellte Red­ner sowie Tech­nik und Per­son­al zur Ver­fü­gung“, schreiben Ren­ner und Budler in ihrem Beitrag und weisen darauf hin, „wie notwendig eine weit­ere antifaschis­tis­che Beobach­tung maßge­blich­er Per­so­n­en aus der EA und ihrem Weg tiefer in den Recht­ster­ror und zu Aktiv­itäten wie Waf­fenbeschaf­fung und Wehrsport weit­er­hin ist“.

Das gilt wohl auch für Öster­re­ich, wo zwar der Ver­fas­sungss­chutz von Beginn an (2012) die Rekru­tierungsver­suche der EA im Milieu der Ver­triebe­nen­ver­bände („Haus der Heimat“) und die klan­des­ti­nen Tre­f­fen mit den Verbindun­gen zur mil­i­tan­ten ungarischen Neon­azi­gruppe MNA mit­beobacht­en kon­nte, aber erst im Dezem­ber 2016 mit der Ver­haf­tung von Berg­er zum ersten Mal gegen die EA vorging.

Bernhard Schaub Europäische Aktion

Bern­hard Schaub Europäis­che Aktion

Im Rah­men ein­er „Ost­land­fahrt“ der EA Thürin­gen, die, wie in einem Video zu sehen ist, zwis­chen Ele­menten ein­er Kreuzrit­ter-Mis­sion, Don Qui­jote und dümm­lich-giftiger Neon­azi-Pro­pa­gan­da chang­ierte, soll­ten Per­so­n­en aus Ungarn für die Ziele der Europäis­chen Aktion begeis­tert wer­den (der Beitrag von Philipp Moritz beschäftigt sich damit). Der Erfolg dürfte nicht durch­schla­gend gewe­sen sein, aber die Kon­tak­te zur mil­i­tan­ten ungarischen Neon­azi-Szene haben die Thüringer in Begleitung und unter Ver­mit­tlung des öster­re­ichisch-ungarischen EA-Aktivis­ten und Angeklagten Peter K. sich­er gerne mit nach Hause genommen.

Janos N. ungar. Aktivist der EA

Janos N. ungar. Aktivist der EA

Lesenswert sind auch die Beiträge über die Öffentlichkeit von Gerichtsver­fahren (Mar­lene „Wie öffentlich sind Gerichtsver­fahren?“) und über die Geschwore­nen­gerichts­barkeit (Sophie Haas, „Geschwore­nen­ver­fahren bei poli­tis­chen Straftat­en“), wobei wir uns der Kri­tik an dieser nicht in vollem Umfang anschließen. Wenn etwa ange­führt wird, „dass Geschworene bei poli­tis­chen Delik­ten generell und bei Delik­ten nach dem Ver­bots­ge­setz zu ungerecht­fer­tigten Freis­prüchen und zu großer Milde tendieren wür­den“, so hal­ten wir dem ent­ge­gen, dass unter anderem die fehlende bzw. geringe Öffentlichkeit von Ver­botsver­fahren, wie sie auch in dem Beitrag von Mar­lene the­ma­tisiert wird, schon vor, während und nach der­ar­ti­gen Prozessen einen nicht gerin­gen Anteil an der man­gel­nden Sen­si­bil­isierung hat.

Umso wichtiger ist die Arbeit von unab­hängi­gen Prozessbeobachter*innen wie jenen von „prozess.report“, die nicht nur in aus­dauern­der Beobach­tung und Arbeit über mehrere Tage hin­weg den Prozess rund um die EA doku­men­tierten und pro­tokol­lierten, son­dern mit dieser Broschüre auch ein ein­drucksvolles Doku­ment ihrer ana­lytis­chen Arbeit abliefern. Die Broschüre ist seit heute zum Down­load verfügbar.

Aus unser­er umfan­gre­ichen Berichter­stat­tung zur EA:

Der Prozess
➡️ Prozess Europäis­che Aktion (Teil 1): Wo sind die anderen?
➡️ Prozess „Europäis­che Aktion“ (Teil 2): Das Net­zw­erk wird sichtbar
➡️ Prozess „Europäis­che Aktion“ (Teil 3): Zwischenstopp!

Die Verdächti­gen
➡️ Die alten und neuen Nazis der „Europäis­chen Aktion“

Der erste Auftritt der EA in der Schweiz
➡️ Vorarlberg/Schweiz: Tre­f­fen der Holocaust-Leugner

Der erste Auftritt der EA in Österreich
➡️ Die „Europäis­che Aktion“ und ihre sieben Ziele
➡️ Neon­azi im „Haus der Heimat“ zu Gast