Antisemitische Vorfälle mehr als verdoppelt, rechtsextreme Tathandlungen deutlich angestiegen

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Zwei alar­mie­ren­de Mel­dun­gen gin­gen in der letz­ten Woche durch die Medi­en: jene der Anti­se­mi­tis­mus-Mel­de­stel­le der Israe­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de Wien (IKG), die über ein explo­si­ons­ar­ti­ges Hoch an gemel­de­ten Vor­fäl­len berich­tet und jene zum Anstieg von rechts­extre­men Tat­hand­lun­gen, die über eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge publik wurden.

Anti­se­mi­tis­mus

20 Jah­re gibt’s nun die Anti­se­mi­tis­mus-Mel­de­stel­le der Israel­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de und just zu die­sem Jubi­lä­um muss­te sie bekannt­ge­ben, dass die Anzahl der Mel­dun­gen aus dem ers­ten Halb­jahr 2021 im Ver­gleich zum Vor­jahr in die Höhe geschos­sen ist.

Seit Beginn der sys­te­ma­ti­schen Erfas­sung anti­se­mi­ti­scher Vor­fäl­le in Öster­reich vor 20 Jah­ren sah sich die jüdi­sche Gemein­de noch nie mit einer der­art hohen Anzahl an gemel­de­ten Vor­fäl­len kon­fron­tiert. Die­se lag mit 562 nur knapp unter jener des gesam­ten letz­ten Jah­res (585). In jedem ande­ren Jahr vor 2020 wür­de die­ser Halb­jah­res­wert einen eige­nen Nega­tiv­re­kord für ein Gesamt­jahr dar­stel­len. (Bericht über gemel­de­te anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le im 1. Halb­jahr 2021)

Waren es im ers­ten Halb­jahr 2020 257 Vor­fäl­le, die an die IKG gemel­det wur­den, stieg die Zahl heu­er auf 562 Vor­fäl­le, was eine Stei­ge­rung um 118% bedeu­tet. Als die zwei Haupt­grün­de für die Zah­len nennt die Mel­de­stel­le die Pro­tes­te gegen die Coro­na-Maß­nah­men, die viel­fach mit anti­se­mi­ti­schen Topoi und NS-rela­ti­vie­ren­den Moti­ven durch­setzt sind. Dazu kam ab Dezem­ber ein spe­zi­el­ler israel­be­zo­ge­ner Anti­se­mi­tis­mus, der Isra­el als Staat mit der welt­weit offen­sivs­ten Impf­stra­te­gie als Angriffs­ziel im Visier hat­te. Aus den ab April eska­lier­ten Kon­flikt zwi­schen Isra­el und Paläs­ti­nen­sern resul­tier­ten anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le welt­weit. Auch Öster­reich blieb von die­sem Phä­no­men nicht ver­schont. Qua­li­tät und Quan­ti­tät der Vor­fäl­le waren jedoch hier­zu­lan­de neu“, schreibt die IKG.

antisemitische Vorfälle 1. Hj 2020

anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le 1. Hj 2020

antisemitische Vorfälle 1. Hj 2021

anti­se­mi­ti­sche Vor­fäl­le 1. Hj 2021

In drei Vier­teln der Fäl­le konn­te dem Täter oder der Täte­rin ein ideo­lo­gi­scher Hin­ter­grund zuge­ord­net wer­den. 244-mal war das eine rech­te Gesin­nung, 147-mal eine lin­ke, und in 71 Fäl­len kamen Täter oder Täte­rin laut IKG aus dem mus­li­mi­schen Umfeld. Ganz anders ist die­ses Ver­hält­nis bei den phy­si­schen Angrif­fen und Bedro­hun­gen, da sind mus­li­mi­sche Täter und Täte­rin­nen in der Zäh­lung der IKG über­re­prä­sen­tiert. Anti­se­mi­ti­sche Mas­sen­zu­schrif­ten hin­ge­gen kom­men über­durch­schnitt­lich oft aus dem rech­ten Umfeld. (derstandard.at, 2.9.21)

Mai 2020, https://twitter.com/PresseWien/status/1261284977091756034/photo/1

Holo­caust­re­la­ti­vie­rung bei Anti-Coro­na-Maß­nah­men­de­mo im Mai 2020 (Foto Pres­se­ser­vice)

Rechts­extre­me Tathandlungen

Ein gra­vie­ren­des Plus im Ver­gleich des ers­ten Halb­jah­res 2020 mit jenem von 2021 ist auch bei rechts­extre­men Tat­hand­lun­gen zu ver­zeich­nen, wie aus der Beant­wor­tung einer Anfra­ge der Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Sabi­ne Schatz (SPÖ) an den Innen­mi­nis­ter her­vor­geht: Die poli­zei­lich erfass­ten Tat­hand­lun­gen sind von 314 auf 443 und damit um 41% ange­stie­gen. An der Spit­ze in abso­lu­ten Zah­len steht dies­mal Ober­ös­ter­reich (2020: 71, 2021: 96) vor Wien (2020: 74, 2021: 89). Ein beacht­li­cher Anstieg von 39% ist auch bei Tat­hand­lun­gen nach dem Ver­bots­ge­setz zu ver­zeich­nen (2020: 260, 2021: 362). Auch hier neh­men Ober­ös­ter­reich und Wien die ers­ten bei­den Rän­ge ein.

Die heu­te im Minis­ter­rat behan­del­te Regie­rungs­vor­la­ge zur Wie­der­ein­füh­rung des 2002 von Schwarz-Blau abge­schaff­ten Rechts­extre­mis­mus­be­richts ist ein wich­ti­ger Schritt, der sich letzt­lich jedoch dar­an mes­sen wird, inwie­weit Maß­nah­men auf die Erkennt­nis­se aus dem Bericht fol­gen werden.