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Der Nazi und die deutsche Volksgemeinschaft der FPÖ

Chris­ti­an Worch (65) ist unbe­streit­bar ein Nazi. Er bezeich­net sich selbst so. Vor weni­gen Tagen ist er zum Bun­des­vor­sit­zen­den der neo­na­zis­ti­schen Par­tei „Die Rech­te“ gewählt wor­den. Wie­der­ge­wählt. Denn deren Grün­der und Kapo war er schon bis 2017. Damals trat er blitz­ar­tig zurück, weil die Par­tei mehr­heit­lich einem Antrag zustimm­te, in dem man sich zur deutschen […]

9. Sep 2021

Chris­ti­an Worch ist ein Nazi. Das sagt er selbst, das wür­den wohl auch Gott­fried Küs­sel oder Arnulf Priem bestä­ti­gen, mit denen er gemein­sam 1991 nach dem Tod des (Neo-)Nazi Micha­el Küh­nen die Füh­rung der Gesin­nungs­ge­mein­schaft der Neu­en Front über­nom­men hatte.

2012 grün­de­te und lei­te­te Worch die mili­tan­te Neo­na­zi­grup­pe „Die Rech­te“, wur­de 2014 und dann 2017 auch wie­der­ge­wählt, trat aber fak­tisch unmit­tel­bar nach sei­ner Wie­der­wahl zurück, weil auf dem Par­tei­tag ein Antrag des Thü­rin­ger Lan­des­ver­ban­des ange­nom­men wur­de, in dem sich die Par­tei „voll und ganz zur deut­schen Volks­ge­mein­schaft bekennt“. Worch hat­te zuvor „aus juris­ti­schen und poli­ti­schen Grün­den“ in einer Kon­tra-Rede gegen den Antrag und das Bekennt­nis zur deut­schen Volks­ge­mein­schaft argu­men­tiert, blieb aber in der Min­der­heit und leg­te sein Amt zurück. Der schwe­re Nazi Worch hat­te anschei­nend befürch­tet, dass das Bekennt­nis zur Volks­ge­mein­schaft einen Ver­bots­an­trag gegen die Par­tei „Die Rech­te“ aus­lö­sen könnte.

Die Befürch­tung war nicht unbe­rech­tigt, denn beim zwei­ten Ver­such, die NPD zu ver­bie­ten, hat der deut­sche Bun­des­rat in sei­nem Ver­bots­an­trag argu­men­tiert, dass die NPD ihr bio­lo­gis­ti­sches Kon­zept von der deut­schen Volks­ge­mein­schaft samt sei­nen ras­sis­ti­schen Kon­se­quen­zen von der NSDAP ent­lehnt hat. Dass das Ver­bot der NPD schei­ter­te, lag nicht an der Gesin­nung der NPD. Auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt beton­te den demo­kra­tie­feind­li­chen Cha­rak­ter des Kon­zepts der Volksgemeinschaft:

Die Natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Par­tei Deutsch­lands (NPD) ver­tritt nach Ansicht der Rich­ter ein auf die Besei­ti­gung der bestehen­den frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung gerich­te­tes poli­ti­sches Kon­zept: „Sie will die bestehen­de Ver­fas­sungs­ord­nung durch einen an der eth­nisch defi­nier­ten ‚Volks­ge­mein­schaft’ aus­ge­rich­te­ten auto­ri­tä­ren Natio­nal­staat erset­zen.” Sie miss­ach­te die Men­schen­wür­de und sei mit dem Demo­kra­tie­prin­zip unver­ein­bar.

In Deutsch­land wird das Ver­bot einer Par­tei mit deren Beru­fung auf das Kon­zept der (deut­schen) Volks­ge­mein­schaft argu­men­tiert, und ein (Neo-)Nazi tritt als Kapo einer Neo­na­zi-Par­tei zurück, weil die in einem Antrag das Bekennt­nis zur deut­schen Volks­ge­mein­schaft beschließt. Und in Öster­reich? Hier hat die FPÖ unter Heinz-Chris­ti­an Stra­che 2011 die deut­sche Volks‑, Sprach- und Kul­tur­ge­mein­schaft wie­der in das Par­tei­pro­gramm auf­ge­nom­men, nach­dem es in den 1990er-Jah­ren unter Hai­der aus dem Par­tei­pro­gramm ent­fernt wor­den war, um die Par­tei etwas regie­rungs­fä­hi­ger schei­nen zu lassen.

Im nach wie vor gül­ti­gen FPÖ-Par­tei­pro­gramm von 2011 scheint die Volks­ge­mein­schaft zwar in der Prä­am­bel nicht mehr auf („Wir beken­nen uns zu unse­rem Hei­mat­land Öster­reich als Teil der deut­schen Sprach- und Kul­tur­ge­mein­schaft, zu unse­ren hei­mi­schen Volks­grup­pen sowie zu einem Euro­pa der frei­en Völ­ker und Vater­län­der“), im Kapi­tel 2 („Hei­mat, Iden­ti­tät und Umwelt“) geht es dafür wie­der voll zur Sache:

Spra­che, Geschich­te und Kul­tur Öster­reichs sind deutsch. Die über­wie­gen­de Mehr­heit der 
Öster­rei­cher ist Teil der deut­schen Volks‑, Sprach- und Kul­tur­ge­mein­schaft. Unse­re auto­chtho­nen Volks­grup­pen der Bur­gen­land­kroa­ten, Slo­we­nen, Ungarn, Tsche­chen, Slo­wa­ken und Roma sind als his­to­risch ansäs­si­ge Min­der­hei­ten eine Berei­che­rung und inte­grier­ter Bestand­teil Öster­reichs und unse­res Staats­vol­kes
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FPÖ-Parteiprogramm: „der deutschen Volks?, Sprach- und Kulturgemeinschaft”
FPÖ-Par­tei­pro­gramm: „der deut­schen Volks?, Sprach- und Kulturgemeinschaft”

Sprach­lich kommt das geglät­tet und nicht gewalt­be­wehrt wie bei NPD oder NSDAP, auch wur­de das direk­te und schwur­mä­ßi­ge „Bekennt­nis“ zur deut­schen Volks­ge­mein­schaft durch eine Behaup­tung ersetzt („Die über­wie­gen­de Mehr­heit … ist …“). Als Deko­ra­ti­on dür­fen auch noch auto­chtho­ne Volks­grup­pen auf­tre­ten, die immer wie­der gezählt und auf ihre eigent­li­che Mut­ter­spra­che über­prüft wer­den sol­len, damit sie zu ihren (Minderheiten-)Rechten kom­men. Das „Staats­volk“ ist bei den Blau­en natür­lich nicht gleich­zu­set­zen mit dem „Volk“, mit dem die „deut­sche Volks­ge­mein­schaft“ gemeint ist: Staatsbürger*innen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund gehö­ren da nicht dazu. Arbeitsmigrant*innen hät­ten noch weni­ger Rechte.

Wir haben schon in unse­rer kur­zen Ana­ly­se zum Hand­buch frei­heit­li­cher Poli­tik, dem argu­men­ta­ti­ven Leit­fa­den zum Pro­gramm, her­aus­ge­ar­bei­tet, wel­che Kon­se­quen­zen dar­aus fol­gen. Stra­che ist Geschich­te, der für das Hand­buch ver­ant­wort­li­che Nor­bert Hofer auch. Seit zehn Jah­ren ist das Bekennt­nis zur deut­schen Volks­ge­mein­schaft wie­der Teil frei­heit­li­cher Pro­gram­ma­tik, hat sogar die Regie­rungs­be­tei­li­gung unbe­scha­det und ohne Wider­stän­de über­stan­den. Vom neu­en Kapo Kickl darf ange­nom­men wer­den, dass er genau weiß, wel­che brau­ne Laus da in der frei­heit­li­chen Pro­gram­ma­tik nis­tet. Und?

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