Christian Worch ist ein Nazi. Das sagt er selbst, das würden wohl auch Gottfried Küssel oder Arnulf Priem bestätigen, mit denen er gemeinsam 1991 nach dem Tod des (Neo-)Nazi Michael Kühnen die Führung der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front übernommen hatte.
2012 gründete und leitete Worch die militante Neonazigruppe „Die Rechte“, wurde 2014 und dann 2017 auch wiedergewählt, trat aber faktisch unmittelbar nach seiner Wiederwahl zurück, weil auf dem Parteitag ein Antrag des Thüringer Landesverbandes angenommen wurde, in dem sich die Partei „voll und ganz zur deutschen Volksgemeinschaft bekennt“. Worch hatte zuvor „aus juristischen und politischen Gründen“ in einer Kontra-Rede gegen den Antrag und das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft argumentiert, blieb aber in der Minderheit und legte sein Amt zurück. Der schwere Nazi Worch hatte anscheinend befürchtet, dass das Bekenntnis zur Volksgemeinschaft einen Verbotsantrag gegen die Partei „Die Rechte“ auslösen könnte.
Die Befürchtung war nicht unberechtigt, denn beim zweiten Versuch, die NPD zu verbieten, hat der deutsche Bundesrat in seinem Verbotsantrag argumentiert, dass die NPD ihr biologistisches Konzept von der deutschen Volksgemeinschaft samt seinen rassistischen Konsequenzen von der NSDAP entlehnt hat. Dass das Verbot der NPD scheiterte, lag nicht an der Gesinnung der NPD. Auch das Bundesverfassungsgericht betonte den demokratiefeindlichen Charakter des Konzepts der Volksgemeinschaft:
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) vertritt nach Ansicht der Richter ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept: „Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten ‚Volksgemeinschaft’ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen.” Sie missachte die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.
In Deutschland wird das Verbot einer Partei mit deren Berufung auf das Konzept der (deutschen) Volksgemeinschaft argumentiert, und ein (Neo-)Nazi tritt als Kapo einer Neonazi-Partei zurück, weil die in einem Antrag das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft beschließt. Und in Österreich? Hier hat die FPÖ unter Heinz-Christian Strache 2011 die deutsche Volks‑, Sprach- und Kulturgemeinschaft wieder in das Parteiprogramm aufgenommen, nachdem es in den 1990er-Jahren unter Haider aus dem Parteiprogramm entfernt worden war, um die Partei etwas regierungsfähiger scheinen zu lassen.
Im nach wie vor gültigen FPÖ-Parteiprogramm von 2011 scheint die Volksgemeinschaft zwar in der Präambel nicht mehr auf („Wir bekennen uns zu unserem Heimatland Österreich als Teil der deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft, zu unseren heimischen Volksgruppen sowie zu einem Europa der freien Völker und Vaterländer“), im Kapitel 2 („Heimat, Identität und Umwelt“) geht es dafür wieder voll zur Sache:
Sprache, Geschichte und Kultur Österreichs sind deutsch. Die überwiegende Mehrheit der
Österreicher ist Teil der deutschen Volks‑, Sprach- und Kulturgemeinschaft. Unsere autochthonen Volksgruppen der Burgenlandkroaten, Slowenen, Ungarn, Tschechen, Slowaken und Roma sind als historisch ansässige Minderheiten eine Bereicherung und integrierter Bestandteil Österreichs und unseres Staatsvolkes.
Sprachlich kommt das geglättet und nicht gewaltbewehrt wie bei NPD oder NSDAP, auch wurde das direkte und schwurmäßige „Bekenntnis“ zur deutschen Volksgemeinschaft durch eine Behauptung ersetzt („Die überwiegende Mehrheit … ist …“). Als Dekoration dürfen auch noch autochthone Volksgruppen auftreten, die immer wieder gezählt und auf ihre eigentliche Muttersprache überprüft werden sollen, damit sie zu ihren (Minderheiten-)Rechten kommen. Das „Staatsvolk“ ist bei den Blauen natürlich nicht gleichzusetzen mit dem „Volk“, mit dem die „deutsche Volksgemeinschaft“ gemeint ist: Staatsbürger*innen mit Migrationshintergrund gehören da nicht dazu. Arbeitsmigrant*innen hätten noch weniger Rechte.
Wir haben schon in unserer kurzen Analyse zum Handbuch freiheitlicher Politik, dem argumentativen Leitfaden zum Programm, herausgearbeitet, welche Konsequenzen daraus folgen. Strache ist Geschichte, der für das Handbuch verantwortliche Norbert Hofer auch. Seit zehn Jahren ist das Bekenntnis zur deutschen Volksgemeinschaft wieder Teil freiheitlicher Programmatik, hat sogar die Regierungsbeteiligung unbeschadet und ohne Widerstände überstanden. Vom neuen Kapo Kickl darf angenommen werden, dass er genau weiß, welche braune Laus da in der freiheitlichen Programmatik nistet. Und?