Bisher war nur wenig über den Jagsthausener Kreis bekannt. Der Kreis der Mitglieder bzw. Eingeladenen ist klein, sehr klein sogar. Beim Treffen in einem Landgasthof in Freilassing an der bayrisch/österreichischen Grenze im Mai 2019 waren laut AIDA rund ein Dutzend ältere Männer und Frauen zugegen – mit zwei gewichtigen Referenten: dem tschechischen Ex-Staatspräsidenten Václav Klaus und dem slowakischen Ex-Ministerpräsidenten Jan Čarnogurský.
Da stellen sich dann schon einige Fragen, etwa: Warum fahren zwei Ex-Präsidenten nach Freilassing, um dort einem Dutzend Menschen ihre schrägen und rechten, aber durchaus bekannten Ansichten über die EU vorzutragen? Üblicherweise kassieren Ex-Präsidenten hohe Honorare für einen Vortrag – wie war das bei den Jagsthausenern? Václav Klaus war so begeistert von den Jagsthausenern und die von ihm, dass er nach seinem Vortrag 2018 ein Jahr später noch einmal referiert hat. Wer trat noch als Referent bei den Jagsthausenern auf? Und schließlich: Wer organisiert den Jagsthausener Kreis (JK), und wer sind seine Mitglieder?
Zunächst einmal: Über das Geld, das beim JK fließt, wissen wir (noch) nichts. Dass sich geldige Menschen im JK versammeln, um sich dort mit anderen zumeist extrem Rechten „auszutauschen“, wissen wir aus dem Buch von Erich Schmidt-Eenboom „Undercover – Der BND und die deutschen Journalisten“, 1998 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch. Dort wird der JK so beschrieben:
Im Burggasthof Jagsthausen versammelte sich regelmäßig ein rechtkonservativer Kreis von Militärs und Beamten, Journalisten und Wirtschaftsführern aus vier Ländern. Die Anschriftenliste vom April 1985 umfaßt 30 bundesdeutsche Mitglieder – darunter Manci Schacht, die Frau des NS-Bankpräsidenten Hjalmar Schacht, der selbst noch mit 91 Jahren im Sommer 1967 im Jagsthausener Kreis vorgetragen hatte. Mindestens vier – vermutlich sechs – der westdeutschen Jagsthausener gehörten, neben den BND-Pressesonderverbindungen Baumann und Rochus Hoffer, einem westdeutschen Geheimdienst an: Norbert Wingerter, Regierungsdirektor im Landesamt für Verfassungsschutz Bayern, sowie vom BND Ludwig Hauswedell, Herbert Kukuk und Prinz Karl von Thurn und Taxis. In Österreich hatte der Zirkel 24 Mitglieder, in der Schweiz drei und in Italien fünf, darunter Johannes Gehlen, ein Halbbruder des BND-Gründers und ab 1947 sein Statthalter in Rom. Und auch Reinhard Gehlen tauchte gelegentlich im Jagsthausener Kreis auf, ebenso sein leitender Mitarbeiter Wilfried Strik-Strikfeldt.
Eine andere Quelle haben wir auch noch aufgestöbert. Isabel Drews setzt sich in ihrem Buch über den Schweizer Rechtsextremen und „Grandseigneur der unappetitlichen Rechten“ (Tagesanzeiger, 12.9.05) James Schwarzenbach („Schweizer erwache!” Der Rechtspopulist James Schwarzenbach (1967–1978), Verlag Huber, Frauenfeld, 2005) mit dessen Beziehung zum JK auseinander:
Ein besonderes Augenmerk gilt den Netzwerken, in denen er sich bewegte. Vor der schweizerischen Öffentlichkeit gezielt geheim gehalten, unterhielt der rechtskonservative Verleger allerlei dubiose Kontakte bis in die rechtsextreme Szene hinein. Im elitären „Jagsthausener Kreis”, vor dem auch der bayerische CSU-Politiker Franz Josef Strauss auftrat, traf er sich mit Altnazis und Vordenkern der neuen Rechten regelmässig zum Gedankenaustausch. (Tagesanzeiger)
Also Geheimdienstler, alte Nazis, Rechtsextreme, Franz Josef Strauß, James Schwarzenbach – und sehr viele Österreicher*innen in der Adressenliste des JK von 1985. Das ist lange her, aber unser Interesse war so groß, dass wir Erich Schmidt- Eenboom kontaktierten und tatsächlich von ihm bzw. dem Archiv des Forschungsinstituts für Friedenspolitik e.V. Weilheim Auskunft erhielten. In erster Linie haben wir historische Erkenntnisse erwartet – und auch erhalten.
►So umfasste die Liste der österreichischen Kontaktadressen den Sohn (Olaf) und die Witwe (Hilde) des 1984 verstorbenen Altnazi und Antisemiten Taras Borodajkewycz, der in den Nachkriegsjahren die „Ehemaligen“ für die ÖVP zu werben versuchte („Oberweiser Konferenz“ ).
►Ebenfalls auf der Adressenliste: Otto Hofmann-Wellenhof (1909–1988), ein steirischer ÖVP-Politiker und „Verbindungsmann der Steirischen Volkspartei zum deutschnationalen Lager“ (Wikipedia).
►Ernst Strachwitz (1919–1998), ein weiterer JK-Adressat, saß auf einem Ticket der ÖVP für die „Junge Front“ zwischen 1949 und 1953 im Nationalrat, gründete später dann die stramm rechte Zeitschrift „Neue Ordnung“, die seit 1999 im Stocker-Verlag erscheint.
►Heinrich Jordis- Lohausen (1907–2002), ebenfalls gelistet, „ist in der extremen Rechten ‚einer der Großmeister des geopolitischen Denkens nach 1945‘, schreibt Wikipedia über ihn.
►Mit in der illustren rechtsextremen Runde des JK war auch Otto Scrinzi (1918–2012), der Altnazi und langjährige FPÖ-Politiker.
Die Liste der Österreicher*innen beim JK ist damit natürlich noch nicht erschöpft, aber unter den restlichen Adressen aus 1985 finden sich, vielleicht mit Ausnahme des ebenfalls schon verstorbenen sehr rechten Salzburger Soziologie-Professors Mohammed Rassem, keine Namen, bei denen man nach erster Sichtung ein öffentliches Interesse annehmen könnte.
Doch einen gibt es noch, der schon damals auf der Liste stand und auch jetzt noch im JK aktiv ist – offensichtlich als einer seiner Organisatoren: Wolfgang Caspart!
➡️ Franco in Freilassing
➡️ Die alten Jagsthausener (Teil 2)