Lesezeit: 5 Minuten

Maaßen, die „Globalisten” & das Stück in Österreich

Der frü­he­re Prä­si­dent des deut­schen Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz, der stark rechts­ge­dreh­te Hans-Georg Maa­ßen, wur­de jetzt mit dem Vor­wurf kon­fron­tiert, dass er Anti­se­mi­tis­mus ver­brei­te. Die Debat­te dazu ist für uns auch des­halb inter­es­sant, weil bestimm­te Medi­en und Politiker*innen in Öster­reich das glei­che Stück spie­len, ohne dass sie sich des­halb einem ent­spre­chen­den Vor­wurf oder einer Debat­te stellen […]

11. Mai 2021

Die „Fri­days for Future“-Aktivistin Lui­sa Neu­bau­er hat in der Sen­dung „Anne Will“ des Ers­ten Deut­schen Fern­se­hens (ARD) vom 9.5.21 dem frisch von CDU Thü­rin­gen als Direkt­kan­di­dat für die Bun­des­tags­wahl nomi­nier­ten Hans-Georg Maa­ßen vor­ge­wor­fen, anti­se­mi­ti­sche und ras­sis­ti­sche Inhal­te zu ver­brei­ten. Der in der Talk-Show anwe­sen­de CDU-Chef Armin Laschet nahm sei­nen CDU-Kan­di­da­ten in Schutz: „Maa­ßen sei kein Anti­se­mit und ver­brei­te auch kei­ne anti­se­mi­ti­schen Tex­te. ‚Wenn er es täte, wäre es ein Grund zum Par­tei­aus­schluss‘, sag­te Laschet“ (rnd.de, 10.5.21).

Das ist zumin­dest im zwei­ten Satz eine kla­re Ansa­ge. Aber stimmt der Vor­wurf? Schließ­lich war Maa­ßen jah­re­lang Prä­si­dent des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz, also jener Behör­de, die gegen Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und Rechts­extre­mis­mus vor­ge­hen soll. Hat nicht wirk­lich geklappt mit Maa­ßen, dar­um stimmt wohl der Kom­men­tar des Jour­na­lis­ten Lorenz Mey­er auf Twit­ter: „Der Fall #Maa­ßen ist nicht skan­da­lös, weil hier ein Rechts­ra­di­ka­ler Rechts­ra­di­ka­les sagt. Das ist ja fast erwart­bar. Der Fall Maa­ßen ist skan­da­lös, weil die #CDU einem Rechts­ra­di­ka­len über 6 Jah­re den Ver­fas­sungs­schutz anver­traut hat und ggf. in den Bun­des­tag lässt.“

Neu­bau­er hat Maa­ßen die Ver­brei­tung anti­se­mi­ti­scher Inhal­te vor­ge­wor­fen, ohne dafür selbst Bele­ge zu nen­nen. Den­noch tat sie es zu Recht. Mehr­mals bedient sich Maa­ßen anti­se­mi­ti­scher Codes wie jenen von den „Glo­ba­lis­ten“ oder von der in rechts­extre­men Krei­sen aktu­ell sehr belieb­ten „Gre­at Reset“-Verschwörung.

Maaßen: "Globalisten und Sozialisten"
Maa­ßen: „Glo­ba­lis­ten und Sozialisten”

Dass Maa­ßen sei­ne Ansich­ten ger­ne auch über rechts­extre­me Medi­en wie „Com­pact“ oder „Epoch Times“ ver­brei­tet, macht das Bild über ihn noch run­der. Mitt­ler­wei­le gibt es jede Men­ge Fak­ten­checks zum Anti­se­mi­tis­mus­vor­wurf gegen Maa­ßen, etwa bei RND, beim Volks­ver­pet­zer oder auch auf dem Blog „Holo­caust-Refe­renz” in dem Bei­trag „Schmu­se­kurs mit Anti­se­mi­ten und Holo­caust­leug­nern“.

Die eigent­li­che Ent­de­ckung lie­fer­te aber der Twit­ter-Account Uni­on­Watch, der auf den Bei­trag der Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung der CDU zum „Globalisten“-Schmähbegriff hinwies:

Glo­ba­lis­mus“ ist die unter Rechts­extre­mis­ten gän­gi­ge Bezeich­nung für „Glo­ba­li­sie­rung“, also die anschei­nend immer schnel­ler ablau­fen­den Struk­tur­wan­del in Wirt­schaft, Poli­tik und Kul­tur, ver­bun­den mit einer die Natio­nal­staa­ten über­schrei­ten­den Ver­net­zung und gleich­zei­tig „Ent­gren­zung“ der genann­ten Fel­der. Ein sol­cher Wan­del setzt wirt­schaft­li­che Dyna­mik frei, pro­du­ziert aber auch Ver­lie­rer und Ver­un­si­che­rung. Es ist also nicht erstaun­lich, dass poli­ti­sche Extre­mis­ten die­ser Erschei­nung der moder­nen Welt kri­tisch bis ableh­nend gegen­über ste­hen. (…) Im von Rechts­extre­mis­ten inter­na­tio­nal ver­stan­de­nen Code, schrei­ben die Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Tho­mas Grum­ke und Andre­as Klär­ner, „sind ‘Glo­ba­lis­ten’ auch ‘Ost­küs­te’, ist der ‘Glo­ba­lis­mus’ auch ‘New World Order’ (NWO), und sind die in die­sem ‘Glo­ba­li­sie­rungs­plan’ ver­wi­ckel­ten Regie­run­gen und Eli­ten auch ‘Zio­nist Occu­p­ied Govern­ment’.

Dass die Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung jede, auch lin­ke Kri­tik an Kapi­ta­lis­mus und Glo­ba­li­sie­rung, unter Extre­mis­mus sub­su­miert, gehört zum ideo­lo­gi­schen Kern­ge­schäft der CDU – muss man nicht beach­ten, die Zuschrei­bun­gen für „Glo­ba­lis­mus“ und „Glo­ba­lis­ten“ aber schon.

Womit wir zu Öster­reich kom­men. Die anti­se­mi­ti­schen Codes von „Glo­ba­lis­mus“ und „Glo­ba­lis­ten“ fin­den sich nicht nur in rechts­extre­men und neo­na­zis­ti­schen Blätt­chen und Orga­ni­sa­tio­nen von gerin­ger Reich­wei­te, son­dern auch bei den Coro­na-Pro­tes­ten, dem FPÖ-nahen „Wochen­blick“ und auch bei der FPÖ selbst.

Wochenblick: Künstliche Krisen – globale Eliten
Wochen­blick: Künst­li­che Kri­sen – glo­ba­le Eliten

Bei Mar­tin Rut­ter und den Iden­ti­tä­ren wird das Wor­ding auch noch aggres­siv auf­ge­la­den: Da ist dann schon von der „Glo­ba­lis­ten­brut“ die Rede. Der „Wochen­blick“, die recht extre­me FPÖ-nahe Wochen­zei­tung, han­delt fak­tisch jedes The­ma über Glo­ba­lis­ten und Glo­ba­li­sie­rung ab. Im Jän­ner 2020 durf­te Ste­fan Magnet, der frü­he­re Kader des neo­na­zis­ti­schen Bun­des Frei­er Jugend (BfJ), mit dem The­ma „Glo­ba­lis­ten im End­kampf“ so rich­tig in die Vol­len lan­gen: Glo­ba­li­sie­rung ist Cha­os, Sor­os und Eli­ten-Dik­ta­tur – und der „Wochen­blick“ gibt das Anti­se­mi­ti­sche unver­daut an sei­ne Leser*innen weiter!

Stefan Magnet: "Globalisten im Endkampf"
Ste­fan Magnet: „Glo­ba­lis­ten im Endkampf”

Weni­ge Wochen spä­ter, als die Pan­de­mie Öster­reich erreich­te, kam zunächst die Erlö­sung im „Wochen­blick“: „Die Glo­ba­li­sie­rung ist geschei­tert“, wird kon­sta­tiert und über das Virus froh­lockt, weil es uns Gren­zen zei­ge und brin­ge: „SARS-CoV‑2 hat jetzt Schrit­te erzwun­gen, die unter der Glo­ba­li­sie­rungs-Herr­schaft nicht gedacht und schon gar nicht gesagt wer­den durf­ten: dass Natio­nen und Gren­zen wich­tig sind.“ (WB, 29.3.20) Wie­der etwas spä­ter dann die Kehrt­wen­de: Die Pan­de­mie wird zur „Plan­de­mie“ umge­deu­tet und zum Instru­ment „glo­ba­lis­ti­scher“ Eli­ten, um künst­li­che Kri­sen anzu­fa­chen und uns aus­zu­pres­sen und zu kontrollieren.

Wochenblick: "Globalisierung gescheitert"
Wochen­blick: „Glo­ba­li­sie­rung gescheitert”
Wochenblick: Corona als "globalistische Agenda"
Wochen­blick: Coro­na als „glo­ba­lis­ti­sche Agenda”

Für den „Wochen­blick“ steck­ten die „Glo­ba­lis­ten“ bereits zuvor hin­ter einer Ent­schei­dung des par­la­men­ta­ri­schen Immu­ni­täts­aus­schus­ses, Ermitt­lun­gen der Staats­an­walt­schaft gegen FPÖ-Klub­ob­mann Her­bert Kickl wegen des Ver­dachts der Ver­het­zung zu ermög­li­chen: „Das Glo­ba­lis­ten-Impe­ri­um schlägt zurück.“ (WB, 13.11.19) Kickl revan­chier­te sich damals post­wen­dend mit einer Befürch­tung: „Im Wahl­kampf sei Mit­te rechts ver­spro­chen, jetzt kom­me Mit­te links links, so Kickl. Damit sei Kurz in der rot-grün-pin­ken Ein­heits­par­tei der Zuwan­de­rungs­be­für­wor­ter, Glo­ba­lis­ten, Ver­bie­ter und Ver­teu­rer ange­kom­men.“ (OTS, 29.12.19)

Wochenblick: Parlamentarischer Immunitätsausschuss als "Globalisten-Imperium"
Wochen­blick: Par­la­men­ta­ri­scher Immu­ni­täts­aus­schuss als „Glo­ba­lis­ten-Impe­ri­um”

Wir wis­sen zwar, dass sich Kickl bei Kurz arg irr­te, aber das „Globalisten“-Etikett klebt bei Rot-Grün-Pink. Maa­ßen sieht das sehr ähn­lich: „Glo­ba­lis­ten und Sozia­lis­ten (und Tei­le der Kir­chen) sind in einem Punkt der glei­chen Mei­nung: die Ver­ach­tung der gewöhn­li­chen Men­schen …

Maa­ßen ist wegen der Ver­brei­tung anti­se­mi­ti­scher Codes mit brei­ter Ableh­nung und einer Aus­schluss­an­dro­hung kon­fron­tiert – in Öster­reich gibt’s staat­li­che Pres­se­för­de­rung für den „Wochen­blick“ und den Klub­vor­sitz für Kickl.