Sie nannten sich „Panzerdivision“, „NS-Freund“, „Dave_Ary“, „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“, „Sturmreiter“, „simplicissimus“, „OnMyOwn“, „Frontwehr“, „Freiheit“, „Acht-Achter“, „Essling“, „Dankward“, „GFM Schönerer“ und „Zerg“ und haben einiges gemeinsam: Sie alle kommen aus Österreich, waren nicht nur alle im seinerzeit größten Neonazi-Forum des deutschsprachigen Raums, bei thiazi.net, aktiv, sondern konnten ausgeforscht und vor ein Gericht gestellt werden. Ihre Verfahren endeten mit einem Schuldspruch. Das war der Stand im September 2016, Verfahren gegen weitere User waren damals noch anhängig. Kandidiert nun einer von ihnen bei der kommenden ÖH-Wahl?
Der User „simplicissimus“ war im November 2015 an der Reihe – dreieinhalb Jahre, nachdem sich die „Germanische Weltnetzgemeinschaft“ mit ihrem thiazi-Forum gezwungenermaßen Richtung Walhall verabschieden musste. „simplicissimus“ scheint vor dem Landesgericht Innsbruck einen kuriosen Auftritt hingelegt zu haben – wobei „kurios“ möglicherweise nicht die treffende Bezeichnung ist: Er zeigte sich dort standfest braun. „Zu meiner politischen Gesinnung möchte ich lieber nichts sagen. Ich glaube, die Postings sprechen für sich“, erklärte„simplicissimus” vor Gericht. Da ist ihm zweifellos Recht zu geben! „Kaum Reue“, titelte die Kronen Zeitung in ihrem Bericht zum Prozess (7.11.15) und: „Bedauert hat der Angeklagte nur, dass er deshalb nun auf der Anklagebank saß.“
Der aus Osttirol stammende „simplicissimus“ kaufte sich bei thiazi ein – laut Krone spendete er 20 Euro –, um in tiefere, elitäre Foren vordringen zu können, nämlich dort, wo es dann richtig zur Sache ging. „Israel muss von der Landkarte getilgt werden“ oder „Pädophilie scheint gerade bei Juden weit verbreitete zu sein“, zitiert die Kronen Zeitung Postingbeiträge des Osttirolers. Er habe „15-mal unter dem User-Namen ‚Simplizissimus‘ offen gegen Rassen gehetzt, Volksgruppen beschimpft und die Wiedereinführung des NS-Regimes herbeigesehnt“, schrieb die Tiroler Tageszeitung.
Im Zuge einer Hausdurchsuchung hatte man bei „simplicissimus“ auch einiges an Einschlägigem aufgestöbert: „[N]eben einer Jacke mit Nazisymbolen auch Bücher von Autoren, die den Holocaust leugnen. ‚Diese möchte ich zurück, schließlich habe ich sie noch nicht gelesen’, zeigte der Angeklagte, dass er der Szene wohl immer noch nicht den Rücken zugewandt hat“, kommentiert die Kronen Zeitung. Das damals nicht rechtskräftige Urteil: ein Schuldspruch mit 18 Monaten bedingter Haft und einer Geldstrafe über 4.680 Euro.
Schauplatzwechsel: ÖH-Wahl 2021
Zwischen dem 18. und dem 20. Mai findet die ÖH-Wahl statt. An der Universität Innsbruck kandidiert der blaue „Ring freiheitlicher Studenten” (RFS) mit zwei Frauen an der Spitze. Die waren beide nicht „simplicissimus“, dafür möglicherweise jedoch ein anderer Kandidat auf der Liste des RFS Tirol. Es stellt sich daher die Grundsatzfrage, wie es die FPÖ Tirol und ihre Vorfeldorganisation, dem RFS, hält: Wäre jemand in den Reihen der blauen „Studenten“ tragbar, der sich nicht nur auf widerliche Weise in einem Neonazi-Forum wiederbetätigt hat, sondern seiner braunen Gesinnung auch Jahre nach dem Schließen des Wiederbetätigungsfeldes treu geblieben ist? Diese Frage sollten auch die anderen Fraktionen, die bei der ÖH Wahl in Innsbruck antreten, beantworten. Sie hätten dazu heute Gelegenheit: Um 18 Uhr findet eine online übertragene Podiumsdiskussion mit allen Spitzenkandidat*innen statt.
Apropos RFS
Bei der Ankündigung einer Podiumsdiskussion der „Jüdischen österreichischen HochschülerInnen” (JÖH) und der „Hochschüler*innenschaft Österreichischer Roma und Romnja” (HÖR), entspann sich am 20. April eine Diskussion mit Usern aus dem RFS bzw. dessen Umfeld, warum der RFS dazu nicht geladen wurde: „Das sind aber nicht alle Fraktionen“, stellte Roman T. fest. „wunderts di!? Wenn der jud schon mehr wert isch“, antwortete User Ra Fael.
Damit hat sich die Frage des RFS wohl von selbst erledigt. Nicht aber jene, ob sich der standhafte Osttiroler „simplicissimus“ und „Ra Fael“ gut kennen. Möglich wäre es!
Post scriptum: In „thiazi” über Karl Öllinger und „Stoppt die Rechten” bzgl. Osttiroler Neonazi-Vorfall: