Das Heeresgeschichtliche Museum benötigt eine grundlegende Erneuerung. Das ist der Tenor aller bisherigen vom Verteidigungsministerium eingesetzten Prüfungskommissionen und eines Rechnungshofberichtes. Das Ver- teidigungsministerium kündigte zwar wiederholt Reformen und eine Neubesetzung an, doch konkrete Schritte sind bislang nicht erkennbar. Offen ist auch in welche Richtung der Reformprozess gehen und in welchem Rahmen er stattfinden soll. Droht die Reform zu versanden, noch bevor sie begonnen hat?
Aktuell wurde diese Woche der Bericht einer Historikerkommission zum Museumsshop veröffentlicht. Auch er zeigt auf, dass das HGM seiner Aufgabe als eine Bildungs‑, Kultur- und Wissenschaftsinstitution nur unzu- reichend nachkommt. Bloß zu 72 % der zum Verkauf angebotenen Publikationen hatte die Historikerkommission „keine Einwände“. Das bedeutet, dass es zu 28 % Bedenken oder keine Aussagen gab. Für ein Museum, das von einem Ministerium geleitet wird, ist das ein erschreckend hoher Anteil.
Konkret dokumentiert der Bericht neuerlich Mängel und die vielfach kritisierte einseitige Positionierung des Museums: Werke zur Uniformkunde und Waffentechnik sind stark vertreten, Werke zu Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg und zum Holocaust dagegen unterrepräsentiert; das Verhältnis zwischen deskriptiven und kontextualisierenden sowie zwischen technischen und Überblickswerken ist nicht ausgewogen; es liegen zu wenig kritische Werke vor. Es fehlt offenbar auch jede Literatur aus dem Bereich der internationalen Friedensfor- schung. Dabei handelt sich nicht nur um ein zufälliges Ungleichgewicht, sondern um ein systematisches Missverhältnis, das genauso für die Dauerausstellungen des Museums festgestellt wurde und das die Museumsleitung zu verantworten hat.
Nicht erwähnt wird im Bericht zum Museumsshop ein wichtiger Aspekt: Erst infolge von Kritik im Herbst 2019 entfernte die Museumsleitung hochproblematische Materialien, darunter Bücher aus rechtsextremen Verlagen und unkritische Darstellungen von NS-Generälen. Eine Auflistung der entfernten Materialien hätte die Kritik des Berichts wohl noch geschärft.
Es ist Zeit, den Stand der Debatte, die Reformvorschläge und die jüngsten Entwicklungen einer kritischen Bewertung zu unterziehen und öffentlich zu debattieren. Bei einer Tagung am 20./21. Mai setzen sich HistorikerInnen, KuratorInnen, PädagogInnen und MuseologInnen mit Zukunftsfragen des Museums auseinander: Wozu braucht es ein Heeresgeschichtliches Museum? Was kann und muss es leisten? Warum soll gerade das Verteidi- gungsministerium die historische Vermittlung von Kriegen gestalten, tragen und finanzieren? Unter welchen Bedingungen und mit welchen Leitlinien kann ein Museum mit dem Fokus auf militärische und staatliche Gewalt heute sinnvoll sein?
An drei Diskussionsrunden nehmen u. a. Wolfgang Muchitsch, Heidemarie Uhl, Dirk Rupnow, Nora Sternfeld, Peter Melichar, Felicitas Heimann-Jelinek, Andrea Brait, Werner Wintersteiner, Dieter Anton Binder und Renate Höllwart teil. Zu sehen und zu hören gibt es außerdem den ersten Auftritt des Literaturkonsortium HGM („Zur Streitkraft der österreichischen Literatur“). Es liest die Schauspielerin Maria Hofstätter.
Die Veranstaltung wurde von der Kulturwissenschafterin und Schriftstellerin Elena Messner und dem Historiker Peter Pirker kuratiert, um den Diskussionsprozess zum HGM öffentlich weiterzuführen. Im September erscheint zur Debatte um das HGM das Buch „Kriege gehören ins Museum! Aber wie?“ im Atelier Verlag.
Die Veranstaltung findet im Literaturhaus Wien statt, wird im Livestream auf www.literaturhaus.at übertragen und vier Wochen auf dieser Homepage abrufbar sein.
Inhaltliche Rückfragen:
Dr.in Elena Messner, [email protected], +43 650 6422523 Dr. Peter Pirker, [email protected], +43 676 3272833
Organisatorische Rückfragen Literaturhaus Wien:
Barbara Zwiefelhofer, [email protected], +43 1 5262044–41
