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Der Joschi, der Suchtgiftfahnder und der Teufel

Nein, hier geht’s nicht um den angeb­li­chen Koks­kon­sum von Gude­nus, obwohl das zwei­fel­los auch eine Geschich­te wert wäre, denn Dro­gen und Rechts­extre­me sind eine Ver­bin­dung, die schon his­to­risch bes­tens har­mo­niert hat und sich auch heu­te größ­ter Beliebt­heit erfreut. Es geht um Johann „Joschi“ Gude­nus, der just jenen Par­tei­kol­le­gen an Kick­ls Kabi­netts­chef ver­mit­telt haben soll, dessen […]

19. Jun 2020
Sybille G. vor dem BVT-U-Ausschuss: "... wenns an der Macht sind, hängens als erstes die Staatspolizei auf, und dann kommt die Justiz dran" (Screenshot Liveticker Der Standard)
Sybille G. vor dem BVT-U-Ausschuss: "... wenns an der Macht sind, hängens als erstes die Staatspolizei auf, und dann kommt die Justiz dran" (Screenshot Liveticker Der Standard)

Der Teu­fel war mit der Regie­rungs­über­nah­me von Tür­kis-Blau ab Dezem­ber 2017 wirk­lich los, aber mit Auf­tau­chen des wohl berühm­tes­ten Vide­os aus der öster­rei­chi­schen Nach­kriegs­ge­schich­te haben wir bei­na­he schon ver­ges­sen, dass es auch einen BVT-Skan­dal gab, und der kocht gera­de wie­der etwas hoch.

Eine glei­cher­ma­ßen merk- wie denk­wür­di­ge Durch­su­chung am 28. Febru­ar 2018 bei Öster­reichs Staats­schüt­zern und ‑schüt­ze­rin­nen im „Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz und Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung“ (BVT) hat­te danach zwar einen par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuss zur Fol­ge, der aber vie­le Fra­gen nicht klä­ren konn­te. Den dort gela­de­nen Gäs­ten war vie­les ent­we­der „nicht erin­ner­lich“, oder sie hat­ten „kei­ne Wahr­neh­mung“, oder sie ent­schlu­gen sich der Aus­sa­ge. Ganz beson­ders vie­le Erin­ne­rungs­lü­cken hat­te Rein­hard Teu­fel, der Ex-Kabi­netts­chef von Ex-Innen­mi­nis­ter Kickl, näm­lich bei fast allen Fra­gen der dama­li­gen Oppositionsparteien.

Teu­fels demenz­ähn­li­che An- bzw. Aus­fäl­le im U‑Ausschuss fin­den nun ihre Fort­set­zung, obwohl die Chats, die bei sei­nem Ex-Par­tei­freund Gude­nus am Han­dy sicher­ge­stellt wur­den, eigent­lich sein Erin­ne­rungs­ver­mö­gen auf­fri­schen könn­ten. Denn ges­tern wur­de publik, was ohne­hin schon zu erah­nen war: Dass damals aus­ge­rech­net der blaue (nun­mehr Ex-)Gemeinderat Wolf­gang Preiszler mit sei­ner „Ein­satz­grup­pe zur Bekämp­fung der Stra­ßen­kri­mi­na­li­tät“ (EGS) zum Sturm aufs BVT geschickt wur­de, könn­te mehr Hin­ter­grund haben, als es uns die ver­ant­wort­li­chen Her­ren im Nach­feld Glau­ben machen wollten.

Es war durch­aus auf­se­hen­er­re­gend, wie Preiszlers EGS just auch jene Abtei­lung durch­such­te, die für Extre­mis­mus – also auch für Neo­na­zis – zustän­dig ist, obwohl der offi­zi­el­le Anlass, ein „Kon­vo­lut“ zu angeb­li­chen Miss­stän­den im BVT, rein gar nichts mit dem Extre­mis­mus­re­fe­rat zu tun hat­te. Ent­setzt war des­sen Lei­te­rin Sybil­le G., denn die konn­te sich im Gegen­satz zu Teu­fel ziem­lich genau erin­nern und sprach im U‑Ausschuss von ihren Gedan­ken an den „Tag X“: „wenns an der Macht sind, hän­gens als ers­tes die Staats­po­li­zei auf, und dann kommt die Jus­tiz dran“.

Sybille G. vor dem BVT-U-Ausschuss: "... wenns an der Macht sind, hängens als erstes die Staatspolizei auf, und dann kommt die Justiz dran" (Screenshot Liveticker Der Standard)
Sybil­le G. vor dem BVT-U-Aus­schuss: „… wenns an der Macht sind, hän­gens als ers­tes die Staats­po­li­zei auf, und dann kommt die Jus­tiz dran” (Screen­shot Live­ti­cker Der Stan­dard)

Kick­ls Gene­ral­se­kre­tär Peter Gold­gru­ber hat­te im U‑Ausschuss noch ange­ge­ben, die in Raz­zi­en völ­lig unbe­leck­te EGS des­halb für die BVT-Raz­zia aus­ge­wählt zu haben, weil sie 

eine der erfolg­reichs­ten Ein­hei­ten, die die Wie­ner Poli­zei hat, ist Teil des Lan­des­kri­mi­nal­amts Wien – nicht irgend­ei­ne Ein­heit, son­dern ein Teil des Lan­des­kri­mi­nal­amts –, sehr erfah­ren in der Durch­füh­rung von vie­len Amts­hand­lun­gen [ist] und auch eine per­so­nel­le Kapa­zi­tät [hat], sodass sie auch grö­ße­re Amts­hand­lun­gen durch­füh­ren kann (Pro­to­koll U‑Ausschuss Befra­gung Gold­gru­ber, 13.3.19).

Es ent­behrt nun nicht einer gewis­sen Komik, dass Wolf­gang Preiszler, des­sen Ein­heit auf Sucht­gift­de­lik­te spe­zia­li­siert ist, aus­ge­rech­net von Johann Gude­nus ans Innen­mi­nis­te­ri­um ver­mit­telt wor­den sein soll. 

So schick­te Gude­nus, der bis­her in der BVT-Affä­re weder medi­al noch ermitt­lungs­tech­nisch eine Rol­le gespielt hat, bereits am 9. Jän­ner 2018 – also sie­ben Wochen vor der Haus­durch­su­chung – die elek­tro­ni­sche Visi­ten­kar­te von Preiszler an Kick­ls Kabi­netts­chef Teu­fel. (…) „Ich kann mich nicht erin­nern, ob ich mich irgend­et­was gefragt habe, als ich die Nach­richt erhal­ten habe”, sagt Teu­fel auf eine Anfra­ge. (derstandard.at, 18.6.20)

Da erhält Teu­fel also ohne jeg­li­che Begleit­bot­schaft die Kon­takt­da­ten von Wolf­gang Preiszler und kann sich wie­der ein­mal an nichts erin­nern. Gude­nus wie­der­um fällt dazu schon etwas ein: Er woll­te Preiszler über den Innen­mi­nis­ter bloß einen Ehren­platz beim Poli­zei­ball ver­mit­teln. Sagt er. 

Am 9. März 2018 mel­det sich Preiszler selbst bei Gude­nus via Whats­App. „Aus gege­be­nem Anlass bin ich nicht mehr auf WA, son­dern auf Three­ma“, schreibt der Poli­zist. Gude­nus steht zunächst auf der Lei­tung: „Was meinst du?“ Dar­auf Preiszler: „Ich wech­sel (sic!) wg der BVT-Ermitt­lun­gen den Mes­sen­ger“ Und Gude­nus: „Ah ok“ (profil.at, 18.6.20)

Dass Preiszler weni­ge Wochen nach der Raz­zia wegen des­sen auf Face­book gezeig­ten Affi­ni­tä­ten zum Rechts­extre­mis­mus selbst ins Kreuz­feu­er der Kri­tik gera­ten wür­de, konn­ten damals frei­lich weder der Joschi noch der Sucht­gift­fahn­der und auch nicht der Teu­fel ahnen.

Wer weiß, wel­che bis­lang durch Erin­ne­rungs­lü­cken feh­len­den Ant­wor­ten über diver­se Han­dy-Chats noch auf­tau­chen – viel­leicht jene, war­um Teu­fel mit dem Iden­ti­tä­ren-Boss Sell­ner „hin und wie­der“ geplau­dert hat und wer aus der FPÖ sich da noch in die­sem Dunst­kreis bewegt hat? Und vor allem: War­um das BVT-Extre­mis­mus­re­fe­rat stun­den­lang durch­sucht und rie­si­ge Daten­men­gen beschlag­nahmt wurden?

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