Würmer in der Nase

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Als Alt­kanz­ler Kurz vor weni­gen Tagen dem FPÖ-Obmann Nor­bert Hofer süf­fi­sant vor­hielt, dass er es war, der Hofer über Ibi­za infor­mier­te und nicht Stra­che, da war des­sen Trau­ma­ti­sie­rung kurz erkenn­bar. Als Hofer jetzt am Sams­tag von sei­nem frisch erwor­be­nen Durch­griffs­recht Gebrauch mach­te und den FPÖ-Klub­ob­mann im NÖ-Land­tag sus­pen­dier­te, weil der zu Hit­lers Geburts­tag Glück­wün­sche ver­sand­te, gab er sein Trau­ma wei­ter. Der Mar­tin Huber erfuhr sei­ne Sus­pen­die­rung über die Medi­en, nicht von Nor­bert Hofer.

Über­tra­gung nennt man in der Psy­cho­lo­gie die­se Wei­ter­ga­be eines schwe­ren Kon­flikts oder Trau­mas, mit der jetzt Mar­tin Huber ganz allein zurecht kom­men muss. Am Sams­tag, 21.9., setz­te es die „Sus­pen­die­rung wegen Gefahr in Ver­zug“ und bis Sonn­tag nach­mit­tags gab es noch immer kein Gespräch zwi­schen den bei­den, berich­tet „Der Stan­dard“. Am Sonn­tag­abend wird Nor­bert Hofer dafür auch kei­ne Zeit gefun­den haben, denn da muss­te er schon den nächs­ten Blau­en aus Nie­der­ös­ter­reich vor der For­de­rung nach sofor­ti­ger Sus­pen­die­rung ver­tei­di­gen, näm­lich den blau­en Tau­send­sas­sa und FPÖ-NÖ-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Rein­hard Teu­fel, der nicht nur Kabi­nett­chef vom Kickl war, son­dern auch eine „inten­si­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on“ mit dem Iden­ti­tä­ren Mar­tin Sell­ner geführt haben soll. Aber Rein­hard Teu­fel ist nichts pas­siert, denn Nor­bert Hofer kann auch rech­nen. Acht Sit­ze hat die FPÖ im nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Land­tag. Da kann man sich aus­rech­nen, wie schnell die FPÖ ohne Man­da­ta­re dasteht, wenn schon an einem ein­zi­gen Wochen­en­de zwei sus­pen­diert wür­den. Des­halb säu­sel­te Hofer in der Ele­fan­ten­run­de der Pri­vat­sen­der am Sonn­tag­abend zur Ver­tei­di­gung von Rein­hard Teu­fel nur: „Darf man nicht mit Men­schen reden?

Da war es wie­der, nur ange­deu­tet: das Trau­ma des Nor­bert Hofer. Sogar mit Mör­dern wür­de gespro­chen, führ­te er dann noch in einem ver­we­ge­nen Ver­gleich aus. Unaus­ge­spro­chen blieb: Da kann ja wohl der Kabi­nett­chef des Innen­mi­nis­ters, eben Rein­hard Teu­fel, von Mensch zu Mensch auch mit dem Mar­tin Sell­ner spre­chen. Als stil­ler Vor­wurf schwingt mit: Der Stra­che hät­te ja auch mit ihm – von Mensch zu Mensch – über Ibi­za spre­chen können.

Zurück zu Mar­tin Huber, der das Trau­ma des Nor­bert Hofer voll an den Kopf geknallt bekom­men hat. Am 20.4. 2014 hat­te er ganz unschul­dig auf sei­ne Face­book-Pinn­wand gepos­tet: „Herz­li­chen Glück­wunsch an jene die heu­te Geburts­tag haben

Martin Huber gratuliert am 20.4.2014

Mar­tin Huber gra­tu­liert am 20.4.2014

Wenn man alle Augen zudrückt, könn­te man das als freund­li­che Ges­te eines flei­ßi­gen Geburts­tags­wün­schers inter­pre­tie­ren. Aber Huber wünsch­te sonst nie­man­dem herz­lich Glück. Nur am 20.4.2014 über­kam ihn das Bedürf­nis zum Geburts­tags­glück­wunsch, so wie ande­re FPÖ-Funk­tio­nä­re just an die­sem Tag halt das Bedürf­nis nach Eier­no­ckerl oder Dank für den Son­nen­schein an die­sem Tag über­kom­men ist – auch wenn es reg­ne­te. Immer­hin, 13 Men­schen fühl­ten sich durch Hubers Geburts­tags­wün­sche so stark enthu­si­as­miert, dass sie dem herz­li­chen Wunsch ein Like ver­pass­ten; dar­un­ter auch ein­schlä­gig vor­ge­bil­de­tes Personal.

Jetzt heißt es erst ein­mal abwar­ten für Mar­tin Huber und die FPÖ, denn eine Sus­pen­die­rung bedeu­tet ja noch kei­nen end­gül­ti­gen Aus­schluss. Hilf­reich ist es für ihn aller­dings nicht, dass er „erst vor kur­zem ein Face­book-Foto­al­bum mit rechts­extre­men Sym­bo­len wie der von der SS ver­wen­de­ten Schwar­zen Son­ne mit ‚Gefällt mir’ mar­kiert hat­te“ (derstandard.at, 22.9.19). Aber das haben auch „vier wei­te­re frei­heit­li­che und zwei tür­ki­se Gemein­de­rä­te, dar­un­ter ein Poli­zist und JVP-Bezirks­ob­mann“ gemacht.

In der FPÖ bro­delt es jeden­falls wegen der Sus­pen­die­rung. Was Nor­bert Hofer nach der Natio­nal­rats­wahl dazu noch argu­men­ta­tiv ein­fällt, wis­sen wir nicht. Mar­tin Huber könn­te sein Man­dat im Land­tag natür­lich behal­ten, auch ohne das mit Hofer vor­her zu bespre­chen. Das wäre dann so etwas wie eine Rück­über­tra­gung des Huber-Traumas.

Dabei sitzt Hofer nicht nur das unauf­ge­ar­bei­te­te Ibi­za-Trau­ma bzw. der Stra­che im Genick, son­dern auch der Kickl und sein Teu­fel. Denn wäh­rend Hofer am Sonn­tag­abend bei den Pri­vat­sen­dern das Gespräch mit Men­schen, Mör­dern und eben auch dem Mar­tin Sell­ner hoch­hielt, zog Her­bert Kickl fast gleich­zei­tig im ORF schon ganz ande­re Sei­ten auf: Die Medi­en­be­rich­te über sei­nen Kabi­nett­chef Rein­hard Teu­fel sei­en „Ruf­mord an einer unta­de­li­gen Per­son“, die „übli­che Sudel­kam­pa­gne“ und „dre­cki­ge Metho­den des Anpat­zens“.

Wie man sehen und hören konn­te, ist Kickl nicht vom Schwei­ge­trau­ma befal­len. Ganz im Gegen­satz zu sei­nem Kabi­nett­chef, dem man auch jetzt wie­der die Wür­mer ein­zeln aus der Nase zie­hen muss, so auch zum inten­si­ven Gebrauch des minis­te­ri­el­len Dienst­wa­gens samt Chauf­feur. Sei­ne bis­he­ri­ge Glanz­leis­tung lie­fer­te er im Unter­su­chungs­aus­schuss zum BVT ab, wo er durch Wahr­neh­mungs­lo­sig­keit brillierte.

Reinhard Teufel im BVT-U-Ausschuss (Auszug)

Rein­hard Teu­fel im BVT-U-Aus­schuss (Aus­zug)

Ver­mut­lich war das auch bei der laut BVT „inten­si­ven Kom­mu­ni­ka­ti­on“ mit Sell­ner so. Sell­ner mag ja was auch immer geplau­dert haben, aber Teu­fel hat das ein­fach nicht wahr­ge­nom­men! Dass die „Hin und Wie­der“ (Teu­fel) ‑Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Sell­ner über zwei ver­schie­de­ne Mes­sen­ger-Diens­te geführt wur­de, den einen für das Sen­den von Nach­rich­ten, den ande­ren für die emp­fan­ge­nen „Hin und Wieder“-Nachrichten, das kann ja nur eini­ge auf­ge­reg­te Links­lin­ke und deren Nest im Ver­fas­sungs­s­schutz irri­tie­ren. Eine ein­sei­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Sell­ner vor des­sen Haus­durch­su­chung war laut Teu­fel nicht dabei:

Teu­fel bestritt damals vehe­ment, Sell­ner vor der Raz­zia gewarnt zu haben. Sell­ners Woh­nung wur­de am 25. März im Zusam­men­hang mit einer Spen­de des mut­maß­li­chen Christ­church-Mas­sen­mör­ders Bren­ton T. an Sell­ner durch­sucht. Die Beam­ten war­te­ten damals meh­re­re Minu­ten, bevor ihnen Sell­ner die Tür öff­ne­te, obwohl sie Geräu­sche im Inne­ren ver­nah­men. Die Jus­tiz ermit­telt, ob Sell­ner vor der Raz­zia gewarnt wur­de. (derstandard.at, 22.9.19)

Reinhard Teufel im niederösterr. Landtag

Rein­hard Teu­fel im nie­der­ös­terr. Landtag

Ach ja, in der all­ge­mei­nen Auf­re­gung um Huber und Teu­fel wäre bei­na­he unter­ge­gan­gen, dass den Abge­ord­ne­ten Hans-Jörg Jene­wein, der für die FPÖ im Unter­su­chungs­aus­schuss BVT saß, irgend­wann die Lust auf ein T‑Shirt von „Pha­lanx Euro­pa“, also von Sell­ners iden­ti­tä­rem Ver­sand­han­del, über­kam. Das T‑Shirt habe er 2015 oder 2016 erwor­ben, so Jene­wein, „damit zu einem Zeit­punkt (…), als die Iden­ti­tä­ren noch von kei­ner Sei­te als pro­ble­ma­tisch ein­ge­stuft wor­den seien“.

Wie bit­te? Wie heißt es im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt für das Jahr 2014?

Seit dem Jahr 2012 ver­su­chen jün­ge­re Neo­na­zis und Per­so­nen aus dem stu­den­ti­schen und bur­schen­schaft­li­chen Milieu, ein aus Frank­reich kom­men­des, im Inter­net sehr akti­ves, moder­nes und von pop­kul­tu­rel­len Pro­test­for­men gepräg­tes Ideo­lo­gie­kon­zept der „Neu­en Rech­ten“ in Öster­reich zu eta­blie­ren. Die als „Bewe­gung“ auf­tre­ten­de Sze­ne, stellt die „Iden­ti­tät des eige­nen Vol­kes“ in den Mit­tel­punkt ihrer Pro­pa­gan­da. Unter dem Deck­man­tel das jewei­li­ge Land respek­ti­ve „ganz Euro­pa“ vor einer „Isla­mi­sie­rung“ und vor Mas­sen­zu­wan­de­rung schüt­zen zu müs­sen, wird auf einer pseu­do-intel­lek­tu­el­len Grund­la­ge ver­sucht, das eige­ne rassistisch/nationalistischgeprägte Welt­bild zu ver­schlei­ern. Die Distan­zie­rung vom Neo­na­zis­mus in öffent­li­chen State­ments ist als tak­ti­sches Manö­ver­zu wer­ten, da sich in den Rei­hen der Bewe­gungs­eli­ten amts­be­kann­te Neo­na­zis­be­fin­den und Kon­tak­te in ande­re rechts­extre­mis­ti­sche Sze­n­e­be­rei­che bestehen.

Etwas unbe­stimm­ter und vor­sich­ti­ger war zuvor schon für das Jahr 2013 über die Iden­ti­tä­ren berich­tet wor­den. Aber woher soll das Jene­wein auch wis­sen? Schließ­lich sitzt er erst seit 2017 im Stän­di­gen Unter­aus­schuss für inne­re Ange­le­gen­hei­ten des Natio­nal­rats, und vor­her war er nur Mit­glied des innen­po­li­ti­schen Aus­schus­ses im Bundesrat.