Der innere Reichsparteitag des Gottfried Küssel

Länger nach­denken muss man über die ide­ol­o­gis­che Botschaft nicht, wenn eine Zeitschrift „N.S. Heute“ heißt. Und damit der Groschen auch wirk­lich beim Aller­let­zten fällt, wird auf der „Heim­seite“ hinzufügt, „Unser Name ist Pro­gramm“. Öster­re­ichs Längst­di­enen­der unter den bekan­nten Neon­azis gab sog­ar vor Gericht freimütig zu: „Ich bin Nation­al­sozial­ist.“ Kein Wun­der also, dass Got­tfried Küs­sel ein­er Zeitschrift mit diesem Namen gerne ein Inter­view gibt. Es war das erste nach sein­er Ent­las­sung aus der Jus­ti­zanstalt Wiener Neustadt. Und es zeigt: Die sieben Jahre und neun Monate Haft dürften an sein­er Ein­stel­lung nichts geän­dert haben.

Das DÖW hat über Küs­sels Inter­view, das er den Neon­azis Hen­rik Osten­dorf und Sascha Krolzig in Wien gegeben hat, zusam­men­fassend berichtet („Küs­sels Erin­nerun­gen“). An dieser Stelle daher nur der Hin­weis, dass dur­chaus Gefahr in Verzug ist. Denn die Über­schrift lässt keinen Zweifel darüber, was geplant ist: „Lass’ [sic!] Deinen Gedanken Tat­en fol­gen!“Diesen Satz wieder­holt Küs­sel im Inter­view mehrmals. Dazu posiert er am Helden­platz vor dem Balkon, von dem aus Hitler 1938 „die größte Vol­lzugsmeldung seines Lebens“ abgegeben und den Anschluss Öster­re­ichs an das Deutsche Reich verkün­det hatte.

Titelfoto N.S. Heute, Interview mit Küssel: "Lass' Deinen Gedanken Taten folgen!"

Titelfo­to N.S. Heute, Inter­view mit Küs­sel: „Lass’ Deinen Gedanken Tat­en folgen!”

Unwillkür­lich wird man daran erin­nert, dass auch nach den let­zten Nation­al­ratswahlen „Tat­en“ fol­gten: Her­bert Kickl hat umge­hend ver­sucht, das „Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz und Ter­ror­is­mus­bekämp­fung“ (BVT) an die Kan­dare zu nehmen und mit blauen Parteigängern zu unter­wan­dern. Das war aus Küs­sels Sicht wohl notwendig, denn bis­lang sei es so gewe­sen, dass „du mit diesen Men­schen [aus dem BVT, Anmk. SdR] über­haupt nicht reden“ durftest, weil „jedes Wort, was du sagst, sofort exeku­tiv gegen dich ver­wen­det“ wor­den sei.

Küs­sel ver­misst in Öster­re­ich allerd­ings eine Partei wie die deutsche NDP. Schuld daran sei das NS-Ver­bots­ge­setz, das er – wie auch einige promi­nente FPÖ-Poli­tik­er – infrage stellt, weil es die nationalen Kräfte in der „Ost­mark“ – so wird Öster­re­ich seit­ens der Inter­view­er durchgängig beze­ich­net – erhe­blich behin­dere. Das ver­mag aber nicht wirk­lich zu über­raschen. Auch die wein­er­liche Erzäh­lung über seine „Gesin­nung­shaft“ war erwart­bar: „Geschwore­nen­gerichte brauchen ihre Urteile nicht zu begründen!“

In frühen Jahren wurde Küs­sel laut eige­nen Aus­sagen vom dama­li­gen FPÖ-Lan­desparteiob­mann von Niederöster­re­ich ange­wor­ben und kan­di­dierte in Reichenau an der Rax für die FPÖ bei der Gemein­der­atswahl. Obwohl Küs­sel in der Partei bestens ver­net­zt war, kam es zu kein­er Parteikar­riere. Die Partei sei ihm doch zu „schlapp“ gewe­sen. Er hinge­gen habe sich mit der NS-Geschichte auseinan­derge­set­zt, erlebte „eine emo­tionelle Geschichte (…) mit den schö­nen Uni­for­men und so“. Das mün­dete über einen „inneren Reichsparteitag“ in eine Weltan­schau­ung, die „im his­torischen NS fußt“.

Küs­sel hat­te auch engen Kon­takt zu einem später sehr promi­nen­ten Frei­heitlichen: Über den ehe­ma­li­gen Vizekan­zler Stra­che berichtet Küs­sel, dass dieser in den „80er-Jahren für unsere dama­lige ‚Aus­län­der-Halt-Bewe­gung‘ an Wahlkamp­fak­tio­nen teilgenom­men“ habe. Das ist bemerkenswert, da es sich um eine Grup­pierung rund um den Neon­azi Gerd Hon­sik gehan­delt hat­te: „Bis Anfang der 1990er Jahre stellte die mehrheitlich von Mit­gliedern der 1980 behördlich aufgelösten Kam­er­ad­schaft Baben­berg gebildete Volks­be­we­gung um Gerd Hon­sik eine der zen­tralen Grup­pierun­gen der öster­re­ichis­chen Neon­aziszene mit großer pub­lizis­tis­ch­er Bedeu­tung und weitre­ichen­den Verbindun­gen dar.

Aus der Volks­be­we­gung ent­stand 1982 auch die Wahlplat­tform Aus­län­der-Halt-Bewe­gung/AUS (Beteiligte: Dr. Her­bert Fritz, Ing. Fer­di­nand Kamenitzky, Dr. Bruno Haas, Ing. Ernest Ste­in­fell­ner, Johann Kremser, Har­ald Schmidt, Ing. Hor­nach­er, Arthur Maichan­itsch (†), Gerd Hon­sik, Johann Sauerteig, Har­ald Engelke, Hofrat Dr. Otto Roßkopf, Got­tfried Küs­sel).“ (doew.at) Stra­che sollte daher auch die Frage beant­worten, inwieweit er mit Hon­sik in Kon­takt war und wie lange.

Stra­che habe jedoch, so Küs­sel weit­er, „nie unsere Blut­gruppe gehabt, aber im stillen Käm­mer­lein hat er den großen Nation­al­sozial­is­ten gespielt“. Gefilmt wurde damals offen­sichtlich noch nicht. Eigentlich schade, denn Küs­sel merkt süff­isant an: „Da gab es einige lustige Auftritte, über die will ich jet­zt aber nicht reden, vielle­icht brauchen wir das nochmal …“ Das warf innen­poli­tisch die Frage auf, inwieweit der beim Erscheinen des Inter­views noch amtierende Vizekan­zler vom bekan­ntesten Neon­azi Öster­re­ichs erpress­bar sein kön­nte. Wie kann es sein“, fragt Stephanie Krisper (Neos), „dass ein­er der berüchtigt­sten Neon­azis der Repub­lik Druck auf den Vizekan­zler der Repub­lik ausüben kann. Stra­che ist gefordert, hier für Klarheit zu sor­gen, es geht schließlich um eines der höch­sten Ämter in Öster­re­ich.“ „Für die SPÖ forderte SJ-Chefin Julia Herr Stra­che auf, Küs­sel entwed­er wegen Ruf­schädi­gung zu kla­gen oder zurück­zutreten: Wenn ein Neon­azi andeutet, belas­tende Infor­ma­tio­nen über den Vizekan­zler zu haben, dann muss dieser sofort reagieren!“ (kleinezeitung.at, 17.5.19) Das war just an jen­em Tag, als am Abend, Punkt 18 Uhr die Süd­deutsche und der Spiegel mit dem Ibiza-Video an die Öffentlichkeit gin­gen. Küs­sels Aus­sagen zu Stra­che waren damit fürs Erste schla­gar­tig aus dem Fokus verschwunden.

Küssel über Strache (N.S. Heute, S. 20)

Küs­sel über Stra­che (N.S. Heute, S. 20)

Das in „N.S. Heute“ abge­druck­te Inter­view erstreckt sich über acht Seit­en und ist als „Teil 1“ beze­ich­net. Wir dür­fen uns also auf eine Fort­set­zung von Küs­sels Frücht­en aus seinem „inneren Reichsparteitag“  freuen. Oder auch nicht.