Polizist wegen Wiederbetätigung verurteilt, aber weiter im Dienst

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Wir haben im Juni 2018 aus­führ­lich über jenen aus Nie­der­ös­ter­reich stam­men­den und in Wien bediens­te­ten Poli­zis­ten berich­tet, der durch eine Rei­he von NS-Pos­tings auf Face­book auf­ge­fal­len war. Ermitt­lun­gen, die bereits zuvor gegen ihn geführt wor­den waren, wur­den ein­ge­stellt. Nach­dem wir auf drei Face­book-Kon­ten von Micha­el K. ein­schlä­gi­ges Mate­ri­al gesi­chert und eine Sach­ver­halts­dar­stel­lung an die Staats­an­walt­schaft über­mit­telt hat­ten, kam offen­bar Bewe­gung in die Ange­le­gen­heit. Nun stand der Poli­zist in St. Pöl­ten vor Gericht.

„Haus­be­su­che vom Fach­mann seit 1933“ pos­te­te der Poli­zist im Okto­ber 2017, gar­niert mit einem mar­tia­li­schen Bild, das Wehr­machts­sol­da­ten beim Sturm eines Hau­ses zeigt. Mög­lich­wei­se ist das, für sich gese­hen, kein Ver­stoß gegen das Ver­bots­ge­setz, im Kon­text ande­rer Pos­tings ist eine Affi­ni­tät des Poli­zis­ten mit NS-Inhal­ten jedoch naheliegend.

Aber nicht nur das:

„‚Bei einer Haus­durch­su­chung wur­den zahl­reich Devo­tio­na­li­en gefun­den. 30 CDs mit Marsch­mu­sik der Waf­fen-SS, Modell­flug­zeug mit Haken­kreuz, Kriegs­ta­ge­bü­cher, Hel­me mit Reichs­ad­ler. Und Hit­ler-Wein, der gehört bei Kel­ler-Nazis offen­bar zum Stan­dard­re­per­toire’, sag­te der Staats­an­walt im Pro­zess.“ (noen.at, 31.5.19)

Michael K. will sich eine SS-Uniform als "Ostergeschänk ... unters gebüsch legen" (Screenshot 5.6.18)

Micha­el K. will sich eine SS-Uni­form als „Oster­ge­schänk … unters gebüsch legen” (Screen­shot 5.6.18)

Meh­re­re par­la­men­ta­ri­schen Anfra­gen (durch Sabi­ne Schatz/SPÖ und Alfred Noll/Liste Jetzt) för­der­ten selt­sa­me Ermitt­lungs­prak­ti­ken bzw. haar­sträu­ben­de Igno­ranz sei­tens der Behör­den zuta­ge, jedoch konn­ten auch sie nicht bewir­ken, dass der Poli­zist die mut­maß­lich straf­ba­ren Inhal­te auf Face­book ent­fern­te; erst eine direk­te Inter­ven­ti­on unse­rer­seits bei sei­nem Dienst­ge­ber, der LPD Wien, hat­te die Löschung der straf­ba­ren Inhal­te zur Fol­ge – das fast drei Mona­te nach Ein­brin­gung unse­rer Sach­ver­halts­dar­stel­lung! Die Begrün­dung, „tech­ni­sche Pro­ble­me“ hät­ten eine frü­he­re Löschung ver­hin­dert, fügt sich in das Gesamt­bild: Der Ver­dacht liegt nahe, dass auf allen Ebe­nen weg­ge­schaut wurde.

Twitter SdR an LPD Wien zu Michael K.

Twit­ter SdR an LPD Wien zu Micha­el K.

Die Bezirks­zei­tung berich­tet nun Details vom Pro­zess: „Kein ein­ma­li­ger Aus­rut­scher, wie der St. Pölt­ner Staats­an­walt Patrick Hin­ter­leit­ner weiß. Er sah in einem Geschwo­re­nen­pro­zess den Tat­be­stand des Ver­bre­chens nach dem Ver­bots­ge­setz jeden­falls erfüllt und war­te­te mit meh­re­ren Pos­tings des Ange­klag­ten auf, mit denen er seit 2013 nicht nur zwei Berufs­kol­le­gen beglück­te. Sei­ne Akti­vi­tä­ten kon­zen­trier­ten sich dabei auf die Weih­nachts­zeit*, wo er unter ande­rem Weih­nachts­sen­dun­gen aus dem Radio wähl­te, die Natio­nal­so­zia­lis­ten 1942 mit ent­spre­chen­der Pro­pa­gan­da der Bevöl­ke­rung unterjubelten.

Er habe zu Weih­nach­ten immer an sei­nen Groß­va­ter gedacht, der bei der Waf­fen SS als Unter­of­fi­zier tätig gewe­sen sei. Die Aus­sa­ge, dass die­se Ein­heit für ihn eine ‚ganz nor­ma­le’ wäre, pro­vo­zier­te den Rich­ter zur Auf­klä­rung. Dem­nach wur­de die­se Ein­heit 1946 zur Ver­bre­cher­or­ga­ni­sa­ti­on erklärt. Bekannt war sie auch für die beson­de­re Här­te und Grau­sam­keit gegen die Zivil­be­völ­ke­rung und habe sich als Wach­per­so­nal in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern der Nazis inten­siv an der Mas­sen­ver­nich­tung von Men­schen betei­ligt. Dass er davon noch nie gehört habe, nahm Herr Rat dem Beschul­dig­ten nicht ab.

Neben heroi­sie­ren­der Foto­mon­ta­gen mar­schie­ren­der Sol­da­ten der Waf­fen-SS, fand unter ande­rem auch das ‚Dau­men-Hoch-Sym­bol‘ den Weg in sein Netz, wobei er eini­ge Dar­stel­lun­gen vor dem Hin­ter­grund sei­nes Beru­fes als ‚Witz‘ gese­hen habe und er kei­ner­lei Bezug zum Natio­nal­so­zia­lis­mus her­stel­len woll­te, wie sich der Ange­klag­te bereits bei einem frü­he­ren, mitt­ler­wei­le ein­ge­stell­ten Ver­fah­ren ver­ant­wor­te­te.“ (meinbezirk.at, 31.5.19)

„Mit Dei­nen euro­päi­schen Kame­ra­den unter dem Zei­chen der SS wirst Du sie­gen“ (Über­set­zung aus dem Französischen)

Ein Witz sei das also gewe­sen, wie der Ver­tei­di­ger, Wer­ner Toma­nek, betont haben soll. Mit Wit­zen und Unwis­sen die­ser Art kennt sich Toma­nek ver­mut­lich gut aus, zumal der Bur­schen­schaf­ter (B. Olym­pia) selbst im rechts­extre­men Milieu behei­ma­tet ist und sich auch als Anwalt von ins Brau­ne gefal­le­nen Unschulds­läm­mern einen Namen gemacht hat.

Den angeb­li­chen Humor konn­ten die Geschwo­re­nen offen­bar nicht nach­voll­zie­hen, der Poli­zist ern­te­te einen Schuld­spruch und zwölf Mona­te bedingt – nicht rechts­kräf­tig. Was uns nun aller­dings erstaunt: Wie „Öster­reich“ und die Bezirks­zei­tung ver­mel­den, ist der Poli­zist nach wie vor im Dienst. Das scheint uns der wirk­li­che Witz zu sein, jedoch ein übler! 

Der Humor des Michael K. – ein Like für die FB-Gruppe "Exekutivbeamte sind keine Verbrecher!"

Der Humor des Micha­el K. – sein Like für die FB-Grup­pe „Exe­ku­tiv­be­am­te sind kei­ne Verbrecher!”

*Ks. Akti­vi­tä­ten kon­zen­trier­ten sich kei­nes­falls auf die Weih­nachts­zeit, sie waren ein Ganz­jah­res­phä­no­men, wie allei­ne schon die von uns hier ver­öf­fent­lich­ten Screen­shots belegen.