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FPÖ Graz: Provokation bei Postenbesetzungen

Ernst Brandl war frü­her par­la­men­ta­ri­scher Mit­ar­bei­ter des FPÖ-Abge­­or­d­­ne­­ten Wolf­gang Zan­ger, der mit sei­nen Refle­xio­nen über die guten Sei­ten des Natio­nal­so­zia­lis­mus auf­fäl­lig gewor­den ist. Jetzt ist Brandl, der auch für das Möl­­zer-Blatt „Zur Zeit“ und die Gra­zer FPÖ-Pos­­til­­le „Uhr­turm“ schrieb, selbst auf­ge­fal­len. Die FPÖ ent­sand­te ihn in den Auf­sichts­rat des „Stei­ri­schen Herbst“, berich­te­te der „Stan­dard“. Nicht […]

8. Jun 2017

Die Per­so­nal­de­cke der FPÖ Graz ist ent­we­der sehr dünn oder sehr pro­vo­ka­tiv. Ver­mut­lich bei­des. Wie der „Stan­dard“ in sei­ner heu­ti­gen Aus­ga­be berich­tet, sorgt nicht nur die Bestel­lung von Ernst Brandl, Pres­se­spre­cher des Gra­zer FPÖ-Vize­bür­ger­meis­ters Mario Eustac­chio, für Verwunderung.

Schon im Wahl­kampf fiel auf, dass man Lis­ten mit blau­en Urge­stei­nen füll­te: etwa dem 89-jäh­ri­gen Alex­an­der Götz, der von 1973 bis 1983 (wie heu­te als dritt­stärks­te Kraft) Bür­ger­meis­ter war und spä­ter lan­ge vor Gericht um sei­ne Poli­ti­ker­pen­si­on kämpf­te. Er wur­de des­we­gen sogar vor­über­ge­hend von der Par­tei, die es unter Jörg Hai­der offi­zi­ell nicht so mit „Pri­vi­le­gi­en­rit­tern” hat­te, aus­ge­schlos­sen. Oder aber auch mit dem schon fast in Ver­ges­sen­heit gera­te­nen Ex-Stadt­rat Fer­di­nand Spiel­ber­ger. Der 77-jäh­ri­ge Bezirks­ob­mann­stell­ver­tre­ter in Andritz wird Auf­sichts­rat der Fried­rich-Schmiedl-Stif­tung, die mit­ver­ant­wort­lich für die Kin­der­uni und For­schungs­prei­se ist. (Der Stan­dard)

Wie bit­te? Der Fer­di­nand Spiel­ber­ger? Und dann wird auch noch der Bru­der des FPÖ-Vize­bür­ger­meis­ters mit gleich drei Auf­sichts­rats­pos­ten bedacht. Nepo­tis­mus in Reinkultur!

Die Vandalia gratuliert ihrem AH (Alten Herrn) Brandl zum Geburtstag
Die Van­da­lia gra­tu­liert ihrem AH (Alten Herrn) Brandl zum Geburtstag

Ernst Brandl, wie sein frü­he­rer Chef Zan­ger Mit­glied der schla­gen­den Ver­bin­dung „Corps Van­da­lia Graz” und des „Corps Aus­tria zu Knit­tel­feld”, Pres­se­spre­cher von Eustac­chio, darf sich neben dem Auf­sichts­rats­pos­ten noch über ein ande­res Pöst­chen freuen:

Er wird in die Abtei­lung für Öffent­lich­keits­ar­beit der Stadt wech­seln. Soll­te er dort zum Lei­ter auf­stei­gen, könn­te er künf­tig den öffent­li­chen Auf­tritt von Graz maß­geb­lich beein­flus­sen“ (Der Stan­dard).

1996 ließ die FPÖ den Slogan "Schluß mit den Privilegien" plakatieren - 20 Jahre später sieht man das für die Aufsichtsräte aus den eigenen Reihen nicht mehr zutreffend.
1996 ließ die FPÖ den Slo­gan „Schluß mit den Pri­vi­le­gi­en” pla­ka­tie­ren — 20 Jah­re spä­ter sieht man das für die Auf­sichts­rä­te aus den eige­nen Rei­hen nicht mehr zutref­fend. — Bild­quel­le: ÖNB, Bild­ar­chiv, Inv.Nr. PLA16382589

Ach ja, noch etwas hat „Der Stan­dard“ in sei­nem Bei­trag vom 1.6.2017 über Brandl herausgefunden:

Brandl schrieb übri­gens auch für die rech­te Publi­ka­ti­on Der Eck­art. Dort weist er etwa in dem Text Der Niko­lo ist kein Tür­ke ohne inhalt­li­chen Zusam­men­hang auf die „jüdi­sche Abstam­mung” von Cari­tas-Prä­si­dent Micha­el Land­au hin und ope­riert mit Begrif­fen wie „Umvol­kung”.

Brandl, der auf sei­nem Face­book-Pro­fil auch mit jen­sei­ti­gen Paar­rei­men sei­nen illus­tren Freun­des­kreis ver­sorgt, wird in einem offe­nen Brief von 68 Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­lern sowie Kunst­schaf­fen­den zum Rück­tritt als Auf­sichts­rat des „Stei­ri­schen Herbst“ auf­ge­for­dert: „Er kann und wird nichts zum Anse­hen des Fes­ti­vals bei­tra­gen, er kann es nur schä­di­gen.“

Sei­nen puber­tä­ren Paarr­ei­mer titel­te Brandl übri­gens mit „Ka Zeit zum Abtre­ten“. Doch, doch!

Ernst Brandl: "Ka Zeit zum Abtreten"
Ernst Brandl: „Ka Zeit zum Abtreten”

Im Fol­gen­den geben wir den erwähn­ten Offe­nen Brief wieder:

„68 öster­rei­chi­sche Schrift­stel­le­rin­nen, Schrift­stel­ler und Kunst­schaf­fen­de fordern
Sofor­ti­ge Neu­be­set­zung des Auf­sichts­rats des Stei­ri­schen Herbstes

In einer nicht-öffent­li­chen Gemein­de­rats­sit­zung am 1. Juni 2016 wur­de der Redak­ti­ons­lei­ter der berüch­tig­ten Gra­zer FPÖ-Zei­tung „Der Uhr­turm“, Ernst Brandl, zum Auf­sichts­rat des Stei­ri­schen Herbs­tes bestellt. Sei­ne Ent­sen­dung, heißt es, „spieg­le die poli­ti­sche Situa­ti­on in Graz wider“.

Was Ernst Brandl befä­higt, als Auf­sichts­rat des Stei­ri­schen Herbs­tes zu fun­gie­ren, ist weder fach­lich zu begrün­den, noch poli­tisch ver­tret­bar. Sei­ne Beru­fung ist auch unver­ein­bar mit sei­ner Haupt­be­schäf­ti­gung. Ernst Brandl ist Pres­se­spre­cher des FPÖ-Stadt­rats Mario Eustac­chio und – wie sein Stadt­rat – das Gegen­teil von dem, was den Stei­ri­schen Herbst aus­macht. Er kann und wird nichts zum Anse­hen des Fes­ti­vals bei­tra­gen, er kann es nur schädigen.

Wir for­dern die umge­hen­de Neu­be­set­zung des Auf­sichts­ra­tes mit jeman­dem, der den fach­li­chen Anfor­de­run­gen und einem Min­dest­maß an poli­ti­scher Offen­heit ent­spricht. Soll­te die FPÖ Graz selbst über kei­ne Funk­tio­nä­rin­nen und Funk­tio­nä­re mit die­sem Anfor­de­rungs­pro­fil ver­fü­gen, soll sie die­se Auf­ga­be einem/einer von ihr bestell­ten qua­li­fi­zier­ten Eigentümervertreter/in übertragen.

Wir wer­den nicht still­schwei­gend zuse­hen, wie die gro­ße Geschich­te und Bedeu­tung des Stei­ri­schen Herbs­tes in der Gegen­wart in einer Mischung aus Igno­ranz und Mut­wil­len zer­stört wird.

Ger­hard Ruiss
Susan­ne Scholl
Felix Mitterer
Olga Flor
Karl-Mar­kus Gauß
Mar­tin Pollack
Klaus Zeyringer
Alfred Komarek
Robert Schindel
Georg Bydlinski
Micha­el Köhlmeier
Syl­via Treudl
Jochen Jung
O.P. Zier
Elfrie­de Jelinek
H.W. Käfer
Doron Rabinovici
Nils Jensen
Peter Paul Wiplinger
Gre­gor Fink
Man­fred Chobot
Lud­wig Laher
Jörg-Mar­tin Willnauer
Sabi­ne Gruber
Mar­tin Amanshauser
Franz Schuh
Eve­lyn Schlag
Ste­phan Eibel-Erzberg
Ulri­ke Truger
Sophie Reyer
Anna Kim
Heinz Lunzer
Karin Ivancsics
Her­bert Wimmer
Bar­ba­ra Frischmuth
Sibyl­le Fritsch
Wal­ter König
Peter Waterhouse
Moni­ka Helfer
Pau­lus Manker
Cle­mens Berger
Ger­hard Jaschke
Gus­tav Ernst
Eri­ka Kronabitter
Chris­toph Mauz
Julya Rabinowich
Petra Hartlieb
Micha­el Horvath
Bir­git Schwaner
Eva Schobel
Peter Henisch
Micha­el Stavaric
Alo­is Hotschnig
Josef Haslinger
Karl Markovics
Rena­te Welsh
Chris­toph Janacs
Semier Insayif
Peter Turrini
Lydia Mischkulnig
Kath­rin Röggla
Anna Mitgutsch
Mag­da­le­na Knapp-Menzel
Bri­git­te Rapp
Elfrie­de Hammerl
Lukas Resetarits
Kurt Palm
Tomas Friedmann

Stand, 7.6.2017”