Besitzstörung
Die schriftliche Urteilsverkündung, die der Richter Mag. Walter Steinschaden beim zweiten Prozesstermin am 9.11.2016 angekündigt hatte, trudelte nun doch schneller ein als erwartet. Bereits drei Wochen später berichtet die ÖH der Uni Wien in einer Aussendung davon, dass die Klage erfolgreich verlaufen ist. Zehn an der Aktion beteiligt gewesene Mitglieder der „Identitären“, zu denen u.a. Martin und Thomas Sellner sowie auch Alina Wychera zählten, wurden tatsächlich wegen „Besitzstörung“ verurteilt.
So heißt es im „Endbeschluss“ der Urteilsbegründung: „Die Beklagten haben dadurch, dass sie am 14.04.2016 in das Audimax der Universität, Universitätsring 1, 1010 Wien, eigenmächtig eingedrungen sind, den ruhigen Besitz der Klägerin an den Räumlichkeiten des Audimax der Universität Wien gestört.“ Das Betreten des Audimax durch die Beklagten erfolgte „in einer Weise, die darauf abzielte, eine laufende Veranstaltung zu unterbrechen und die Aufmerksam (sic!) aller anwesenden Personen auf sich zu ziehen.“
Weiters stellte das Gericht fest, dass „die von ihnen gesetzten Handlungen nicht den Nutzungsvorstellungen der klagenden Partei entsprechen“ und dadurch die „beabsichtigte Verwendung“ der durch die ÖH angemieteten Räumlichkeit „verunmöglicht“ wurde.
Was nun als politischer oder zumindest als moralischer Erfolg verbucht werden kann, ist jedoch angesichts der (re)traumatisierenden Erfahrung dieses Angriffs insbesondere für die Schauspieler_innen des Theaterstücks, bei denen es sich zu einem großen Teil um Geflüchtete handelte, nur ein kleiner Trost.
Weitere Ermittlungen?
Die aktuelle Umtriebigkeit der neofaschistischen „Identitären“ findet – spät aber doch – jedoch auch in weiteren Verfahren Beachtung. Erst vor wenigen Wochen wurden auch die Ermittlungen gegen weitere Mitglieder der „Identitären“ abgeschlossen, die im Juni dieses Jahres mit menschenverachtenden Parolen eine Vorlesung an der klagenfurter Universität gestürmt und dabei auch den Rektor attackiert hatten. Einem, dem Grazer Oberlandesgericht vorliegender, Vorhabensbericht zufolge wird ihnen dabei „Verhetzung, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Störung einer Versammlung und Herabwürdigung religiöser Lehren“ vorgeworfen. Es ist zu erwarten, dass es zu einem Prozess kommen wird, ein genauer Termin ist „Stoppt die Rechten” jedoch bislang noch nicht bekannt.
Keinen Prozess gab es allerdings in einer weiteren, strafrechtlich relevanten Angelegenheit im Zusammenhang mit „Identitären“. Anfang Jänner 2016 waren mehrere Aktivist_innen auf ihrem Heimweg von einer antifaschistischen Demonstration in Graz von mehreren, u.a. mit Schlagstöcken bewaffneten, Männern körperlich attackiert worden. Die Täter hatten sich im Zuge des Angriffs selbst zu den „Identitären“ bekannt.
Trotz umfassendem Fotomaterial und ärztlichen Attesten berichtete derstandard.at Anfang Juli, dass die Staatsanwaltschaft „den Antifaschisten keine ‚erhöhte Glaubwürdigkeit’ zusprechen“ würde und ihre „Verletzungen ’nicht zuordenbar’“ gewesen seien. Zudem sei es keine schwere Körperverletzung gewesen weil es dafür einen unmittelbaren Täter bräuchte und wegen fehlender schwerer Körperverletzung könne der Angriff auch kein Raufhandel gewesen sein. Bei dem Schlagstock handle es sich zudem um keine verbotene Waffe. Gerade weil der Angriff jedoch verdeutlicht, dass Mitglieder der neofaschistischen „Identitären“ über eine große Gewaltbereitschaft verfügen und keine Scheu zeigen, diese gegen ihre politischen Gegner_innen anzuwenden, bleibt die Einstellung der Ermittlungen mindestens hinterfragenswert.
Laut Recherche Wien soll es auch einige personelle Überschneidungen zwischen den Beteiligten am Anti-Antifa-Angriff in Graz sowie der Audimax-Stürmung gegeben haben. Auf besagter Internetseite werden zudem deutlich mehr an der Audimax-Stürmung beteiligte Personen identifiziert, als sich dann tatsächlich vor Gericht verantworten mussten. Insgesamt sollen nämlich 40 bis 50 Aktivist_innen bei der „Störaktion“, wie die „Identitären“ ihren „Aktionismus“ selbst verharmlosend beschreiben, mitgemacht haben.
Und nun?
Ein Besitzstörungsverfahren endet übrigens mit einem Beschluss, in dem entweder ein Gebot oder Verbot ausgesprochen wird. Im Fall des vorliegenden Prozess bedeutet dies, dass die Beklagten die „näher bezeichnete oder ähnliche Störungen zu unterlassen“ haben. Gleichzeitig erkannte der Richter in seinem Urteil jedoch auch, dass es sich im konkreten Fall um eine „Störung mit Störungsbewusstsein“ handeln würde, also dass die „Identitären“ genau wussten, was sie taten. Dieser Umstand „indiziert für das Gericht die Wiederholungsgefahr“. Gerade angesichts der Unbelehrbarkeit der selbst ernannten Abendlandretter_innen ist leider zu vermuten, dass das Gericht dabei Recht behalten wird. Vorerst sollten sich die „Identitären“ jedoch mal wieder um Geld bemühen, da sie für die entstandenen Prozesskosten aufkommen müssen.
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