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Identitäre mit Burschenschafter-Anwalt

Wäh­rend bei Ver­bots­ge­setz­pro­zes­sen in den letz­ten Mona­ten das media­le Inter­es­se in Wien weit­ge­hend aus­ge­blie­ben ist, sah es am 9.11.2016 anders aus. Am Jah­­res- bzw. Gedenk­tag der Nove­m­­ber-Pogro­­me waren gleich meh­re­re Medi­en anzu­tref­fen, als sich Mit­glie­der der so genann­ten Iden­ti­tä­ren vor dem Wie­ner Bezirks­ge­richt Inne­re Stadt ver­ant­wor­ten muss­ten.  Stö­rung im Audi­max Die Mel­dung, dass eine von […]

11. Nov 2016

Störung im Audimax

Die Mel­dung, dass eine von Geflüch­te­ten per­form­te Thea­ter­in­sze­nie­rung von Elfrie­de Jelin­eks „Die Schutz­be­foh­le­nen“ im Audi­max der Uni Wien durch Iden­ti­tä­re gestört wur­de, ist wohl vie­len noch in deut­li­cher Erin­ne­rung. Mit Mega­phon und Trans­pa­rent war eine Grup­pe von mehr­heit­lich Män­nern im April die­ses Jah­res gewalt­sam in die Räum­lich­kei­ten ein­ge­drun­gen und hat­te Paro­len rufend auf der Büh­ne Kunst­blut ver­schüt­tet und auch meh­re­re Anwe­sen­de damit bespritzt. Durch die Akti­on wur­de nicht zuletzt deut­lich, dass Ange­hö­ri­ge der Grup­pe auch gewalt­för­mi­ge Mit­tel zum Ein­satz brin­gen und zuguns­ten ihrer Selbst­in­sze­nie­run­gen selbst davor nicht zurück­schre­cken, die­se gegen trau­ma­ti­sier­te, geflüch­te­te Kin­der, Jugend­li­che und Erwach­se­ne anzuwenden.

Zehn der an der Akti­on betei­lig­ten Iden­ti­tä­ren, neun Män­ner sowie eine Frau, muss­ten sich weni­ge Mona­te spä­ter vor Gericht ver­ant­wor­ten. Ein­bracht wur­de die Kla­ge die durch die Öster­rei­chi­sche Hochschüler_innenschaft der Uni Wien, die besag­te Ver­an­stal­tung Mit­te April auch orga­ni­siert hat­te. Sie wirft der neo­fa­schis­ti­schen Grup­pie­rung „Besitz­stö­rung“ vor. Wäh­rend ein Teil der Ange­klag­ten bereits Anfang August beim ers­ten Ter­min (10.8.2016) aus­sa­gen muss­te, wur­den beim zwei­ten Ter­min (9.11.2016) vor allem die Zeugen_innen der Ankla­ge ver­nom­men. Wei­te­re Pro­zess­ter­mi­ne wird es nicht mehr geben. Ob die ÖH den Pro­zess als Erfolg ver­bu­chen kann, ist der­zeit noch unklar, da das Urteil schrift­lich erfol­gen wird.

FPÖ, Burschenschafter und Identitäre

Ver­tre­ten wer­den die Iden­ti­tä­ren – wenig ver­wun­der­lich und auf­grund meh­re­rer Schmis­se auf der Wan­ge auch ersicht­lich – durch einen deutsch­na­tio­na­len Bur­schen­schaf­ter. Juli­an Kori­sek ist Mit­glied der schla­gen­den Bur­schen­schaft aB! Armi­nia Graz und war in der Stei­er­mark für die FPÖ aktiv. Auch sei­ne (poli­ti­sche) Kar­rie­re begann mit einer (bur­schen­schaft­li­chen) Pos­ten­scha­che­rei der FPÖ, da er einer der zahl­rei­chen begüns­tig­ten FPÖ­ler und Bur­schen­schaf­ter war, die der Olym­pe und FPÖ­ler Mar­tin Graf in das For­schungs­zen­trum Sei­bers­dorf hol­te. Der staats­na­he Betrieb wur­de gegen Ende der Regie­rungs­be­tei­li­gung der FPÖ mit zahl­rei­chen ein­schlä­gi­gen Per­so­nen besetzt und stand als „Selbst­be­die­nungs­la­den der FPÖ“ in den dar­auf fol­gen­den Jah­ren immer wie­der in der Kri­tik. Gemein­sam mit sei­nem Kol­le­gen Armin Zau­ner betreibt Kori­sek im ers­ten Bezirk eine Rechts­an­walts­kanz­lei. Nach­dem Bur­schen­schaf­ter auch sel­ten allei­ne auf­tau­chen, mag es auch wenig ver­wun­dern, dass Zau­ner Mit­glied der aB! Albia Wien und sein wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter, Wolf Rüdi­ger Grab­mayr, Mit­glied in der aB! Bru­na Sude­tia in Wien ist. Meist ist es dann auch nicht mehr weit zur FPÖ und so sitzt Zau­ner für die FPÖ auch im Bezirks­rat Währing.

Dass Kori­sek als Anwalt eigent­lich auf „Versicherungs‑, Wertpapier‑, Bank- und Kapi­tal­markt­recht“ spe­zia­li­siert ist, macht eine Ver­tre­tung im Rah­men einer „Besitz­stö­rungs­kla­ge“ nicht unbe­dingt nahe­lie­gend. Der bur­schen­schaft­li­che und FPÖ Hin­ter­grund wie­der­um lässt ver­mu­ten, dass es durch­wegs auch ideo­lo­gi­sche Über­schnei­dun­gen zwi­schen Iden­ti­tä­ren und dem Anwalt geben könn­te. Durch her­vor­ste­chen­de Ver­tei­di­gungs­stra­te­gien tat er sich den­noch nicht her­vor. Im Gegen­teil, wie­der­hol­te er Fra­gen an Zeug_innen, die vom Rich­ter bereits gestellt wor­den waren. Trotz mehr­fa­cher Hin­wei­se, dass die Zeu­gin dazu schon Stel­lung bezo­gen hät­te, ließ er sich nicht davon abbrin­gen, die­se erneut beant­wor­tet haben zu wol­len. Dar­über hin­aus kam ihm viel mehr als ein „der Tat­be­stand der Besitz­stö­rung ist nicht erfüllt“ beim zwei­ten Pro­zess­ter­min nicht über die Lip­pen. Den­noch fügt sich auch in dem Pro­zess ein wei­te­res Mal zusam­men, was offen­sicht­lich zusam­men­ge­hört: FPÖ, Bur­schen­schaf­ter und Identitäre.

Verantwortung der Medien

Dass das media­le Inter­es­se am zwei­ten Pro­zess­ter­min­ter­min deut­lich grö­ßer war als bei den unter­schied­li­chen Ver­bots­ge­setz­de­lik­ten, die in den letz­ten Wochen am Lan­des­ge­richt in Wien ver­han­delt wur­den, mag nur bedingt wun­dern. Seit gerau­mer Zeit gelingt es den Iden­ti­tä­ren, mit klei­nen Aktio­nen gro­ße media­le Auf­merk­sam­keit zu erlan­gen und sich damit auch deut­lich grö­ßer zu insze­nie­ren, als sie eigent­lich sind. Zum Gelin­gen die­ser Stra­te­gie tra­gen Journalist_innen maß­geb­lich bei, indem über jede noch so klei­ne Per­for­mance (und damit ist nicht die Stö­rung des Thea­ter­stücks gemeint) berich­ten. Anstel­le einer kri­ti­schen Berichts­er­stat­tung über Stra­te­gien, Bedeu­tung die­ser Akti­ons­for­men oder ideo­lo­gi­sche Ver­or­tung der Grup­pe steht nicht sel­ten aus­schließ­lich eine simp­le Nach­er­zäh­lung der Akti­on. Damit haben Journalist_innen den neo­fa­schis­ti­schen Iden­ti­tä­ren auch zu ihrer aktu­el­len Grö­ße (mit)verholfen.