Rein äußerlich könnte man vielleicht die Ansicht der Identitären vertreten, sie hätten den Linken und Grünen „ihre“ Aktionsformen entwendet und würden sie nun gegen ihre „Erfinder“ richten. Der Unterschied ist – von wenigen Überschneidungen abgesehen – allerdings fundamental. Fast alle „identitären“ bzw. rechtsextremen Aktionsformen haben den Zweck, Angst und Schrecken zu verbreiten und einzuschüchtern. Sie arbeiten mit sehr wirkungsmächtigen Symboliken, die zur Verstärkung oft miteinander kombiniert werden.
Identitäre am Dach des Grünen Hauses in Graz
Bei der Sargaktion der Identitären vor dem Grünen Haus waren es die Symbole Sarg (und damit Tod), Blut, Terror, die den Grünen zugeordnet wurden. Als die Identitären am 14. April 2016 die Bühne im Audimax der Universität stürmten, wo gerade das Stück „Die Schutzbefohlenen“ unter Beteiligung von Flüchtlingen aufgeführt wurde, spritzten sie Menschen mit Kunstblut an, verteilten Flugblätter mit dem Text „Multikulti tötet“ und entrollten ein Transparent mit der Inschrift “Heuchler. Unser Widerstand gegen eure Dekadenz‘‘.
Protestaktionen gegen Theateraufführungen sind vermutlich so alt wie das Theater selbst – aus dem vorigen Jahrhundert erwähnen wir nur die Proteste 1921 gegen den „Reigen“ von Arthur Schnitzler („Man schändet unsere Weiber!“) und die gegen die Uraufführung von „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard am Burgtheater im Jahr 1988. Bei beiden Stücken kam es zu teilweise sehr wilden Protesten innerhalb und außerhalb des Theaters, an denen in beiden Fällen Rechtsextreme beteiligt waren – im Fall der „Heldenplatz“-Aufführung war auch der junge Heinz-Christian Strache daran beteiligt. Möglicherweise auch ein Grund, warum Strache den angeblich „friedlichen Aktivismus“ der Identitären im Audimax lobte.
Der junge Strache bei der Burgtheater-Störaktion
Während Stücke wie „Heldenplatz“, „Reigen“, „Die Schutzbefohlenen“ oder auch „Burgtheater“ (beide von Elfriede Jelinek) Tabus und gesellschaftliche Missstände aufgreifen, richten sich die Aktionen des wütenden (rechten) Mobs immer gegen deren Thematisierung, wollen die (Zer-) Störung von solchen Stücken und deren Inhalten. Es handelt sich um zutiefst kunstfeindliche und illiberale Aktionen. Dass dabei wie im Fall der „Schutzbefohlenen“-Aufführung im Audimax Flüchtlinge auch noch verängstigt und gerempelt wurden, war vermutlich ein erwünschter Kollateraleffekt der Aktion.
Noch deutlicher wird der destruktive Charakter identitärer Aktionen am Beispiel ihrer Enthauptungs- und Terroraktionen. Im September 2014 sorgten sie am Stephansplatz mit einer nachgestellten Enthauptungsszene „bei Passanten für Entsetzen“, im Dezember 2015 verdeutlichten sie das Bild dadurch, dass sie in der Mariahilferstraße Flüchtlingshelfer durch Vermummte enthaupten ließen und die „Refugees welcome“-Klatscher auf Facebook beschuldigten, Mitschuld am Terror-Massaker von Paris zu tragen: An ihren Händen klebe das Blut von Paris. „Passanten, die sich gegen die geschmacklose Show stellten, wurden von den Rechten vertrieben.“ (Heute, 23.12.15)
Im März 2016 inszenierten die Identitären vor den Parteizentralen von Grünen und SPÖ in Wien Terroraktionen. Aus Lautsprechern wurden auf Arabisch Parolen oder Befehle geschrien, Schüsse waren zu hören, dann das Geräusch einer Explosion. Die Rechtsextremen ließen sich auf den Boden fallen, imitierten ihren Tod. Dann kam ein Statement, das Bild und Symbolik verdeutlichen sollte. Die Politik der offenen Grenzen und da vor allem SPÖ und Grüne, wären schuld an solchen Terroraktionen, an ihren Händen klebe das Blut der Opfer .
Sarg, Tod, Blut, Terror , Enthauptung – das sind die bevorzugten Symbole der Identitären bei ihren Aktionen. Damit bewegen sie sich in der Traditionslinie des klassischen Rechtsextremismus. Es sind Symbole mit höchstem Emotionsgehalt, die nicht zu Informations- und Aufklärungzwecken eingesetzt werden, sondern um Angst, Schrecken, Aggression und Destruktion zu verbreiten. „Zertanz die Toleranz“ war nicht zufällig das aggressive Motto ihrer ersten Störaktion in Österreich, mit der sie – maskiert mit Schweins- und Affenmasken – im September 2012 einen Tanz-Workshop der Caritas am Floridsdorfer Schlingermarkt störten: „Es dauerte nur drei Minuten, aber es kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor, ich hatte Angst”, schildert damals eine Frau dem „Standard“.