Wie die Betroffenen dem Standard gegenüber angaben, hatten die Täter ihre Opfer bereits bei der davor stattfindenden antirassistischen Kundgebung im Visier. Einer der Angegriffenen berichtet: „Die haben uns aufgelauert, einer von ihnen ist während der Kundgebung immer wieder durch unsere Reihen marschiert, hat sich unsere Gesichter eingeprägt, und ein anderer hat uns auch fotografiert.” Von Anfang an wurde der Angriff von AntifaschistInnnen dokumentiert. Die Tatsache, dass die Angreifer es nicht für nötig befanden, sich unkenntlich zu machen, deutet darauf hin, dass sie sich ihrer Sache sehr sicher waren.
Der organisierte, bewaffnete Überfall stellt eine neue Stufe der Radikalisierung des rechtsextremen Milieus dar, getragen von der gesellschaftlichen Stimmung und den Wahlerfolgen der FPÖ, die Rechtsextremen Rückenwind geben. Die FPÖ stellt den verlängerten Arm der Stammtische im Parlament dar und gewalttätige Rechtsextreme exekutieren deren Willen auf der Straße.
Angesichts des gesellschaftlichen Klimas fühlen sich die Angreifer anscheinend so sicher, dass ihnen das Gefühl vermittelt wird, AntifaschistInnen ohne strafrechtliche Konsequenzen angreifen zu können.
Verfassungschutzbericht über die Identitären, PDF, Seite 13
Der Fatalismus, der sich gerade bei den „besorgten Bürgern“ und deren rechtsextremem Kern breit macht, schafft eine Legitimation dafür, bei der der Zweck die Mittel heiligt. Die NeofaschistInnen der „Identitären Bewegung“ sehen sich als die letzte Generation, die dazu in der Lage sei Europa vor dem „Volkstod“ (synonym dazu auch „Überfremdung“, „Großer Austausch“, „Ethnogenozid“) zu bewahren. Deshalb verwundert es nicht, dass die Angreifenden als Schlachtruf ‚Génération identitaire’ wählten. Das herbeihalluzinierte Untergangsszenario sieht alleine sie als Retter und Krieger des Abendlands.
Die Identitären haben sich in den letzten Jahren viel Mühe gegeben, eine Fassade des gewaltlosen Aktivismus aufzubauen. Denjenigen, die sich schon länger mit der Gruppierung beschäftigen, war von Anfang an klar, dass es sich dabei nur um eine Medienstrategie handelt und auch engagierte AntifaschistInnen haben in der Vergangenheit bereits erfahren müssen, wie es um die vermeintliche Gewaltlosigkeit der Identitären steht.
Die Identitären versuchen zum wiederholten Mal, eine Täter-Opfer-Umkehr zu vorzugaukeln, indem sie von „linken Provokateuren“ sprechen. Bedauerlicherweise greifen einige Medien diese Darstellung auf.
Dieser Verzicht von Gewalt als politischem Mittel, den Identitären-Chef Martin Sellner seit Jahren gebetsmühlenartig predigt, ist spätestens seit dem Angriff am 17.1. endgültig als Maskerade entlarvt.
Martin Sellner beim Nowotny-Gedenken 2008. Damals noch um Gottfried Küssel und Felix B., die Verantwortlichen der neonazistischen Website “Alpen-Donau.info”, Bildquelle: kuesselskameraden.blogsport.eu
Denn Dominic H., Philipp H. und Fabian Rusnjak, nun wegen der Attacke bei der Polizei in Graz wegen schwerer Körperverletzung angezeigt, sind keine Mitläufer, die sich einfach so zur Demo der Identitären begeben hatten, um die Forderungen der Rechtsextremen zu unterstützen. Sie sind vielmehr Chef-Kader der Wiener Identitären und repräsentieren die Organisation somit auch nach außen.
Der Mann mit dem Teleskopschlagstock, Fabian Rusnjak, gibt sogar seinen Namen für den Verein der „Identitären Bewegung Österreich“ her.
Fabian Rusnjak mit Teleskopschlagstock
Im Vereinsregisterauszug des „Vereins zur Erhaltung der kulturellen Identität“ wird er als Kassier geführt. Neben öffentlichen Auftritten, bei denen er von Sellner als „einer der Mitbegründer der IB” vorgestellt wird, scheint er die Funktion eines „Anti-Antifa Fotografen“ einzunehmen, wobei er sich dabei nicht auf antirassistische Kundgebungen beschränkt.
Fabian Rusnjak, Kassier
Rechts im Bild: Fabian Rusnjak
Auch Phillipp H. trat beispielsweise als Redner für die „Identitäre Bewegung“ auf der von der neonazistischen „Partei des Volkes“/“Nationale Partei Österreich“ organisierten Kundgebung am 21.11.2015 in Wien auf und ist ein altgedientes Mitglied der „Identitären“ in Wien.
Philipp H., aktives Mitglied der Identitären, Quelle: recherchewien.nordost.mobi
Der in Hooligan-Manier (Gürtel als Hiebwaffe um die Hand gewickelt) auftretende Dominic H. sticht auf den zum Angriff veröffentlichten Fotos besonders hervor. Der WKO-Angestellte ist schon seit längerem bei den Identitären aktiv. So war er beispielsweise Ordner bei der Demo der Gruppe am 6.6.2015.
Dominic H.
Dominic H.
Dominic H.
Die Täter sind nicht nur führende Köpfe der „Identitären Bewegung“, manche von ihnen waren sogar maßgeblich am Aufbau dieses rechtsextremen Netzwerks beteiligt. Mit dem Angriff ihrer Kader am Sonntag haben sie ein unmissverständliches Signal nach außen gesendet: Einschüchterungen durch körperliche Angriffe können nun nicht mehr als bloße Verteidigungsmaßnahme gerechtfertigt werden, wie zum Beispiel bei den Angriffen nach der Demonstration in Wien am 6.6.2015 argumentiert wurde.
Diese Dokumentation belegt, welche Rolle drei der angezeigten Angreifer in der Gruppe einnehmen und warum die Einstufung der Identitären als aggressive rechtsextreme Gruppe in den Medien längst überfällig ist. Mittlerweile konnten anhand der umfassenden Bilddokumentation des Angriffs weitere Personen identifiziert werden. Auch diese – namentlich Maximilian M. und Richard S. – sind der Gruppe bzw. den engsten Umfeld der Identitären zuzuordnen.
P.S.: Wir gehen sehr sorgsam mit Namensnennungen um. Im Falle der Funktionäre von politischen Organisationen geht allerdings das Interesse der Öffentlichkeit an Information und Aufklärung vor. Im Übrigen gilt für alle Beteiligten bzw. Verdächtigen die Unschuldsvermutung, bis ein Gericht entschieden hat.