Man konnte schon vor einer Woche erahnen, was der Verfassungsschutz in seinem Bericht über das Jahr 2012 in die Auslage stellen würde. In der „Presse“ erschien bereits am 5.9.2013 ein Bericht, in dem die Zahl der Personen, die von Österreich aus nach Syrien in den Krieg gezogen sind, mit bis zu 40 Personen angegeben wurde: „Österreichs Staatsschutz kennt zwischen 30 und 40 Personen, die von hier aus in den Krieg gezogen sind — je nachdem, ob man bestätigte und vermutete Fälle zusammenzählt oder nicht“ (Die Presse, 5.9.13). Einige von ihnen seien in den Kämpfen getötet worden: „Wie viele, das weiß niemand.”
Der Verfassungsschutz dürfte noch einmal nachgezählt haben, denn im „Kurier“ vom 8.9. erhöhte sich die Zahl der Syrien-Kämpfer schon auf 50: „Weitere zehn sollen bei ihren Einsätzen inzwischen ums Leben gekommen sein. Eine Zahl, die aber nicht bestätigt werden kann.“ (Kurier, 8.9.13)
Ob es nun 30 oder 50 Syrien-Kämpfer sind, für welche Richtung sie im syrischen Bürgerkrieg kämpfen, ob sie wirklich alle Islamisten sind oder nicht auch welche für die von westlichen Ländern unterstützte Freie Syrische Armee kämpfen, ist offensichtlich unerheblich. Jedenfalls geben weder der vorgestellte Bericht noch die Aussendungen zur Pressekonferenz dazu etwas her. Der Verfassungsschutzbericht enthält zwar ein Spezialkapitel „Radikalisierung und Rekrutierung für den bewaffneten Jihad“, in dem die „potenziellen Gefahren rückkehrender Kämpfer“ angesprochen werden, aber viel mehr als eine unbestimmte Warnung ist den VerfassungsschützerInnen dazu nicht zu entlocken.
Dabei wäre es durchaus von Interesse, etwas mehr über die Persönlichkeitsstruktur, das soziale Umfeld oder auch die Motive von „Foreign Fighters“ zu erfahren. Spuren davon finden sich im Bericht, etwa wenn es über sie heißt: „Zum anderen kommt es zu einer Übertragung bzw. Spiegelung der selbst wahrgenommenen Diskriminierung und Marginalisierung in Europa mit der Opferrolle der Muslime in den Krisenregionen.” (S. 63)
Noch im Vorjahr enthielt der Verfassungsschutzbericht eine sanfte Warnung im Kapitel „Islam- und Muslimfeindlichkeit in Europa“ auch an die Adresse der Medien: „Der Islamdiskurs und damit die Einstellungen gegenüber Musliminnen und Muslimen in der Gesellschaft werden zu einem beträchtlichen Teil von den Medien mitbestimmt“. (Bericht 2012, S. 54)
Die Presseaussendung des Innenministeriums zum Verfassungsschutzbericht trägt den Titel: „Religiös motivierter Extremismus und Terrorismus weiterhin die größte Gefahr“. Harald Vilimsky, der Kampfbeißer der FPÖ, apportiert denn auch brav und spricht in seiner Aussendung davon, dass mindestens 50 extremistische Austro-Talibane sofort des Landes verwiesen werden müssten.
Der Rechtsextremismus – auch das war im Bericht des Vorjahres zu lesen – benutzt eine unbestimmte Angst vor dem „Islam“ für rassistische Agitation und Rekrutierung. Den diesbezüglichen Schlussfolgerungen aus dem Bericht 2012 wollen wir daher sicher nicht widersprechen – wir hätten allerdings von der Innenministerin, die bei der Präsentation des Berichts 2013 nicht anwesend war, gerne etwas mehr darüber erfahren, auch wie man jenseits polizeilicher Mittel und Warnungen die Entwicklung von jungen „Kämpfern“ eindämmen könnte.
➡️ Verfassungsschutzbericht 2013 (II): Verwirrung um Statistik
➡️ Verfassungsschutzbericht 2013 (III): Rechtsextreme Gewalt in Österreich
➡️ Verfassungsschutzbericht 2013 (IV): Seltsame Interpretationen
➡️ Verfassungsschutzbericht 2013
➡️ Verfassungsschutzbericht 2012