Die historischen und ideologischen Verbindungen des deutschnationalen Lagers in Österreich mit dem Nationalsozialismus liefern die allgemeine Erklärung. Gerade in der jüngeren Vergangenheit gab es aber auch Bewegungen und Brüche, die das Verhältnis und die Beziehungen zwischen der FPÖ als parteipolitische Repräsentanz des deutschnationalen Lagers und den Neonazis etwas genauer bestimmen lassen.
Die Volkstreue Außerparlamentarische Opposition (VAPO), die von Gottfried Küssel Mitte der 1980er-Jahre gegründet wurde, war der Versuch, mit einer sich offen zum Nationalsozialismus bekennenden militanten Organisationsstruktur eine politische Alternative zur FPÖ (und auch zur NDP des Norbert Burger) zu bilden. Viele der VAPO-Aktivisten waren zwar über Vorfeldorganisationen wie die Burschenschaften mit der FPÖ (und auch der NDP) verbunden, kritisierten aber die Positionen beider Parteien, die zu sehr mit dem „System“ verflochten seien.
Als Anfang der 1990er-Jahre die ersten Verhaftungen von VAPO-Aktivisten stattfanden (Küssel wurde Anfang 1992 in Untersuchungshaft genommen) und in den Folgejahren wegen der Briefbomben-Attentate die staatliche Repression die VAPO-Strukturen weitgehend zerschlug, schlug Franz Radl in einem Kassiber an Gottfried Küssel vor, „auf eigenständige Aktionen in Zukunft zu verzichten und sich stattdessen der FPÖ und ihren Vorfeldorganisationen anzuschließen“ (Hans Henning Scharsach, Strache im braunen Sumpf, S. 32). Die unmittelbare Wirkung des Kassibers war vermutlich sehr beschränkt – den braunen Kameraden blieb einfach kaum eine andere Wahl: Die NDP des Norbert Burger war schon 1988 wegen NS-Wiederbetätigung aufgelöst worden, die anderen, teilweise aus der VAPO hervorgegangenen Neonazi-Gruppierungen wie etwa die Volkstreue Jugendoffensive von Andreas Thierry und Franz Radl (bei deren paramilitärischen Übungen auch Strache gesichtet wurde) oder die Heimatverbundene Jugend von Sebastian Ortner alias Müllegger hatten nur regionale Bedeutung.
Strache bei paramilitärischen Übungen
Zudem erwarteten sich die Kameraden von der FPÖ, bei der 1993 einige Mandatare und Funktionäre ausgetreten waren, um das Liberale Forum zu gründen, auch am ehesten Schutz vor der politischen Verfolgung und Unterstützung. Eine Hoffnung, die zumindest für einige Jahre nicht unberechtigt war, wie die aggressive und offensive Positionierung der FPÖ in der Briefbomben-Affäre zeigte.
Sebastian Ortner (damals noch Müllegger) trat jedenfalls 1994 in die FPÖ ein und 1997 wieder aus. Warum 1997 aber schon wieder der Austritt?
Die FPÖ bereitete sich damals programmatisch auf ihren Regierungseintritt vor. Ausgerechnet der „Dobermann“ der FPÖ, der damals geschäftsführende Klubobmann Ewald Stadler, bereitete das neue Parteiprogramm mit Kampfansagen an das stramm deutschnationale Lager vor: durch ein Bekenntnis zum „wehrhaften Christentum“ und die angekündigte Streichung der Passage, in der sich die Partei der „deutschen Sprach-und Kulturgemeinschaft“ verpflichtete. Den Affront verstärkte Stadler noch, indem er in der Präambel die FPÖ als die „Hüterin und Wahrerin des Österreich-Patriotismus“ auswies. Schon lange vor dem Parteitag Ende Oktober 1997, auf dem das neue Parteiprogramm „als patriotisches Geburtstagsgeschenk für Österreich“ (Ewald Stadler) beschlossen wurde, gab es im deutschnationalen Lager heftige Debatten, massiven öffentlichen Widerstand und auch einige Austritte.
Ob Ortner und andere aus diesen Gründen die FPÖ wieder verlassen haben, können wir natürlich nur mutmaßen. Was jedenfalls noch auffällt, ist der Zeitpunkt seines Wiedereintritts 2005 — und dass die FPÖ seit dem Juni 2011 in ihrem erneuerten Parteiprogramm das Bekenntnis zur „deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft“ wieder aufgenommen hat.
➡️ FPÖ: Wer ist der nächste? (I)
➡️ FPÖ: Wer ist der nächste? (III)