So manche Sequenzen des ungeschnittenen Film-Materials sind ermüdend: etwa wenn sich Gottfried Küssel in einer politischen Schulung für seine Neonazi-Truppe versucht. Da kämpfen nicht nur die jüngsten VAPO-Kameraden in der Runde heftig mit dem Schlaf, sondern auch die, die sich das viele Jahre später ansehen.
Gottfried Küssel und Sebastian Ortner beim Stockkampf:
Im übrigen wird viel exerziert, marschiert und gekämpft. Sebastian Ortner, der damals noch Müllegger hieß, ist mitten dabei, wenn Halsstich, Kehlkopfschnitt und Nierenstich am potentiellen Feind demonstriert und geübt wird.
Sebastian Ortner ist heute Klubobmann der FPÖ im Linzer Gemeinderat. Damals war er stellvertretender Kameradschaftsführer der Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) des Gottfried Küssel in Salzburg. Das Filmmaterial zeigt ihn bei mehreren Interviews. In mäßigem Englisch beantwortet er Fragen zu seiner politischen Gesinnung und den Zielen seiner Gruppe. Gottfried Küssel im Hintergrund ist gönnerhafter Beobachter. In anderen Ausschnitten beantwortet er die Fragen des Interviewers auf Deutsch. So wie etliche andere Kameraden, die sich über ihre nationalsozialistische Gesinnung ausbreiten.
Hans Jörg Schimanek jun. schult Sebastian Ortner:
Aus dem Filmmaterial selbst lassen sich keine exakten Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der Dreharbeiten ziehen. War es 1988? Sebastian Ortner alias Müllegger behauptet, er sei 1988 aus der VAPO ausgetreten – das müsste kurz nach den Aufnahmen gewesen sein. Oder war es doch später?
Gottfried Küssel, der vor kurzem zu neun Jahren Haft (nicht rechtskräftig) im Alpen-Donau-Prozess verurteilt wurde, hat viele negative Eigenschaften. Eine aber ist lobenswert, auch wenn sie ihm selbst nicht unbedingt nützlich war: Er schreibt gerne Listen. Auch in seiner Ära als VAPO-Chef verfertigte er solche Listen.
Sebastian Ortner und der Halsstich:
Die Zeitschrift „Wiener“ veröffentlichte im Mai 1992 eine solche Liste, die Gottfried Küssel angelegt hatte: rund 900 Kontakte, darunter auch Sebastian Müllegger. Das allein sagt noch nicht viel. Eine andere Liste von Küssel nennt Müllegger als stellvertretenden Kameradschaftsführer für Salzburg, erreichbar über ein Postfach in Salzburg. Und dann gibt es noch ein Schreiben vom 4. April 1991, das Küssel mit dem Titel „Der Bereichsleiter“ und dem Gruß „Sieg und Heil“ an den Salzburger Kameradschaftsleiter Günther Reinthaler richtete. In diesem Schreiben bittet Küssel den „lieben Günther“ um eine Aktualisierung der beigelegten Kontakte aus Oberösterreich und Salzburg und um genaue Informationen, „wann und wo das Treffen am 20. April stattfinden wird“. Auch in dieser Liste wird Müllegger angeführt.
Nach den Angaben Ortners war Müllegger damals schon längst nicht mehr bei der VAPO. Durchaus möglich? Aber wo war er dann? Nach den Angaben Ortners hatte Müllegger seit 1988 keine Kontakte mehr zu Küssel. Denkbar – aber hatte er danach Kontakte zu anderen Neonazis bzw. Neonazi-Gruppen? Nach den Angaben Ortners gegenüber dem „Kurier“ hat er sich glaubhaft von seiner Vergangenheit distanziert. Wann und wie? Ist die FPÖ Linz wirklich ein glaubhafter Ort für die Resozialisierung?
Uwe Sailer, Kriminalpolizist und Datenforensiker aus Linz, hat gegen Sebastian Ortner und andere Anzeige wegen des Verdachts der NS-Wiederbetätigung erstattet. Der „Kurier“ berichtet in seiner Print-Ausgabe vom 17.4.2013, dass die Staatsanwaltschaft Linz prüft, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.
Unsere bisherige Berichterstattung zu Sebastian Ortner: