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Offene Fragen zu Sebastian Ortner

Vier Stun­den Film­ma­te­ri­al über Neo­na­zis bei Wehr­sport­übun­gen, beim Exer­zie­ren, bei Inter­views, bei poli­ti­schen „Schu­lun­gen“ durch VAPO-Chef Gott­fried Küs­sel. Ziem­lich pro­mi­nent dar­un­ter: Sebas­ti­an Mül­leg­ger ali­as Ort­ner. Ort­ner ist jetzt Klub­ob­mann der FPÖ im Lin­zer Gemein­de­rat. Gegen­über dem „Kurier“ beteu­ert Ort­ner, er sei 1988 aus der VAPO aus­ge­tre­ten und habe seit­her kei­ne Kon­tak­te zu Küs­sel. Da haben […]

17. Apr 2013

So man­che Sequen­zen des unge­schnit­te­nen Film-Mate­ri­als sind ermü­dend: etwa wenn sich Gott­fried Küs­sel in einer poli­ti­schen Schu­lung für sei­ne Neo­na­zi-Trup­pe ver­sucht. Da kämp­fen nicht nur die jüngs­ten VAPO-Kame­ra­den in der Run­de hef­tig mit dem Schlaf, son­dern auch die, die sich das vie­le Jah­re spä­ter ansehen.

Gott­fried Küs­sel und Sebas­ti­an Ort­ner beim Stockkampf:

Im übri­gen wird viel exer­ziert, mar­schiert und gekämpft. Sebas­ti­an Ort­ner, der damals noch Mül­leg­ger hieß, ist mit­ten dabei, wenn Hals­stich, Kehl­kopf­schnitt und Nie­ren­stich am poten­ti­el­len Feind demons­triert und geübt wird.

Sebas­ti­an Ort­ner ist heu­te Klub­ob­mann der FPÖ im Lin­zer Gemein­de­rat. Damals war er stell­ver­tre­ten­der Kame­rad­schafts­füh­rer der Volks­treu­en Außer­par­la­men­ta­ri­schen Oppo­si­ti­on (VAPO) des Gott­fried Küs­sel in Salz­burg. Das Film­ma­te­ri­al zeigt ihn bei meh­re­ren Inter­views. In mäßi­gem Eng­lisch beant­wor­tet er Fra­gen zu sei­ner poli­ti­schen Gesin­nung und den Zie­len sei­ner Grup­pe. Gott­fried Küs­sel im Hin­ter­grund ist gön­ner­haf­ter Beob­ach­ter. In ande­ren Aus­schnit­ten beant­wor­tet er die Fra­gen des Inter­view­ers auf Deutsch. So wie etli­che ande­re Kame­ra­den, die sich über ihre natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Gesin­nung ausbreiten.

Hans-Jörg Schi­ma­nek jun. schult Sebas­ti­an Ortner:

Aus dem Film­ma­te­ri­al selbst las­sen sich kei­ne exak­ten Rück­schlüs­se auf den Zeit­punkt der Dreh­ar­bei­ten zie­hen. War es 1988? Sebas­ti­an Ort­ner ali­as Mül­leg­ger behaup­tet, er sei 1988 aus der VAPO aus­ge­tre­ten – das müss­te kurz nach den Auf­nah­men gewe­sen sein. Oder war es doch später?

Gott­fried Küs­sel, der vor kur­zem zu neun Jah­ren Haft (nicht rechts­kräf­tig) im Alpen-Donau-Pro­zess ver­ur­teilt wur­de, hat vie­le nega­ti­ve Eigen­schaf­ten. Eine aber ist lobens­wert, auch wenn sie ihm selbst nicht unbe­dingt nütz­lich war: Er schreibt ger­ne Lis­ten. Auch in sei­ner Ära als VAPO-Chef ver­fer­tig­te er sol­che Listen.

Sebas­ti­an Ort­ner und der Halsstich:

Die Zeit­schrift „Wie­ner“ ver­öf­fent­lich­te im Mai 1992 eine sol­che Lis­te, die Gott­fried Küs­sel ange­legt hat­te: rund 900 Kon­tak­te, dar­un­ter auch Sebas­ti­an Mül­leg­ger. Das allein sagt noch nicht viel. Eine ande­re Lis­te von Küs­sel nennt Mül­leg­ger als stell­ver­tre­ten­den Kame­rad­schafts­füh­rer für Salz­burg, erreich­bar über ein Post­fach in Salz­burg. Und dann gibt es noch ein Schrei­ben vom 4. April 1991, das Küs­sel mit dem Titel „Der Bereichs­lei­ter“ und dem Gruß „Sieg und Heil“ an den Salz­bur­ger Kame­rad­schafts­lei­ter Gün­ther Rein­th­a­ler rich­te­te. In die­sem Schrei­ben bit­tet Küs­sel den „lie­ben Gün­ther“ um eine Aktua­li­sie­rung der bei­geleg­ten Kon­tak­te aus Ober­ös­ter­reich und Salz­burg und um genaue Infor­ma­tio­nen, „wann und wo das Tref­fen am 20. April statt­fin­den wird“. Auch in die­ser Lis­te wird Mül­leg­ger angeführt.

Nach den Anga­ben Ort­ners war Mül­leg­ger damals schon längst nicht mehr bei der VAPO. Durch­aus mög­lich? Aber wo war er dann? Nach den Anga­ben Ort­ners hat­te Mül­leg­ger seit 1988 kei­ne Kon­tak­te mehr zu Küs­sel. Denk­bar – aber hat­te er danach Kon­tak­te zu ande­ren Neo­na­zis bzw. Neo­na­zi-Grup­pen? Nach den Anga­ben Ort­ners gegen­über dem „Kurier“ hat er sich glaub­haft von sei­ner Ver­gan­gen­heit distan­ziert. Wann und wie? Ist die FPÖ Linz wirk­lich ein glaub­haf­ter Ort für die Resozialisierung?

Uwe Sai­ler, Kri­mi­nal­po­li­zist und Daten­fo­ren­si­ker aus Linz, hat gegen Sebas­ti­an Ort­ner und ande­re Anzei­ge wegen des Ver­dachts der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung erstat­tet. Der „Kurier“ berich­tet in sei­ner Print-Aus­ga­be vom 17.4.2013, dass die Staats­an­walt­schaft Linz prüft, ob ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wird.

Unse­re bis­he­ri­ge Bericht­erstat­tung zu Sebas­ti­an Ortner:

⇒ Stoppt­die­rech­ten-Bei­trä­ge zu Sebas­ti­an Ort­ner.