Gerichtsverfahren: Der Geschmack und die Schläger

Lesezeit: 3 Minuten

Es gibt Neu­ig­kei­ten aus den Gerich­ten. Die Ver­su­che der Jus­tiz, mit straf­recht­li­chen Mit­teln Het­ze, natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Wie­der­be­tä­ti­gung und Gewalt auf­zu­ar­bei­ten, haben in die­ser Woche zu unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen geführt: Ein Urteil in Eisen­stadt, die Bestä­ti­gung eines Frei­spruchs in Graz und von dort auch ein Zwischenbericht.

Eisen­stadt

Der Ange­klag­te, der sich vor einem Schwur­ge­richt wegen Wie­der­be­tä­ti­gung, Kör­per­ver­let­zung, gefähr­li­cher Dro­hung und Nöti­gung ver­ant­wor­ten muss­te, ver­such­te es mit einem Teil­ge­ständ­nis. Er hat­te eine sei­ner Ex-Freun­din­nen immer wie­der geschla­gen und miss­han­delt , die zwei­te jeden­falls auch bedroht und sich in Fürs­ten­feld (Stmk) mehr­fach ein­schlä­gig wie­der­be­tä­tigt: „Heil Hit­ler“ auf der Stra­ße, im Auto NS-Pro­pa­gan­da­ma­te­ri­al, Bil­der mit Haken­kreuz und ein Inter­net-Pass­wort „Hitler88“. Eine ein­schlä­gi­ge beding­te Vor­stra­fe von sechs Mona­ten wur­de wider­ru­fen und der Stei­rer (24) zu acht Mona­ten unbe­dingt wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung, Kör­per­ver­let­zung, gefähr­li­cher Dro­hung und Nöti­gung ver­ur­teilt. Das Urteil ist noch nicht rechts­kräf­tig. (Quel­le: APA)

Graz (I)

Das Ober­lan­des­ge­richt Graz hat­te über die Beru­fung der Staats­an­walt­schaft gegen den Frei­spruch für den stei­ri­schen FPÖ-Chef Ger­hard Kurz­mann wegen des Vor­wurfs der Ver­het­zung (Moschee-Baba-Spiel) zu urtei­len. Die Beru­fungs­in­stanz kam zu dem wenig erhel­len­den Urteil, dass die Gren­zen des Straf­rechts durch das Moschee-Baba-Spiel nicht über­schrit­ten wor­den sei­en und die Gren­zen des guten Geschmacks nicht Gegen­stand einer straf­recht­li­chen Beur­tei­lung sei­en: Frei­spruch bestä­tigt, Beru­fung abge­wie­sen (Der Stan­dard, 14.3.2012).


Zwei Screen­shots des Moschee-Baba-Spiel

Graz (II)

Seit Mon­tag, 12.3., wird in Graz gegen acht ver­mut­li­che Neo­na­zis ver­han­delt. Aber nicht wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung, son­dern wegen des Ver­dachts der schwe­ren ver­ab­re­de­ten Kör­per­ver­let­zung. Die Nazi-Paro­len sind laut Ankla­ge zwar im unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang mit den Prü­geln geru­fen wor­den, aber die Wie­der­be­tä­ti­gung wird geson­dert ver­han­delt. Zunächst sind die ver­mut­li­chen Schlä­ger an der Rei­he, unter ihnen drei Funk­tio­nä­re des Rin­ges Frei­heit­li­cher Jugend (RFJ), alle mitt­ler­wei­le Ex-.

Die Ent­schei­dung des Gerichts, getrennt zu ver­han­deln, erschließt sich jeden­falls nach den bis­her zwei Gerichts­ta­gen nicht. Der Rich­ter fühlt sich laut „Stan­dard“ von den Ange­klag­ten „ver­schei­ßert“, die ihm alles Mög­li­che hin­ein­drü­cken wol­len. Schon am Mon­tag erzähl­ten die ers­ten bei­den Befrag­ten, dass sie nicht an der bru­ta­len Schlä­ge­rei im „Zep­pe­lin“ betei­ligt waren. Der eine will am Klo gewe­sen sein, der ande­re betrun­ken am Geh­steig vor dem Lokal. Jetzt gibt es einen wei­te­ren, Mar­kus L., der zur Tat­zeit weder am Klo noch am Geh­steig, son­dern in Sto­cker­au (NÖ) gewe­sen sein will. Auch Ste­fan J. will nicht dabei gewe­sen sein.

Die Schlä­ger waren alle in „Blood & Honour“-Shirts im Lokal auf­ge­taucht. War­um, will der Rich­ter wis­sen: „Weiß ich nicht, mir bedeu­tet das nichts“, sagt einer der Ange­klag­ten. Dann brüll­ten sie laut Ankla­ge „Heil Stra­che, Heil Hit­ler!“. Nein, das stim­me nicht, man habe „Heil Dir!“, „eine ganz gewöhn­li­che Gruß­for­mel“ gerufen.

Auch die Nazi-Sprü­che bei der zwei­ten Schlä­ge­rei, beim Public Vie­w­ing im Juni 2010 am Gra­zer Kar­me­li­ter­platz, „SA SA es artet aus“ und „SS, SS, es eska­liert!“, wer­den umin­ter­pre­tiert: „Es reimt sich ein­fach, das hat mit SS oder SA nichts zu tun“ bzw. „Ich hab‘ mir nichts Schlech­tes dabei gedacht“. Nazi-Lie­der im Lokal? Das kön­ne er sich nicht erklä­ren, sagt Richard P. grin­send. Für das Schlech­te gibt es eine ganz ande­re Erklä­rung durch die Ange­klag­ten: zwei oder mehr Unbe­kann­te, die plötz­lich auf­ge­taucht sind und mit der Schlä­ge­rei begon­nen haben; groß und mit schwar­zen Haaren.

„Heil Dir ist nicht normal”
Schlä­ger vor Gericht fühl­ten sich nicht schuldig