Österreichische Rechtsordnung: Mikl-Leitner braucht Nachhilfe

„Der Begriff „Recht­sex­trem­is­mus“ ist der öster­re­ichis­chen Recht­sor­d­nung fremd“, schreibt Innen­min­is­terin Mikl-Leit­ner in Beant­wor­tung ein­er Anfrage von Karl Öllinger. Sie ver­weist auf das Ver­bots­ge­setz, das nur einen Teil recht­sex­trem­istis­ch­er Ide­olo­gien abbildet. Auf­bauend auf diese Behaup­tung ver­weigert die Inne­m­i­nis­terin in der Folge de fac­to die Beant­wor­tung aller Fra­gen.

Grund genug, sich die Frage zu stellen, ob Mikl-Leit­ner recht hat: Ken­nt die öster­re­ichis­che Recht­sor­d­nung den Begriff „Recht­sex­trem­is­mus“ tat­säch­lich nicht? Vor­weg: Mikl-Leit­ner irrt erhe­blich. Es ist sog­ar Mikl-Leit­ners eigene Behörde, die den Begriff als Teil der öster­re­ichis­chen Recht­sor­d­nung unzweifel­haft einge­führt hat.

1. Wahlbehörde listet „rechtsextreme Aktivitäten“ auf

Als im Sep­tem­ber 1990 die recht­sex­trem­istis­che Grup­pierung „Nein zur Aus­län­der­flut“ per Beschluss der Kreiswahlbe­hörde von der Wahlteil­nahme bei den Nation­al­ratswahlen aus­geschlossen wurde (kor­rekt: der Wahlvorschlag zurück­gewiesen wurde), berief sich die Behörde von sich aus auf in einem eige­nen Punkt auf die „recht­sex­tremen Aktiv­itäten“ eines der Pro­tag­o­nis­ten der Liste (siehe Beschluss vom 13. Sep­tem­ber 1990, Z MA 62–53/N 90; Unter­punkt 4 sowie Erken­nt­nis des VfGH VfSlg. 12646; Unter­punkt 1.2.2.).

2. Verbot einer Kundgebung mit Verweis auf Rechtsextremismus durch die BPD Wien

Im Jahr 2003 unter­sagte die BPD Wien eine Ver­samm­lung gegen die Aberken­nung des Ehren­sta­tus für das Grab des NS-Fliegers Wal­ter Nowot­ny. Die dage­gen einge­brachte Beru­fung wies das Innen­min­is­teri­um unter anderen mit der Begrün­dung ab dass die Ver­samm­lung, „wie sowohl aus dem The­ma der Ver­samm­lung als auch aus den vom Beschw­erde­führer im Inter­net ange­bote­nen T‑Shirts mit einem Bild Wal­ter Nowot­nys und der Auf­schrift „Ewig lebt der Tote Taten­ruhm” deut­lich werde — offen­sichtlich der Ver­her­rlichung Nowot­nys“ diene, „der laut Ein­schätzung des Bun­de­samts für Ver­fas­sungss­chutz und Ter­ror­is­mus­bekämp­fung bei Tra­di­tionsvere­inen, Kam­er­ad­schaftsver­bän­den, recht­sex­tremen Vor­fel­dor­gan­i­sa­tio­nen und Neon­azis als nation­al­sozial­is­tis­che Kult­fig­ur gelte“ (VfSlg 17543).

3. Verfassungsgerichtshof bestätigt Vereinsauflösung der XXXX mit Verweis auf „Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts“

Im Juni 2009 ver­fügte die Bezirk­shaupt­mannschaft Bre­genz die Auflö­sung des Vere­ins „Motor­rad­fre­unde Bodensee“ mit Ver­weis, dass dieser die „Ver­bre­itung recht­sex­trem­istis­chen Gedankenguts“ fördere. Sowohl die Beru­fungs­be­hörde als auch der Ver­fas­sungs­gericht­shof bestätigten die Auflö­sung. Der VfGH dazu: „Ein Vere­in kann gemäß §29 Abs1 VerG behördlich aufgelöst wer­den, wenn er gegen Strafge­set­ze ver­stößt, seinen statuten­mäßi­gen Wirkungskreis über­schre­it­et oder über­haupt den Bedin­gun­gen seines rechtlichen Bestandes nicht mehr entspricht.

Diesen Auflö­sungs­grund sieht die belangte Behörde im vor­liegen­den Fall als gegeben, da der Vere­in „Motor­rad­fre­unde Bodensee” durch von ihm organ­isierte Ver­anstal­tun­gen, ins­beson­dere Konz­erte, die Ver­bre­itung von recht­sex­trem­istis­chem Gedankengut fördert.
Durch die Analyse der per­son­ellen Über­schnei­dun­gen zwis­chen Vere­in und den Aktivis­ten und Sym­pa­thisan­ten der „Blood & Honour”-Bewegung, deren Qual­i­fika­tion durch die Vere­ins­be­hörde zutrifft, und die nach Grün­dung des Vere­ins fort­ge­set­zte Durch­führung von Aktio­nen dieser für diese Bewe­gung typ­is­chen Ver­anstal­tun­gen ist vom Vor­liegen dieses Auflö­sungs­grun­des auszugehen.“

Das Erken­nt­nis des VfGH ist sog­ar in die Rechtssatzsamm­lung aufge­gan­gen mit dem der Min­is­terin erstaunlicher­weise unbekan­nten Recht­satz: „Keine Ver­let­zung der Vere­ins­frei­heit durch behördliche Auflö­sung eines Vere­ins wegen Über­schre­itung des statuten­mäßi­gen Wirkungs­bere­ich­es durch Förderung der Ver­bre­itung von recht­sex­trem­istis­chem Gedankengut“ (VfSlg. 19208).

Drei Beispiele, denen noch eine Rei­he ander­er Behör­denbeschei­de, aber auch (straf-)gerichtlicher Urteile ange­fügt wer­den kön­nten. Wom­it der Nach­weis erbracht ist, dass Innen­min­is­terin Mikl-Leit­ner das Par­la­ment falsch informiert und eine par­la­men­tarische Anfrage wahrheitswidrig beant­wortet hat. Bleibt die Frage zu klären, ob Frau Mikl-Leit­ner das Par­la­ment bewusst in die Irre geführt, also gel­o­gen hat. Eine Frage, die von uns, der Redak­tion von www.stopptdierechten.at , nicht zu klären sein kann. Möglicher­weise hält Min­is­terin Mikl-Leit­ner Beschei­de der ihr untergebe­nen Behör­den oder Urteile öster­re­ichis­ch­er Gerichte nicht für einen Teil der Recht­sor­d­nung. Als Akademik­erin und für die Umset­zung eines erhe­blichen Teils der öster­re­ichis­chen Recht­sor­d­nung zuständi­ge Min­is­terin wäre das wohl mehr als pein­lich. Sollte sie jedoch Nach­hil­fe benöti­gen, so kön­nte sie sich etwa auf der Seite der Öster­re­ichis­chen Rich­terIn­nen­vere­ini­gung schlau machen. Dort fände sie etwa fol­gen­den Satz: Die Recht­sor­d­nung ist die Gesamtheit der Regeln, die für das Zusam­men­leben der Men­schen in ein­er Rechts­ge­mein­schaft (z.B. Staat) gel­ten. Sie sind mit verbindlich­er Wirkung aus­ges­tat­tet, ihre Ein­hal­tung kann durch Staat­sor­gane erzwun­gen wer­den.“ Und als Erläuterung, was da alles dazu zählt, kön­nte sie als unter­ste Stufe im „Stufen­bau der Recht­sor­d­nung“ lesen: Einzelfal­l­entschei­dung Ver­wal­tung: Bescheid /Gericht: Urteil, Beschluss“.