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Österreichische Rechtsordnung: Mikl-Leitner braucht Nachhilfe

„Der Begriff „Rechts­extre­mis­mus“ ist der öster­rei­chi­schen Rechts­ord­nung fremd“, schreibt Innen­mi­nis­te­rin Mikl-Lei­t­­ner in Beant­wor­tung einer Anfra­ge von Karl Öllin­ger. Sie ver­weist auf das Ver­bots­ge­setz, das nur einen Teil rechts­extre­mis­ti­scher Ideo­lo­gien abbil­det. Auf­bau­end auf die­se Behaup­tung ver­wei­gert die Inne­mi­nis­te­rin in der Fol­ge de fac­to die Beant­wor­tung aller Fra­gen. Grund genug, sich die Fra­ge zu stel­len, ob Mikl-Leitner […]

27. Jan 2012

Grund genug, sich die Fra­ge zu stel­len, ob Mikl-Leit­ner recht hat: Kennt die öster­rei­chi­sche Rechts­ord­nung den Begriff „Rechts­extre­mis­mus“ tat­säch­lich nicht? Vor­weg: Mikl-Leit­ner irrt erheb­lich. Es ist sogar Mikl-Leit­ners eige­ne Behör­de, die den Begriff als Teil der öster­rei­chi­schen Rechts­ord­nung unzwei­fel­haft ein­ge­führt hat.

1. Wahlbehörde listet „rechtsextreme Aktivitäten“ auf

Als im Sep­tem­ber 1990 die rechts­extre­mis­ti­sche Grup­pie­rung „Nein zur Aus­län­der­flut“ per Beschluss der Kreis­wahl­be­hör­de von der Wahl­teil­nah­me bei den Natio­nal­rats­wah­len aus­ge­schlos­sen wur­de (kor­rekt: der Wahl­vor­schlag zurück­ge­wie­sen wur­de), berief sich die Behör­de von sich aus auf in einem eige­nen Punkt auf die „rechts­extre­men Akti­vi­tä­ten“ eines der Prot­ago­nis­ten der Lis­te (sie­he Beschluss vom 13. Sep­tem­ber 1990, Z MA 62–53/N 90; Unter­punkt 4 sowie Erkennt­nis des VfGH VfSlg. 12646; Unter­punkt 1.2.2.).

2. Verbot einer Kundgebung mit Verweis auf Rechtsextremismus durch die BPD Wien

Im Jahr 2003 unter­sag­te die BPD Wien eine Ver­samm­lung gegen die Aberken­nung des Ehren­sta­tus für das Grab des NS-Flie­gers Wal­ter Nowot­ny. Die dage­gen ein­ge­brach­te Beru­fung wies das Innen­mi­nis­te­ri­um unter ande­ren mit der Begrün­dung ab dass die Ver­samm­lung, „wie sowohl aus dem The­ma der Ver­samm­lung als auch aus den vom Beschwer­de­füh­rer im Inter­net ange­bo­te­nen T‑Shirts mit einem Bild Wal­ter Nowot­nys und der Auf­schrift „Ewig lebt der Tote Taten­ruhm” deut­lich wer­de — offen­sicht­lich der Ver­herr­li­chung Nowot­nys“ die­ne, „der laut Ein­schät­zung des Bun­des­amts für Ver­fas­sungs­schutz und Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung bei Tra­di­ti­ons­ver­ei­nen, Kame­rad­schafts­ver­bän­den, rechts­extre­men Vor­feld­or­ga­ni­sa­tio­nen und Neo­na­zis als natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Kult­fi­gur gel­te“ (VfSlg 17543).

3. Verfassungsgerichtshof bestätigt Vereinsauflösung der XXXX mit Verweis auf „Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts“

Im Juni 2009 ver­füg­te die Bezirks­haupt­mann­schaft Bre­genz die Auf­lö­sung des Ver­eins „Motor­rad­freun­de Boden­see“ mit Ver­weis, dass die­ser die „Ver­brei­tung rechts­extre­mis­ti­schen Gedan­ken­guts“ för­de­re. Sowohl die Beru­fungs­be­hör­de als auch der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof bestä­tig­ten die Auf­lö­sung. Der VfGH dazu: „Ein Ver­ein kann gemäß §29 Abs1 VerG behörd­lich auf­ge­löst wer­den, wenn er gegen Straf­ge­set­ze ver­stößt, sei­nen sta­tu­ten­mä­ßi­gen Wir­kungs­kreis über­schrei­tet oder über­haupt den Bedin­gun­gen sei­nes recht­li­chen Bestan­des nicht mehr entspricht.

Die­sen Auf­lö­sungs­grund sieht die belang­te Behör­de im vor­lie­gen­den Fall als gege­ben, da der Ver­ein „Motor­rad­freun­de Boden­see” durch von ihm orga­ni­sier­te Ver­an­stal­tun­gen, ins­be­son­de­re Kon­zer­te, die Ver­brei­tung von rechts­extre­mis­ti­schem Gedan­ken­gut fördert.
Durch die Ana­ly­se der per­so­nel­len Über­schnei­dun­gen zwi­schen Ver­ein und den Akti­vis­ten und Sym­pa­thi­san­ten der „Blood & Honour”-Bewegung, deren Qua­li­fi­ka­ti­on durch die Ver­eins­be­hör­de zutrifft, und die nach Grün­dung des Ver­eins fort­ge­setz­te Durch­füh­rung von Aktio­nen die­ser für die­se Bewe­gung typi­schen Ver­an­stal­tun­gen ist vom Vor­lie­gen die­ses Auf­lö­sungs­grun­des auszugehen.“

Das Erkennt­nis des VfGH ist sogar in die Rechts­satz­samm­lung auf­ge­gan­gen mit dem der Minis­te­rin erstaun­li­cher­wei­se unbe­kann­ten Recht­satz: „Kei­ne Ver­let­zung der Ver­eins­frei­heit durch behörd­li­che Auf­lö­sung eines Ver­eins wegen Über­schrei­tung des sta­tu­ten­mä­ßi­gen Wir­kungs­be­rei­ches durch För­de­rung der Ver­brei­tung von rechts­extre­mis­ti­schem Gedan­ken­gut“ (VfSlg. 19208).

Drei Bei­spie­le, denen noch eine Rei­he ande­rer Behör­den­be­schei­de, aber auch (straf-)gerichtlicher Urtei­le ange­fügt wer­den könn­ten. Womit der Nach­weis erbracht ist, dass Innen­mi­nis­te­rin Mikl-Leit­ner das Par­la­ment falsch infor­miert und eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge wahr­heits­wid­rig beant­wor­tet hat. Bleibt die Fra­ge zu klä­ren, ob Frau Mikl-Leit­ner das Par­la­ment bewusst in die Irre geführt, also gelo­gen hat. Eine Fra­ge, die von uns, der Redak­ti­on von www.stopptdierechten.at , nicht zu klä­ren sein kann. Mög­li­cher­wei­se hält Minis­te­rin Mikl-Leit­ner Beschei­de der ihr unter­ge­be­nen Behör­den oder Urtei­le öster­rei­chi­scher Gerich­te nicht für einen Teil der Rechts­ord­nung. Als Aka­de­mi­ke­rin und für die Umset­zung eines erheb­li­chen Teils der öster­rei­chi­schen Rechts­ord­nung zustän­di­ge Minis­te­rin wäre das wohl mehr als pein­lich. Soll­te sie jedoch Nach­hil­fe benö­ti­gen, so könn­te sie sich etwa auf der Sei­te der Öster­rei­chi­schen Rich­te­rIn­nen­ver­ei­ni­gung schlau machen. Dort fän­de sie etwa fol­gen­den Satz: Die Rechts­ord­nung ist die Gesamt­heit der Regeln, die für das Zusam­men­le­ben der Men­schen in einer Rechts­ge­mein­schaft (z.B. Staat) gel­ten. Sie sind mit ver­bind­li­cher Wir­kung aus­ge­stat­tet, ihre Ein­hal­tung kann durch Staats­or­ga­ne erzwun­gen wer­den.“ Und als Erläu­te­rung, was da alles dazu zählt, könn­te sie als unters­te Stu­fe im „Stu­fen­bau der Rechts­ord­nung“ lesen: Ein­zel­fall­ent­schei­dung Ver­wal­tung: Bescheid /Gericht: Urteil, Beschluss“.