NS-Wiederbetätigung: Die Woche der Justiz

Meh­re­re Ver­fah­ren zum The­ma NS-Wie­der­be­tä­ti­gung fin­den in die­ser Woche statt: ein zwei­tä­gi­ger Pro­zess gegen den Vor­sit­zen­den der NVP, gegen Chris­ti­an Hay­er in Wie­ner Neu­stadt, zwei Pro­zes­se in Feld­kirch (Vbg.), die auch NS-Wie­der­be­tä­ti­gung zum Gegen­stand haben. Über­dies gab es noch die Ein­stel­lung des Ermitt­lungs­ver­fah­rens gegen Ed Mos­chitz durch die Staats­an­walt­schaft Wie­ner Neu­stadt und eine Anzei­ge durch den Inns­bru­cker BZÖ-Obmann, der das Tiro­ler Volks­lie­der­werk der Wie­der­be­tä­ti­gung beschuldigt.

Beschul­di­gun­gen Stra­ches gegen Ed Mos­chitz geplatzt

Die Woche hat gut begon­nen: Die Staats­an­walt­schaft Wie­ner Neu­stadt hat das Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen Ed Mos­chitz, Redak­teur des ORF, wegen „Anstif­tung zur Wie­der­be­tä­ti­gung“ end­lich ein­ge­stellt. Offen ist noch der Vor­wurf der Beweis­mit­tel­fäl­schung gegen den ORF – zwei Gut­ach­ten rei­chen offen­sicht­lich noch nicht aus. Vor allem aber ist das Ermitt­lungs­ver­fah­ren gegen Heinz-Chris­ti­an Stra­che noch nicht abge­schlos­sen, der eine gan­ze Bat­te­rie von Beschul­di­gun­gen und Vor­wür­fen gegen Mos­chitz und den ORF abge­feu­ert hat­te und damit über Wochen die media­le Öffent­lich­keit beschäf­tig­te. Gegen Stra­che wird wegen des Ver­dachts der fal­schen Zeu­gen­aus­sa­ge und Ver­leum­dung ermittelt.

Der NVP-Obmann und sei­ne Torte

Chris­ti­an Hay­er, der Vor­sit­zen­de der abge­ta­kel­ten neo­na­zis­ti­schen Par­tei NVP, steht zwei Tage in Wie­ner Neu­stadt vor Gericht. Vor­ge­wor­fen wer­den ihm ein Ver­bre­chen nach dem NS-Ver­bots­ge­setz, schwe­re Sach­be­schä­di­gung und der Besitz einer ver­bo­te­nen Waffe.

Die NVP hat­te für Sonn­tag, 26.6. noch zu einem „Bun­des­par­tei­tag“ nach Nie­der­ös­ter­reich ein­ge­la­den mit der umwer­fen­den Ankün­di­gung, dass „kein Stein auf dem ande­ren blei­ben wird“ – bei der Wahl des Bun­des­vor­stan­des. Die Komi­ker­trup­pe um den „Gene­ral­se­kre­tär“ Robert Fal­ler kün­dig­te zum Abschluss des Par­tei­ta­ges ein „abschlie­ßen­des gemein­sa­mes Zusam­men­sit­zen“ an.

Die NVP dürf­te noch immer sit­zen, denn die diver­sen Web­sites der NVP schwei­gen sich wei­ter über die gewal­ti­gen Ver­än­de­run­gen aus. Ange­kün­digt waren nicht nur die Erneue­rung des Bun­des­vor­stan­des, son­dern auch ein neu­es Par­tei­pro­gramm, neue Sta­tu­ten und „eine prak­tisch völ­lig ‚neue‘ Par­tei“: „weil Öster­reich uns braucht!“

Der Job des Vor­sit­zen­den der NVP wird jeden­falls vom Geschwo­re­nen­ge­richt mit­ver­han­delt. Hay­er, des­sen Pro­zess am 27. und 28.6. statt­fin­det, wen­det die übli­che Ver­tei­di­gungs­tak­tik an: Nichts gedacht, nichts gemacht. Zu den ihm vor­ge­wor­fe­nen Hit­ler-Geburts­tags­fei­ern im Jahr 2007 und 2008 erklär­te er, das Ein­la­dungs­da­tum sei zufäl­lig gewe­sen und außer­dem habe ja auch Adolf Schärf an die­sem Tag Geburts­tag. Die Auf­schrift „88“ auf einer Tor­te, die der bereits ver­ur­teil­te Jugend­funk­tio­när mit­ge­bracht hat­te, erklär­te Chris­ti­an Hay­er mit dem Anfangs­buch­sta­ben sei­nes Nach­na­mens. Die Zitie­rung des Haken­kreuz-Lie­des von Otto­kar Kern­stock, das der schon im Jahr 1923 auf Ersu­chen der NSDAP-Orts­grup­pe Fürs­ten­feld zusam­men­ge­reimt hat­te, recht­fer­tig­te Hay­er damit, dass Kern­stock kein NSDAP-Par­tei­mit­glied gewe­sen und die Zitie­rung daher kei­ne Wie­der­be­tä­ti­gung sei. Datei­en über den Natio­nal­so­zia­lis­mus habe er rein aus Infor­ma­ti­ons­zwe­cken abge­spei­chert usw. …

Hay­er, der seit 1990 Par­tei­mit­glied der FPÖ war, hat die FPÖ ver­las­sen, als Hai­der erklär­te, er brau­che „kei­ne Deutsch­tüm­ler“ mehr. War­um er dann aus­ge­rech­net beim Hai­der-BZÖ in NÖ anheu­er­te, bevor er mit Fal­ler und Co. die NVP grün­de­te? Er kann es wohl genau so wenig erklä­ren wie das Par­tei­pro­gramm der NVP, nach dem ihn das Gericht befragte.

Das aus SS-Schu­lungs­un­ter­la­gen zusam­men­ge­stop­pel­te Pro­gramm der NVP hät­te schon längst zum Ver­bot der NVP und ihrer Akti­vi­tä­ten füh­ren müs­sen, doch die Exe­ku­ti­ve hat sich offen­sicht­lich dafür ent­schie­den, nicht die Par­tei zu ver­bie­ten, son­dern nur ein­zel­ne ihrer Funk­tio­nä­re vor Gericht zu brin­gen. Die Zeu­gen­be­fra­gung ist müh­se­lig und lang­wie­rig – zwei Zeu­gen sind gar nicht erschienen.

Eini­ge Zeu­gen belas­ten Hay­er schwer, die ande­ren sind ein­mal mehr vom Ver­lust ihres Erin­ne­rungs­ver­mö­gens schwer getrof­fen. Hay­ers Ehe­frau ist so, wie man sich die Ehe­frau eines NVP-Funk­tio­närs vor­stellt. Hit­ler-Bil­der im Arbeits­zim­mer ihres Man­nes? Habe sie nicht gese­hen, weil sie das Arbeits­zim­mer bzw. den gan­zen ers­ten Stock des Hau­ses nicht betre­te. Auch, ob am Ring ihres Man­nes ein Toten­kopf und ein Haken­kreuz ein­gra­viert sei, wis­se sie nicht. Hay­er selbst weiß es schon: Das Haken­kreuz sei so win­zig, dass es ihn nicht störe!

Ob der Pro­zess am Diens­tag, 28.6. nach den rest­li­chen Zeu­gen­ein­ver­nah­men mit einem Urteil abge­schlos­sen wer­den kann, ist wegen der Zeu­gen, die am Mon­tag nicht erschie­nen sind, noch fraglich.

Vor­arl­berg: Zwei Neonazi-Prozesse

Über die Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zes­se vor dem Lan­des­ge­richt Feld­kirch in die­ser Woche haben wir bereits berich­tet.

Inns­bruck: Wie­der­be­tä­ti­gung durch Volksliederwerk?

Der Obmann des BZÖ Inns­bruck hat Anzei­ge wegen des Ver­dachts der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung erstat­tet, weil in einer CD-Rei­he („Klin­gen­de Kost­bar­kei­ten aus Tirol“) des vom Land Tirol geför­der­ten Insti­tuts für Tiro­ler Musik­for­schung Lie­der des Kom­po­nis­ten Josef Edu­ard Plo­ner mit einem Begleit­text („klas­si­scher ide­al­ty­pi­scher Tiro­ler“) ver­öf­fent­licht wur­den, die jede kri­ti­sche Distanz zu dem Nazi-Pro­pa­gan­dis­ten Plo­ner ver­mis­sen las­sen.

Die zustän­di­ge Lan­des­rä­tin Bea­te Palf­ra­der erklär­te der Tiro­ler Tages­zei­tung dazu: „Ich möch­te nicht ver­heh­len, dass hier nicht ganz geschickt vor­ge­gan­gen wor­den ist“, stell­te sich aber hin­ter Man­fred Schnei­der, den Archiv­lei­ter des Tiro­ler Volks­lie­der­wer­kes, der nicht „dif­fa­miert“ wer­den dürfe.

Nach dem Nazi Plo­ner ist übri­gens eine Stra­ße in Lienz (Ost­ti­rol) benannt.