Scherpon war von 1955 bis 1965 Vizebürgermeister für die SPÖ. In der Nazi-Zeit aber war er SS-Hauptmann und Landrat des Kreises Amstetten. 1944 schrieb er an den Reichsstatthalter: “[D]ie Juden sollten in einem KZ ihrer Bestimmung zugeführt werden, aber so, dass es die Bevölkerung nicht sieht.“ (Österreich, 22.5.2011) Amstetten war damals auch Standort eines Nebenlagers des KZ Mauthausen.
Doch nicht nur Amstetten hat Probleme mit seinen Ehrenbürgern aus der Nazi-Zeit. An die 4.000 Gemeinden im „Großdeutschland“ der Nazis haben Hitler die Ehrenbürgerschaft verliehen, andere haben „Hitler-Eichen“ gepflanzt oder Plätze und Straßen nach ihm benannt. Wie viele Ehrenbürgerschaften für Hitler noch immer in Österreichs Gemeindechroniken schlummern, ist unbekannt. Noch weniger aufgearbeitet sind jene Fälle, wo anderen Nazi-Größen oder Lokalnazis eine Ehrenbürgerschaft verliehen oder ein Straßenname zuerkannt wurde. Während die Kommunen in Deutschland ziemlich konsequent Beschlüsse zur Aberkennung der Ehrenbürgerschaft gefasst haben, tun sich Österreichs Gemeinden damit um einiges schwerer.
Die Ehrenbürgerschaft ist die höchste Auszeichnung, die eine Gemeinde vergeben kann. Bei Jubiläen und in Chroniken werden die EhrenbürgerInnen erwähnt oder auch verschwiegen, wenn die Erinnerung unangenehm ist. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts hat nach Medienberichten schon vor Jahren ein Gutachten erstellt, wonach eine Ehrenbürgerschaft über den Tod hinaus wirksam sein und deshalb auch aberkannt werden kann. Der niederösterreichische Verfassungsdienst ist im Jahr 2008 angeblich zu einem gegenteiligen Urteil gekommen: Die Ehrenbürgerschaft erlösche mit dem Tod des Ehrenbürgers, ein Aberkennungsbeschluss sei daher nicht notwendig. Oberösterreich hat wiederum ein Gutachten, wonach ein Aberkennungsbeschluss durch die Gemeinden für „zulässig“ erklärt wurde. Der Streit erinnert an die Auseinandersetzung um die Deserteure der Deutschen Wehrmacht, wo ebenfalls lange behauptet wurde, eine formelle Rehabilitierung erübrige sich, weil die Urteile der NS-Justiz sowieso für nichtig erklärt worden seien.
Einige Gemeinden haben in den vergangenen Jahren unabhängig von Rechtsgutachten dennoch Beschlüsse gefasst und Hitler die Ehrenbürgerschaft entzogen: Rohrmoos/Untertal (Stmk) 2005, Haslach/Mühl (OÖ) im Jahr 2004, Puchenstuben (Bez. Scheibbs/NÖ) 2003 und Leibnitz (Stmk) im Jahr 1995. Waidhofen/Ybbs (NÖ), Kufstein (T) und Schalchen (OÖ) sind jene Gemeinden, von denen eine Ehrenbürgerschaft für Hitler bekannt wurde, die aber dennoch keine Beschlüsse zur Aberkennung gefasst haben.
Kramsach (T) wählte eine typisch österreichische Variante: Der Gemeinderat hat sich von der Ehrenbürgerschaft distanziert, sie aber formell nicht aufgehoben. Nach Angaben von Historikern gab es im Jahr 2005 noch ein gutes Dutzend andere Tiroler Gemeinden mit einer Ehrenbürgerschaft für Hitler. Demnach könnte es in ganz Österreich noch etliche Dutzend Gemeinden mit einer schlummernden Ehrenbürgerschaft für Hitler geben.
Dazu kommen noch in ganz Österreich jene Ehrenbürgerschaften, die anderen Nazis verliehen wurden, etwa in Mauterndorf (Sbg) Hermann Göring. Der Bürgermeister von Mauterndorf war noch im Jahr 2007 der Ansicht, eine Aberkennung sei nicht notwendig, weil die Ehrenbürgerschaft ohnehin mit dem Tod erloschen sei. Görings Familie war zeitweise Eigentümerin von Burg Mauterndorf, der Obernazi Hermann Göring galt als Förderer der Gemeinde – reiner Zufall und ohne Belang für die Haltung der Gemeinde? Bloßer Zufall ist sicher auch, dass die neonazistische AfP ihre Politische Akademien 1996 und 2001 auf Burg Mauterndorf abhielt.
Die Stadt Salzburg wiederum hat die Ehrenbürgerschaft für Josef Thorak, den Bildhauer des „Führers“ und Eduard Tratz, SS-Hauptsturmführer und Gründer des „Hauses der Natur“ bis heute nicht aufgehoben. Georg Ritter von Schönerer, das antisemitische Vorbild Hitlers, soll noch immer Ehrenbürger von Zwettl (NÖ) sein. Seine „Alldeutsche Bewegung“ forderte um 1900 Prämien für „jeden niedergemachten Juden“ – das Stadtmuseum Zwettl versucht, die „Vielschichtigkeit“ des Ehrenbürgers darzustellen. Und dann bleiben noch die ungezählten sonstigen Ehrungen über Straßen- oder Plätzenamen für Nazis oder bekannte Antisemiten, bei denen zumindest eine historische Klarstellung über Zusatztafeln angebracht wäre.
Gerhard Zeillinger, ein Historiker, schrieb 2009 einen lesenswerten Kommentar zu Josef F. und Amstetten: „Es ist in Amstetten passiert. Aber es hätte genauso gut in Bruck an der Mur, in Grieskirchen, in Landeck passieren können. Auch das Verharmlosen und Wegsehen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Siehe auch:
- vero-online.info — Gedenktafel für NS-Widerstandskämpfer in Kramsach enthüllt (Kramsach/Tirol)
- derstandard.at — Mauterndorf: Göring weiter Ehrenbürger (Mauterndorf/Salzburg)