Einige dieser Gruppen dienen aber nicht nur der Mobilisierung von Emotionen, sondern auch der besseren Organisierung von Neonazis untereinander. In den letzten Monaten waren das etwa die Gruppen „Objekt 21“, „AG Passau“ und „Sonnenstudio 88“, die – nachdem über sie berichtet wurde – ihre öffentliche oder halböffentliche Präsentation aufgaben bzw. die Zugänge sperrten.
Sonnenstudio 88
Schon beim „Aufruhr“-Versand konnte man sich die einschlägigen Shirts bestellen: vorne die Aufschrift „Sonnenstudio 88“ und hinten „Auch ohne Sonne braun“, damit auch der dümmste Nazi über diesen lustigen Witz wiehern kann.
Im Frühjahr 2010 wurde eine „Facebook“-Gruppe mit dem Titel „Sonnenstudio 88“ eingerichtet. Als Administrator fungierte ein „E‑Mani Aryan“. So wie die meisten der über 20 TeilnehmerInnen an der Gruppe kommt er aus der Gegend um Wiener Neustadt. Auffällig die Interessen bzw. „Gefällt mir“-Seiten der „Sonnenstudio“-TeilnehmerInnen: „Nationale Volkspartei“, „NPD-Die soziale Heimatpartei“, „Barbara Rosenkranz“ und natürlich „HC Strache“ dominieren. Etlichen gefällt „Jagdkommando“, eine Spezialeinheit des Österreichischen Bundesheeres, die auf Facebook mit einer nicht offiziellen Fanseite vertreten ist. Einer der User nennt als Motto „Meine Ehre heisst Treue“, ein anderer war mit seiner Bundesheer-Uniform im „Sonnenstudio 88“ präsent.
Das Forum präsentierte sich mit folgender Beschreibung:
Allgemeines
Name: Sonnenstudio 88
Kategorie: Organisationen — Interessenvereinigungen
Beschreibung: auch OHNE Sonne braun ;)
Art der Privatsphäre:
Offen: Alle Inhalte sind öffentlich zugänglich.
Es gibt diese Leute die in ferne Länder fliegen, um schwitzend in der heißen Mittagssonne rum zu liegen, Typen schwarz wie Neger, Fraun wie Afrikanerinnen, wissen die denn nicht Gesunde Bräune kommt von Innen.
Ende März 2010 ist „Sonnenstudio 88“ aus Facebook verschwunden. Die TeilnehmerInnen haben sich mittlerweile einer anderen Partei zugewandt. Nicht mehr die „Nationale Volkspartei“(NVP) , sondern die rechtsextreme „Heimatpartei Österreich“ ist jetzt ihr Favorit. Die NVP des Robert Faller dürfte spätestens seit der Verhaftung ihres Aktivisten Mario Aulabauer aus Wiener Neustadt weiter an Akzeptanz innerhalb der Neonazi-Szene verloren haben. Die „Heimatpartei Österreich“, ursprünglich eine Abspaltung der NVP in Salzburg, versucht nun den Platz zu füllen.
AG Passau
Die AG Passau war ebenfalls bis vor kurzem auf Facebook als Gruppe vertreten und entspricht einem neuen Organisierungsmuster der Neonazis, die nicht mehr über klassische Parteien, sondern über „freie Kameradschaften“ agieren. Über die „AG Passau“, die sich – damit kein Zweifel offen bleibt – selbst „aktioNSgemeinschaft passau“ nennt, fanden Neonazis aus Oberösterreich und dem süddeutschen Raum („Widerstand Süd“) zu gemeinsamen Aktionen.
Pöbeleien, Schlägereien, gemeinsame Demonstrationen (etwa in Passau und Dresden) oder Nazi-Konzerte finden immer häufiger grenzüberschreitend statt. Von österreichischer Seite waren in der AG Passau vor allem die Innviertler Neonazis und Nazi-Skins vertreten – und ein FPÖ-Gemeinderat aus Redleiten („Jürgen Redloiten“).
Objekt 21
Beziehungen, teilweise personelle Identitäten gab es auch zu einer weiteren Seite auf Facebook, dem „Objekt 21“.
„Objekt 21“ ist der Name eines im März 2010 gegründeten Freizeit- und Kulturvereins in Desselbrunn/OÖ. Der Verein, der sich in einem Bauernhof in Desselbrunn eingemietet hat, war der Treffpunkt etlicher einschlägig bekannter Neonazis, darunter Jürgen Windhofer, der als eigentlicher Betreiber gilt.
(Quelle: http://rfjwatch.wordpress.com/2010/05/17/neonazi-treff-mit-verbindungen-zu-fp-gemeinderat/ )
Windhofer hat eine mehr als fragwürdige Karriere:
2001 wurden laut Kurier bei ihm hunderte einschlägige CDs bei einer Hausdurchsuchung gefunden. Eintragungen ins Strafregister waren die Folge.
2005 erfolgte eine Verurteilung nach dem NS-Verbotsgesetz (§ 3g).
2009 wurde W. wegen der Gründung des „Kampfverbandes Oberdonau“ gemeinsam mit anderen neuerlich zu einer Haftstrafe verurteilt: 36 Monate, davon 12 Monate unbedingt. Windhofer hat gegen das – milde – Urteil berufen. Beim Prozess sagten Belastungszeugen nicht aus – offensichtlich aus Angst vor den Angeklagten.
2009 fand in Grünau/Almtal ein Nazi-Konzert statt, das als Solidaritätskonzert für W. gehandelt wurde.
Der oberösterreichische Verfassungsschutz, der noch vor kurzem behauptet hatte, dass gegen den Nazi-Verein nichts vorliegt, hat mittlerweile – nach etlichen Berichten in „Kurier“, „Österreich“ und „OÖN“ – angekündigt, gegen den Verein vorgehen zu wollen. Sicherheitsdirektor Lissl sprach beruhigend von nur „einer Hand voll“ Leuten, die in dem Objekt ein- und ausgehen.
Der Vermieter des mittlerweile mit NS-Symbolen ausgestatteten Bauernhofs ist der Vater von Stefan Ruzowitzky („Die Fälscher“), der von dem Treiben und der Einstellung der Mieter keine Ahnung hatte. Stefan Ruzowitzky macht sich Sorgen um seinen Vater, weil dieser den Mietvertrag gekündigt hat.
Quellen:
„Kurier“, „Österreich“, „OÖN“, 1.6.2010 ff)
Weitere Informationen über „Objekt 21“: rfjwatch
Vereinsregisterauszug „Objekt 21“