Lesezeit: 7 Minuten

Fichtenbauer – Anwalt des deutschen Volkes?

Peter Fich­ten­bau­er wur­de von der FPÖ für die Volks­an­walt­schaft nomi­niert. Der Anwalt und Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te der FPÖ ist tief im deutsch­na­tio­na­len Lager ver­wur­zelt, wird aber als das libe­ra­le Aus­hän­ge­schild der FPÖ gehan­delt und beschreibt sich auch selbst ger­ne so: „Man möge beach­ten, dass ich als Reprä­sen­tant eines bür­­ger­­lich-libe­ra­­len Seg­ments eine nicht unbe­deu­ten­de Rol­le in der FPÖ […]

24. Apr 2013

Ist das so? Eine Spurensuche.

Walter Nowotny, der Fliegerheld der Nazis – ein anständiger Mensch?

Fich­ten­bau­er ist Mit­glied im Ver­ein zur Pfle­ge des Gra­bes von Wal­ter Nowot­ny. Er war dort auch schon stell­ver­tre­ten­der Obmann. Heu­te sit­zen im Ver­eins­vor­stand alte Bekann­te wie etwa Ger­hard Pendl, Wal­ter Sele­dec, Hans-Jörg Jene­wein und Ger­hard Stau­din­ger. An Nowot­nys Grab am Zen­tral­fried­hof mar­schier­ten in den ver­gan­ge­nen Jah­ren Frei­heit­li­che, Rechts­extre­me und Neo­na­zis auf.


Nowot­ny-Geden­ken: Im Vor­der­grund steht Gre­gor T.; in der Mit­te in Hin­ter­grund Mar­kus P.; rechts im Hin­ter­grund (foto­gra­fie­rend): Gott­fried Küs­sel; ganz rechts: Felix B., zwei der drei (nicht rechts­kräf­tig) ver­ur­teil­ten im Alpen-Donau-Prozess

Wal­ter Nowot­ny war der Flie­ger­held der Nazis, der 1944 abge­schos­sen wur­de. Er war schon vor der Okku­pa­ti­on Öster­reichs Mit­glied der (damals ver­bo­te­nen) Hit­ler­ju­gend und deutsch­na­tio­na­ler Kor­po­rier­ter. Im Mai 1938, also weni­ge Wochen nach dem „Anschluss“ trat Nowot­ny der NSDAP bei – ein Fak­tum, das von der FPÖ noch 2011 in einem Inse­rat zur Ver­tei­di­gung Nowot­nys bestrit­ten wurde.

Von Fich­ten­bau­er, dem Mit­glied des Nowot­ny-Ver­eins, gibt es ein sehr ein­deu­ti­ges State­ment zu Wal­ter Nowot­ny: „Weil es einer links-grü­nen Mehr­heit gelun­gen ist, dage­gen Front zu machen, des­we­gen wird Novot­ny nicht zu einem unan­stän­di­gen Men­schen.“ (Stan­dard, 14.7.2007) Dem „Fal­ter“ (24.4.2013) gegen­über for­mu­liert er etwas ver­rät­selt: “Ich will nicht, dass aus poli­ti­schen All­tags­be­find­lich­kei­ten Ehren­grä­ber besei­tigt wer­den. Das ist unanständig.“

Die Aberken­nung des Ehren­grabs für den Nazi-Hel­den Nowot­ny – eine unan­stän­di­ge Alltagsbefindlichkeit?

Die „Waldmark“: deutschnationaler Sumpf!

Fich­ten­bau­er ist auch Mit­glied („Alter Herr“) der deutsch­na­tio­na­len Feri­al­ver­bin­dung „Wald­mark“, über die es bis­lang kaum doku­men­tier­tes Wis­sen gege­ben hat, weil die­se Ver­bin­dung auf Öffent­lich­keit nicht so gro­ßen Wert legt. Eine Feri­al­ver­bin­dung ist der Zusam­men­schluss von Kor­po­rier­ten an ihren Wohn­or­ten. Dass Feri­al­ver­bin­dun­gen gera­de in jenen Regio­nen des öster­rei­chi­schen Teils der Mon­ar­chie gegrün­det wur­den, die eine gemisch­te Besied­lung auf­wie­sen (Böh­men, Mäh­ren Schle­si­en), war kein Zufall, son­dern ele­men­ta­rer Bestand­teil eines deutsch­na­tio­na­len Selbst­ver­ständ­nis­ses, das ande­ren Natio­na­li­tä­ten und Spra­chen die glei­chen Rech­te ver­weh­ren woll­te (sie­he wei­ter unten!). Stolz ver­wei­sen die Wald­mär­ker in ihrer Fest­schrift auf den beson­de­ren Stel­len­wert, den das „völ­ki­sche“ Bewusst­sein in den öster­rei­chi­schen Kor­po­ra­tio­nen erlangt hat: „Ergän­zen­der­wei­se muß erwähnt wer­den, dass die im Deut­schen Reich gegrün­de­ten Feri­al­ver­bin­dun­gen natur­ge­mäß nie die­se völ­ki­sche Bedeu­tung erlang­ten wie jene in Österreich.“

Zu ihrem 100-jäh­ri­gen Bestehen im Jahr 2005 hat die Wald­mark eine Fest­schrift her­aus­ge­ge­ben: „100 Jah­re Feri­al­ver­bin­dung deut­scher Hoch­schü­ler Wald­mark 1905–2005. Festschrift“

Fest­schrif­ten wie die­se, die weit­ge­hend für Insi­der gedacht sind, ermög­li­chen einen weit­ge­hend unver­fälsch­ten Blick und damit auch Ein­sich­ten in die poli­tisch-ideo­lo­gi­sche Orientierung.

Der Deutschnationalismus

Die „Wald­mark“ ver­or­te­te sich bei ihrer Grün­dung als Teil jenes Deutsch­tums, das sich im Grenz­land (Waldmark=Waldviertel) „dem Kampf der Sla­wen um die Vor­macht­stel­lung in der Mon­ar­chie“ entgegenstellt:

Das Deutsch­tum stand damals (…) in einem har­ten Abwehr­kampf, der, was man damals frei­lich noch nicht in dem Maße erken­nen konn­te oder woll­te, ein Kampf auf Leben und Tod sein soll­te, gera­de hier im Wald­vier­tel ver­knüpft sich mit die­sem Abwehr­kampf der Name des Vor­kämp­fers Georg Rit­ter von Schö­ne­rer, den wir in die­ser Zeit nicht über­se­hen dür­fen. (zitiert aus der Fest­schrift, S.18, Fest­re­de zum 60. Stiftungsfest)

Der Deutsch­na­tio­na­lis­mus und rabia­te Anti­se­mi­tis­mus von Schö­ne­rer waren wich­ti­ge Bezugs­punk­te für die „Wald­mark“, was auch in ihrem Wahl­spruch („Ehre-Frei­heit-Vater­land – Pfle­ge echt deut­scher fro­her Kame­rad­schaft, Hebung des deut­schen Bewußt­seins“) und im Wald­mark-Lied („Deut­sche Treue, Kampf für Ehre schwö­ren wir in engem Bund (…),trot­zig wie des Wald­gaus Eichen, hält die Wald­mark fest im Sturm,Will nie wan­ken und nicht wei­chen deut­scher Art ein schüt­zend Turm“) und der Über­nah­me des Waid­ho­fe­ner Prin­zips zum Aus­druck kommt.

Der Antisemitismus

Bei den deutsch­na­tio­na­len Ver­bin­dun­gen ist ein Ori­en­tie­rungs­punkt der Umgang mit dem „Waid­ho­fe­ner Prin­zip“ , das sind jene Beschlüs­se aus den 90er-Jah­ren des 19. Jahr­hun­derts, mit denen von Bur­schen­schaf­ten und ande­ren deutsch­na­tio­na­len Ver­bin­dun­gen der Anti­se­mi­tis­mus zum Pro­gramm erklärt und Juden jede Ehre abge­spro­chen wur­de (und die von den aller­meis­ten Ver­bin­dun­gen nie for­mell zurück­ge­nom­men wurden).

In der Fest­schrift heißt es völ­lig lei­den­schafts- und kri­tik­los über die „idea­le Weltanschauung“:

Man nahm die Grund­sät­ze des ‚Waid­ho­fe­ner (Ybbs) Prin­zips‘ bezüg­lich der Genug­tu­ung auf Säbel an, arbei­te­te die Sat­zun­gen und die Haus­ord­nung nach dem Mus­ter der Wie­ner akad. B! Mol­da­via (…) aus, nahm aber die Pflicht­men­sur nicht auf.
Man woll­te einen kame­rad­schaft­li­chen Zusam­men­schluß aller jener Hoch­schü­ler des Wald­vier­tels in die Wege lei­ten, die die glei­che idea­le Welt­an­schau­ung in ihrem Her­zen tru­gen.“
(S.19)

In der Fest­schrift von 2005 kein Wort der Kri­tik, der Distanz zum Waid­ho­fe­ner Prin­zip, das bei Arthur Schnitz­ler wie­der­ge­ge­ben wird:

Jeder Sohn einer jüdi­schen Mut­ter, jeder Mensch, in des­sen Adern jüdi­sches Blut rollt, ist von Geburt aus ehr­los, jeder fei­ne­ren Regung bar. Er kann nicht unter­schei­den zwi­schen Schmut­zi­gem und Rei­nem. Er ist ein ethisch tief­stehen­des Sub­jekt. Der Ver­kehr mit einem Juden ist daher ent­eh­rend; man muss jede Gemein­schaft mit Juden ver­mei­den. Einen Juden kann man nicht belei­di­gen, ein Jude kann daher kei­ne Genug­tu­ung für erlit­te­ne Belei­di­gun­gen verlangen.“

Die Haltung zum Nationalsozialismus

Gro­ße Tei­le des deutsch­na­tio­na­len Lagers sind in den 30er-Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts umstands­los in das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Lager über­ge­wech­selt. Das ist gera­de bei Bur­schen­schaf­ten und ande­ren deutsch­na­tio­na­len Ver­bin­dun­gen deut­lich sichtbar.

Auch bei der „Wald­mark“: Hans Heinz Dum (gest. 1986) war NS-Kreis­lei­ter in Horn, zuvor schon „Ille­ga­ler“ ab 1923 und 1948 in einem Volks­ge­richts­pro­zess zu 10 Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt. Dum beschreibt die Fest­schrift 2005 als einen der „vie­len bedeu­ten­den Män­ner“, die „das schwarz-rot-gol­de­ne Wald­mär­ker­band getra­gen haben“, “aus der Poli­tik kom­mend, dann zum Dich­ter gewor­den“ (S.12). Als jun­ger „Wald­mär­ker“ durf­te Fich­ten­bau­er 1968 gemein­sam mit Dum beim Dich­ter­stein Offen­hau­sen (des­sen Ver­ein wur­de 1999 wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung behörd­lich auf­ge­löst) fei­ern und der Fest­re­de von Dum lauschen.

Ein wei­te­rer ille­ga­ler Nazi wird von einer His­to­ri­ke­rin eben­falls als „Wald­mär­ker“ aus­ge­wie­sen: Edu­ard Pern­kopf, der Schöp­fer des „Ana­to­mie-Atlas“, für den die Lei­chen hin­ge­rich­te­ter Nazi-Opfer Vor­la­ge waren. In der Fest­schrift scheint Pern­kopf aller­dings nicht auf. Absicht der Ver­fas­ser oder Irrtum?

Deut­lich wird in der Fest­schrift die mehr als ambi­va­len­te Ein­stel­lung zum Natio­nal­so­zia­lis­mus an einer ande­ren Stelle:

Als Öster­reich 1938 an das Deut­sche Reich ange­schlos­sen wur­de und die poli­ti­sche Umkehr ein­set­ze, sahen vie­le natio­na­le Ver­ei­ne end­lich das Ziel ihrer lang­jäh­ri­gen völ­ki­schen Arbeit gekom­men, auf sei­ne Volks­zu­ge­hö­rig­keit stolz sein zu dür­fen, was bei ande­ren Natio­nen damals und heu­te (!) selbst­ver­ständ­lich und unan­tast­bar war und ist. (S. 16)

Was hier in schlech­tem Deutsch beschrie­ben wird, ist die dem NS-Regime vor­her­ge­hen­de Peri­ode des Aus­tro­fa­schis­mus, in der die „Wald­mark“ so wie ande­re deutsch­na­tio­na­le und pro­na­zis­ti­sche Ver­bin­dun­gen auf­ge­löst wur­den und deren „poli­ti­sche Umkehr“ durch den Nationalsozialismus.

Die Zeit nach 1945

Auch in der Beschrei­bung der Jahr­zehn­te nach dem NS-Regime wei­sen eini­ge Beschrei­bun­gen auf klamm­heim­li­che Sym­pa­thien hin. Mit einer Sta­tu­ten­än­de­rung 1955 wur­de das hin­zu­ge­füg­te Bekennt­nis zur Repu­blik Öster­reich so beschrie­ben und begründet:

Auf Antrag wur­den dem § 2 der Sat­zun­gen ein wei­te­rer Punkt angefügt:
‚Die akad. Ver­bin­dung Wald­mark bekennt sich zu einer frei­en und unab­hän­gi­gen demo­kra­ti­schen Repu­blik Öster­reich‘ (sonst wäre die Durch­füh­rung der Hel­den­eh­rung zum bevor­ste­hen­den 50. Stf. unmög­lich gewor­den).
 (S. 44)

Wohl­ge­merkt: die augen­zwin­kern­de Begrün­dung für das Bekennt­nis zur Repu­blik Öster­reich stammt aus der Fest­schrift im Jahr 2005!

Die „Wald­mark“ küm­mer­te sich in den 60er-Jah­ren um die Unter­stüt­zung der „letz­ten deut­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen“ (das waren zu die­ser Zeit nur mehr eini­ge schwerst­be­las­te­te Nazis wie Wal­ter Reder), betrieb die Unter­stüt­zung „deut­scher Kul­tur­ver­ei­ne“ wie z.B. des Dich­ter­steins Offen­hau­sen und nahm laut Fest­schrift in den 90er-Jah­ren dann des öfte­ren an den Sonn­wend­fei­ern der rechts­extre­men Öster­rei­chi­schen Lands­mann­schaft teil.

In der gesam­ten Fest­schrift der „Wald­mark“ fin­det sich nicht der lei­ses­te Hauch von kri­ti­scher Refle­xi­on – ganz zu schwei­gen von einer Distan­zie­rung von den Nazi-Mitgliedern.

Teil des Problems FPÖ

Peter Fich­ten­bau­er, der sich ger­ne als „Libe­ra­ler“ in der FPÖ fei­ern lässt, ist nicht für die Fest­schrift der „Wald­mark“ ver­ant­wort­lich. Er ist ihr der­zeit pro­mi­nen­tes­tes Mit­glied, ein­fach ‚dabei‘ in die­ser Ver­bin­dung, so wie er ein­fach dabei ist im Ver­ein zur Pfle­ge des Gra­bes von Wal­ter Nowot­ny. Auch in der Stra­che-FPÖ ist er ein­fach dabei – und bis­lang nie durch deut­li­chen Wider­spruch zu bestimm­ten Ent­wick­lun­gen und Ten­den­zen in die­ser Par­tei auf­ge­fal­len. Im Gegen­teil – er ist ihr Aus­hän­ge­schild und damit Teil des Pro­blems FPÖ.

Fich­ten­bau­er ist sicher kein Neo­na­zi. Ver­mut­lich wür­de er sich heu­te nicht ein­mal mehr als „Deutsch­na­tio­na­ler“ bezeich­nen. Anti­se­mi­tis­mus wird er weit von sich wei­sen. Aber er hat kein Pro­blem damit, sei­nen Namen für Ver­ei­ni­gun­gen her­zu­ge­ben, denen es nicht in den Sinn kom­men will, sich vom Natio­nal­so­zia­lis­mus klar abzu­gren­zen und ihre eige­ne Geschich­te kri­tisch zu hin­ter­fra­gen. Er ist Teil eines Hin­ter­lan­des der FPÖ, das ihn stützt und das er – wenn not­wen­dig – auch durch mar­ki­ge Erklä­run­gen unterstützt.