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Rechtsextreme Todeslisten und Morddrohungen (Teil 1)

Bis vor kur­zem wur­de von den Ermitt­lungs­be­hör­den ver­brei­tet, dass die Namens­lis­te mit poli­ti­schen Gegner_innen, die bei der rechts­extre­men Prep­­per-Grup­­pe „Nord­kreuz“ gefun­den wur­de, kei­ne Todes­lis­te sei. Recher­chen erga­ben jetzt, dass die Rechts­extre­men rund 200 Lei­chen­sä­cke und Ätz­kalk bestel­len woll­ten. Das erin­nert an den „Brei­vik von Traun“, Johann Neu­mül­ler, der für die vie­len „Aus­län­der“, die er ermorden […]

2. Jul 2019

Wir haben 2011 aus­führ­lich über den „Brei­vik von Traun“ berich­tet, der am sel­ben Tag wie Anders Beh­ring Brei­vik in Nor­we­gen, aber völ­lig unab­hän­gig von ihm, einen Mas­sen­mord plan­te, jedoch an der Aus­füh­rung nach dem Mord an sei­nem rumä­ni­schen Nach­barn schei­ter­te. Die „OÖN“ schrie­ben damals:

Der Amok­schüt­ze hat­te für die Tat auch bereits selbst beschrie­be­ne Schil­der vor­be­rei­tet, die er den Lei­chen auf den Kör­per legen woll­te. Die­se tru­gen die Auf­schrift: ‚Ich kann nicht mehr Autos steh­len oder ein­bre­chen’. Es war für uns ein­fach unfass­bar”, sagen Ermitt­ler. „Unse­re Recher­chen haben erge­ben, dass der Mann weit mehr Men­schen töten woll­te, als er dann tat­säch­lich geschafft hat”, sagen die Fahn­der des Lan­des­kri­mi­nal­am­tes. „Glück­li­cher­wei­se war er aber mit sei­ner doch eher inef­fi­zi­en­ten Bewaff­nung nicht in der Lage, dies umzu­set­zen. (OÖN, 28.10.11)

Verfassungsschutzbericht 2011 zum "Breivik von Traun"
Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2011 zum „Brei­vik von Traun”

Was den bizar­ren Fall des „Brei­vik von Traun“ mit der rechts­extre­men Prep­per-Grup­pe „Nord­kreuz“ in Meck­len­burg-Vor­pom­mern ver­bin­det, sind nicht bloß die kran­ken Mord- und Bestat­tungs­phan­ta­sien, son­dern auch die lahm­ar­schi­gen Ermitt­lun­gen und die Ver­harm­lo­sungs­ver­su­che. Die Mord­at­ta­cke Neu­mül­lers war zunächst als Nach­bar­schafts­streit abge­han­delt wor­den. Erst sein Sui­zid lös­te einem Ermitt­ler kurz­fris­tig die Zun­ge. Eine öffent­li­che Auf­ar­bei­tung des Fal­les durch den Ver­fas­sungs­schutz fand aber auch danach nicht statt.

Seit dem Som­mer 2017 wis­sen deut­sche – und auch öster­rei­chi­sche – Ermitt­lungs­be­hör­den um die Bri­sanz der bei dem ter­ror­ver­däch­ti­gen Ober­leut­nant Fran­co A. gefun­de­nen Kon­takt­da­ten, die des­sen Bezie­hun­gen zu der Prep­per-Grup­pe „Nord­kreuz“ offenlegten.

Nur zur Erin­ne­rung: Fran­co A. ist jener Ober­leut­nant der Bun­des­wehr, der am Flug­ha­fen in Wien-Schwe­chat fest­ge­nom­men wur­de, als er am Tag des Bur­schi-Balls vul­go „Aka­de­mi­ker­ball der FPÖ“ 2017 sei­ne am Flug­ha­fen-Häusl ver­steck­te Pis­to­le abho­len woll­te. Schon bei Fran­co A. sind Lis­ten auf­ge­taucht, die mög­li­che Zie­le für Anschlä­ge und Angrif­fe gegen lin­ke und anti­fa­schis­ti­sche Per­so­nen und Orga­ni­sa­tio­nen ent­hal­ten haben sollen.

In den ers­ten fun­dier­ten Berich­ten über die rechts­extre­me „Nordkreuz“-Gruppe wur­den „sei­ten­wei­se Namens­lis­ten“, „mehr als 5.000 Namen (…) öffent­li­che Funk­ti­ons­trä­ger, Jour­na­lis­ten, und etwa hun­dert Poli­ti­ker“ (Ostsee-Zeitung,15.9.17) erwähnt:

Doch anders als im Fall Fran­co A.sind es kei­ne ein­deu­tig zu iden­ti­fi­zie­ren­den Todes­lis­ten. Alle Quel­len sind offen zugäng­lich. Kein Gal­gen, kein Datum, kei­ne ver­rä­te­ri­sche Rand­no­tiz ziert die Namen.“ (Ostsee-Zeitung,15.9.17)

Mitt­ler­wei­le aber, nach zwei Jah­ren Ermitt­lun­gen, scheint klar, dass die rechts­extre­men Prep­per aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern nicht nur irgend­wel­che unbe­stimm­ba­ren Lis­ten führ­ten, son­dern auch sol­che, die direk­te Todes­dro­hun­gen ent­hiel­ten. Von 29 Betrof­fe­nen ist da die Rede, für die schon im Herbst das Bun­des­kri­mi­nal­amt (BKA) die Emp­feh­lung aus­ge­spro­chen hat­te, sie ent­spre­chend zu „sen­si­bi­li­se­ren“. Die­se „Sen­si­bi­li­sie­rung“ ist im Fall „Nord­kreuz“ offen­sicht­lich erst nach Recher­chen von Medi­en zwei Jah­re nach Ent­de­ckung der rechts­extre­men Grup­pe erfolgt. Zwei Jah­re lang gab es kei­ne Infor­ma­ti­on für die Betroffenen!

Ob das eben­falls für den vor kur­zem ermor­de­ten CDU-Poli­ti­ker Wal­ter Lüb­cke gegol­ten hat? Des­sen Name ist auch auf einer Lis­te des NSU gestan­den, die 2011 bei den Nazi-Ter­ro­ris­ten gefun­den wur­de, „10.000 Namen von Per­so­nen und Objek­ten“ (spiegel.de, 21.6.19) ent­hielt, aber schon 2005 ange­legt wor­den sein soll. Die Funk­ti­on die­ser Lis­te blieb bis heu­te weit­ge­hend unge­klärt, obwohl immer wie­der Ver­mu­tun­gen auf­tauch­ten, dass wei­te­re rechts­extre­me Mor­de auf das Kon­to des NSU gingen.

NSU-Liste (zeitonline.de) https://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-11/rechtsextremismus-cd-politiker
NSU-Lis­te (zeitonline.de)

Im Fall der NSU-Lis­ten wur­de 2011 ver­spro­chen, die Per­so­nen auf der Lis­te zu kon­tak­tie­ren. Ob es auch gesche­hen ist? Die öster­rei­chi­schen Per­so­nen, deren Namen auf einer deut­schen Droh­lis­te Anfang 2019 auf­ge­taucht sind, wur­den jeden­falls nicht von den (öster­rei­chi­schen) Behör­den infor­miert. Das haben wir erfah­ren, als wir die Betrof­fe­nen kontaktierten.

➡️ Todes­lis­ten, Anschlags­plä­ne und ein Mord (Teil 2)

Doku "Die Todesliste des NSU" (ZDF) https://www.zdf.de/nachrichten/heute/zdf-zoom-doku-zu-nsu-100.html
Doku „Die Todes­lis­te des NSU” (ZDF zoom)
Todesliste NSU (ZDF) https://www.zdf.de/nachrichten/heute/zdf-zoom-doku-zu-nsu-100.html
Todes­lis­te NSU (ZDF zoom)
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