Die Grüne Abgeordnete Agnes Sirkka-Prammer stellte in einer Anfrage zu „Anhaltungen in Schubhaft, Überprüfung von Anhaltezentren und durchgeführte Abschiebungen 2024“ auch zwei Fragen, in denen sie mit Verweis auf durch Karner nicht beantwortete Fragen schrieb:
Hinsichtlich des Verweises in der Anfragebeantwortung zu 15846/AB, wonach entsprechende ‚Statistiken‘ nicht geführt werden, wird darauf hingewiesen, dass diese Frage nicht mittels einer Statistik zu beantworten ist. Es wird daher um eine inhaltliche Beantwortung dieser Frage ersucht.
Wie antwortete Karner? „Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.“
Dieselbe Formulierung findet sich ebenfalls in der Beantwortung jener Anfrage der Grünen, in der es um den Sprengstoffexperten A.K. ging, der mit dem mutmaßlichen Anführer der rechtsterroristischen Gruppe „Sächsische Separatisten“ Kontakt gepflegt hatte – mehr noch: ihm einen Schalldämpfer abgekauft, mit ihm über die Testung von Beschussplatten (Einlagen in Schutzwesten) gesprochen und ihm möglicherweise den Besuch eines Sprengkurses ermöglicht haben soll.
A.K., langjähriger Freund der Familie Schimanek, hat nicht nur in seinen Jugendjahren bereits eine einschlägige Vergangenheit aufzuweisen, sondern tauchte auch als Adressat auch in jenen E‑Mails auf, die schließlich zur Auflösung des Dienstvertrags von René Schimanek als Büroleiter von Walter Rosenkranz geführt hatten. Umso überraschender scheint es, dass ausgerechnet K. in einem Register des Innenministeriums von empfohlenen Lehrgangsleitern für Sprengkurse aufscheint.
Keine gesetzliche Grundlage für Statistiken zu Waffenfunden bei Neonazis?
Die Grünen richteten daher eine Anfrage an Innenminister Karner, die weitgehend durch Nicht-Antworten glänzt: „fällt nicht in den Vollzugsbereich des Innenministeriums“ (4x), „muss von einer Beantwortung Abstand genommen werden“, „Entsprechende Informationen liegen nicht vor.“ Und als Highlight auf die Frage nach dem Umfang der Waffenfunde im rechtsextremen Milieu in den letzten fünf Jahren antwortet Karner: „Da keine gesetzliche Grundlage dafür besteht, werden entsprechende Statistiken nicht geführt.“
Der Innenminister behauptet also, sein Ministerium habe keinen Überblick über ein Phänomen, zu dem der Verfassungsschutz schreibt: „Im Bereich der ‚Alten Rechten‘ kam es zu konspirativen Vernetzungen im Untergrund und zu einem Anstieg gezielter, politisch motivierter Gewalt. Durch den illegalen und legalen Besitz einer großen Anzahl an Waffen zeigt sich das Gewaltpotenzial als erhöht.“ Auch bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts 2024 war der Zugang zu Waffen im rechtsextremen Milieu Thema.
Wie kommt nun aber der Verfassungsschutz zu einer Gefahreneinschätzung und zur Formulierung von Handlungsbedarf, wenn der fachzuständige Minister behauptet, nicht einmal über den Umfang von bei Rechtsextremen sichergestellten Waffen einen Überblick zu haben? Wird der Verfassungsschutz von Vermutungen, Bauchgefühl, „Daumen mal Pi”-Schätzungen angetrieben, oder agiert er im völligen Blindflug?
Kurze Debatte im Nationalrat
Auch im Nationalrat mochte Innenminister Karner im Rahmen einer „kurzen Debatte“, die die Grünen am 27. Mai zur Anfrage/nicht/beantwortung verlangt hatten, keine Auskunft geben. Fast um belegen, wie sehr er das Recht auf seriöse Antworten missachtet, hob er zwar hervor, wie wichtig das parlamentarische Fragerecht sei, aber am eigentlichen Thema redete er konsequent vorbei.
Daher möchte ich noch einmal klarstellen und zum Schluss auch festhalten: Unsere Polizei, das Innenministerium kämpft gegen jede Form des Extremismus, egal ob von rechts, von Islamisten oder von links. Das ist unsere Aufgabe, das ist unser Job, das ist unsere Verantwortung und das tun wir nachhaltig und konsequent. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Ein Mann, ein Wort!) (Karner laut stenographisches Protokoll, 27.5.25)
Und dann kam Herbert
Den Vogel abgeschossen hatte aber der freiheitliche Nationalrat Werner Herbert, im Brotberuf Polizist und blauer Personalvertreter. Der meldete sich am Ende der „kurzen Debatte” zu Wort und begann seine teilweise im gebrochenen Deutsch gehaltene Rede überraschenderweise damit, indem er „a klane Exkursion ins Fachwissen“ (Transkript der Rede nach dem vorliegenden Video) unternehmen wollte: „Die Bandidos sind keine rechtsradikale Gruppierung“, stellte Herbert fest. Da dürfte dem Polizisten Herbert einiges entgangen sein, denn wo „Bandidos“ und Kriminalität“ draufsteht, ist oft auch Neonazismus enthalten, wie nicht nur die jüngsten Anklagen und Verurteilungen in Österreich, sondern auch viele weitere Fälle im deutschsprachigen Raum belegen.

Herbert kam ansatzlos von den Bandidos zu Gerhard Karner:
Um hier gleich klarzustellen: Ich bin nicht der Vertreter des Herrn Innenministers, und der mich kennt, weiß, dass wir durchaus sehr ambivalente Ansichten mitunter austauschen, und ich möchte hier an dieser Stelle auch nicht den Eindruck ermitteln, ich möchte ihn da in Schutz nehmen, dazu steht er mir nicht nahe genug.
Nun mag Herbert die Bedeutung des Wortes „ambivalent“ nicht klar sein, aber jene des Wortes „ermitteln“ sollte ihm denn doch geläufig sein. Herberts Einführung diente nur, um den Grünen den Vorwurf zu machen, in der Anfrage zum Sprengstoffexperten K. eine unschuldige Person herausgefischt zu haben, denn K. sei im Akt (zur Rechtsterrorgruppe „Sächsische Separatisten“) nicht als Beschuldigter oder Verdächtiger, sondern nur als „Umfeldperson“ genannt. „Also wenn das der Zugang der Grünen zum gelebten Parlamentarismus und zum Wahrheitsfindung ist und zum, zum Ehrlichkeit im Umgang im politischen Alltag beiträgt: Na, dann gute Nacht! (…) Unglaublich eigentlich, unglaublich!“, fauchte Herbert.

„Unglaublich“ mutet eher Herberts Kenntnis des Akts an, denn außer sechs Mitgliedern der „Sächsischen Separatisten“ wurde dort keine weitere Person als beschuldigt geführt, da es sich beim Akt (wie er diversen Medien zugänglich ist) um den Stand der Ermittlungen, der zu den Razzien und Verhaftungen Anfang November 2024 geführt hatte, handelt und nicht einmal alle jene als Beschuldigte genannt werden, die dann in U‑Haft genommen wurden. Die Hausdurchsuchungen und Verhaftungen waren vielfach der Beginn von weiterreichenden Ermittlungen, und ob die im Akt genannten „Umfeldpersonen“ angeklagt werden, haben schlussendlich Staatsanwaltschaften zu entscheiden, aber nicht Werner Herbert.
Aber bei Herbert geht es noch abstruser: Weil in der Anfrage der Grünen K. als „anerkannter Sachverständiger“ genannt ist, wittert Herbert eine Schuld bei den Grünen:
Wer bestimmt Sachverständige in einem amtlichen Ermittlungsverfahren? – Das Justizministerium! Wer war die letzten fünf Jahre Justizminister, wer war‘s? (…) Alma Zadić, Ihre Kollegin! Jetzt waß i net: Is es politisches Unvermögen, oder hot ihna die Frau Zadić innerhalb vom Klubs wos gmocht, dass as do so öffentlich zu bloßstellen? Mit einer Anfrage, wo Sie vermeintlich den Innenminister treffen wollen, aber eigentlich Ihre eigene Fraktionskollegin im großen Stile, einfach hier im großen Raum, bloßstellen.
Hier irrt Herbert gleich mehrfach: Sachverständige in Ermittlungsverfahren werden von Staatsanwaltschaften und nicht vom Justizministerium bestimmt. Ob A.K. dafür jemals herangezogen wurde, ist nicht bekannt. Wenn Herbert jedoch von Gerichtssachverständigen spricht, deren Liste über das Justizministerium einsehbar ist, kann festgestellt werden: A.K. ist darin nicht zu finden. Dafür aber immer noch im Register des Innenministeriums. Hier der ehemaligen Justizministerin eine Verantwortung zuschieben zu wollen, ist gleichermaßen unsinnig wie falsch. Aber vielleicht würde Herbert dazu „ambivalent“ sagen?
P.S.: Was der Innenminister gar nicht beantworten will, vermag die „Chronologie der Waffenfunde ab Juli 2019” von „Stoppt die Rechten” wenigstens in Ansätzen zu beantworten.