Aufmerksam wurden die Behörden auf H.W. im Zuge von Ermittlungen gegen den inzwischen in Wiener Neustadt nach dem Verbotsgesetz verurteilten Volker S.. Kennengelernt hatten sich die beiden über einen Wiener Verein für mittelalterliches Fechten. Unter den verschickten Nachrichten fanden sich unter anderem Hitlerbilder, Lob auf den deutschen Panzerschützen Kurt Knispel und die Grußformel „S8“, ein Code für „Sieg heil“. Auch ein Bild aus dem Film „Schindlers Liste“ wurde verschickt, das den 1946 hingerichteten Kommandanten des KZ Płaszów Amon Göth („Schlächter von Płaszów“) zeigt, wie er vom Balkon aus auf KZ-Häftlinge schießt. Dazu W.s abartiger Kommentar: „In Wien knallt es zwischen Türken und Kurden täglich, den Balkon habe ich ja.“
Lebenskrise, lustig und naiv
In seiner Aussage verwies W. auf seine schwere Depression. Auch sein Verteidiger argumentierte, dass der Angeklagte sich in einer schweren Lebenskrise befand und die gesendeten Bilder „lustig“ fand. Diese seien zwar geschmacklos, aber der Angeklagte sei kein überzeugter Nationalsozialist. Die Tatsache, dass er sich geständig zeigte, sei ebenfalls zu berücksichtigen.
Im Laufe der Verhandlung behauptete der Angeklagte, aufgrund einer engeren Beziehung zu seinem Großvater, einem ehemaligen SS-Rottenführer, ein gewisses Interesse an der NS-Zeit zu haben, das aber rein historisch und nicht ideologisch begründet sei. Ansonsten gab W. mehrfach an, „naiv“ gewesen zu sein. Er habe als „people pleaser“ lediglich einen guten Eindruck bei seinem Chatpartner hinterlassen wollen.
Bewaffneter Kampfsport und Reenactment
W. ist sehr aktives Mitglied der „Medieval Combat“-Szene, die in einer Mischung aus bewaffnetem Kampfsport und Mittelalter-Rollenspiel („Reenactment“*) mit historischen Waffen wie Schwertern oder Äxten Kämpfe austrägt. Der Angeklagte trat bereits mehrmals in derartigen internationalen Wettkämpfen an. Durch die Befragung im Gerichtssaal stellte sich auch heraus, dass er mit seinem niederösterreichischen Chatpartner zweimal an einem Schießstand in Leoben war, was auf ein Interesse schließen lässt, das über mittelalterliche Waffen hinausgeht.
Verpasste „Party“
Von den 19 verhandelten Medien wurden von den Geschworenen schlussendlich zehn als den Straftatbestand erfüllend befunden. Dazu zählen unter anderem: die zweimalige Verwendung der Grußformel „S8“, das erwähnte Standbild aus „Schindlers Liste“, mehrmaliges Bedauern, nicht am Zweiten Weltkrieg beziehungsweise an Einsätzen der SS beteiligt gewesen zu sein (z.B. ein Bild mit der Aufschrift „SS Dagen 1943. 14–15. August I Oslo. Germanske SS Norge“ und dem Kommentar: „Fuck, die Party haben wir wohl verpasst“) und der Spruch „Happy Hitlerday“ am 20. April.
Problematische Einordnung des Massenmörders Breivik
Nicht verurteilt wurden unter anderem eine Fotomontage eines Ego-Shooter-Spiels mit dem norwegischen Rechtsterroristen und Massenmörder Anders Breivik, das Bild eines Wehrmachtssoldaten mit der Aufschrift „Hugo Boss“, Bilder mit Bezug auf Kurt Knispel oder der Spruch „Alles ok beim Rottenführer“. Bei dem Foto mit Breivik hatte der Verteidiger argumentiert, es sei keine Wiederbetätigung, da Breivik „nur“ die sozialistische Partei und Muslime gehasst habe. Diese Einordnung scheint alleine aufgrund des von Breivik veröffentlichten Manifests äußerst problematisch.
Das Urteil fiel mit sieben Monaten bedingter Haft und drei Jahren Probezeit verhältnismäßig mild aus. Der Angeklagte nahm es an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, womit es nicht rechtskräftig ist.
* „Stoppt die Rechten“ hat bereits mehrere Wiederbetätigungsprozesse gegen Personen aus der Reenactment-Szene dokumentiert.
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!