Der erste Prozess zu dieser WhatsApp-Chatgruppe fand bereits Anfang Mai statt und endete mit einem Schuldspruch samt bedingter Haft. Da hatten sich laut dem angeklagten Patrik S. fünf Personen (laut erstem Prozess waren es neun) zusammengetan, die sich zu Reenactment-Veranstaltungen in Tschechien (von Verteidigerin und Angeklagtem „Tschechei“ genannt) getroffen hatten. Schwerpunkt: Zweiter Weltkrieg und zumindest in einzelnen Ausformungen in Deutschland und Österreich verboten. Über die gesetzlichen Grundlagen in Deutschland war der 23-jährige Angeklagte informiert, zu jenen in Österreich angeblich nicht: Vom Verbotsgesetz habe er erst durch den ersten Brief von der Wiener Polizei erfahren.
Windmühle der Freundschaft
Wie lange die Gruppe gechattet hatte, war nicht zu erfahren, nur dass der Angeklagte nach einem Jahr – Ende 2018 oder Anfang 2019 – ausgestiegen sei. „Das ist mir zu umständlich geworden“, war von ihm zu hören. Er sei für die Informationen zu den Reenactment-Veranstaltungen zuständig gewesen – aus sprachlichen Gründen, gab der in Wien aufgewachsene und noch immer ansässige tschechische Staatsbürger an. Da habe er beispielsweise das Foto einer Hakenkreuzfahne und eine Fahne mit Sigrune gepostet und gefragt: „Wer will eine?“ Das sei selbstverständlich nur für Veranstaltungen gewesen. Eine Nachricht mit Herzerl, Hakenkreuz, handhebendem Emoji und dem Text, „Schicke die Windmühle der Freundschaft und Toleranz weiter an alle deine Freunde und Gruppen, in denen du bist! Wenn du 88 Windmühlen zurückbekommst, bist du ein wahrer Kamerad“, sei „passiert, tut mir leid“. Den Rest erklärte er mit „Spaß“, „Sarkasmus“ und „Witze“. Warum einzelne Namen von Gruppenteilnehmern mit dem Zusatz „SS“ versehen waren oder bei vielen Nachrichten ein Hakenkreuz ans Ende gefügt war, konnte oder wollte er ebenfalls nicht erklären. War eben so!
Die mehr als 7.000 einschlägigen Dateien, die bei ihm ebenfalls gefunden wurden, aber nicht angeklagt waren, erklärte er damit, dass es sich um automatisch aus Chats abgespeicherte Bilder handle, die er teilweise nicht einmal gesehen habe. An einiges wie eine Notiz, in der antisemitisch triefende „Judenmerkmale“ aufgelistet waren, konnte er sich nicht mehr erinnern, auch nicht an jene, wo eine „Zielperson“ beschrieben war, die mit „Untermenschen“ arbeite und „multikulti“-affin und daher nicht geeignet für die Aufnahme in eine Gruppe sei. Warum er nach der Adresse von Sebastian Kurz und Karl Nehammer gesucht habe, lautete eine Frage, die Antwort: „Wenn ich Langeweile habe, mache ich den ärgsten Blödsinn.“
Länger wurde im Prozess der im Rahmen einer Hausdurchsuchung aufgefundene Kleiderschrank des Angeklagten besprochen, wo sich auch NS-Uniformen samt entsprechenden Abzeichen befunden hatten. Die waren jedoch abgeklebt, und an der Schranktüre war ein mit 20.1.2015 datierter, äußerst seltsamer Warnhinweis mit Stoppschild angebracht. Darauf wurde gewarnt, dass sich im Kasten Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg befänden. Aber nicht zur Propaganda! Der Schrank dürfe nur in seinem Beisein geöffnet werden und: „Ich bin nicht politisch, ich bin kein Neonazi!“ Wer den Kasten aufmache, sei selber schuld, denn er müsse ihn ja nicht aufmachen.
Da kam natürlich die Frage auf, wie der zum Verbotsgesetz gar nicht informierte Bursche auf die Idee gekommen ist, eine solche Warnung und Distanzierung aufzuhängen oder ob er die nicht nach seiner ersten Einvernahme in Erahnung einer bevorstehenden Hausdurchsuchung angebracht hätte. Aber, so meinte Patrik S. beharrlich, er habe nur Leute warnen wollen. Bekräftigt wurde diese Intention dann durch die Verteidigerin, die in ihrem Schlussplädoyer meinte, es könnten ja auch Kinder vorbeikommen, da S. in einem Haushalt mit seinem kleinen Bruder lebe. Ob die eventuell vorbeikommenden Kinder mit einem derartigen Warnhinweis inklusive „Ich bin kein Neonazi“-Bekenntnis etwas anfangen hätten können, hat dann niemand nachgefragt.
Nach fast dreistündiger Beratung kamen die Geschworenen zu einem in drei der vier Anklagepunkte einstimmigen und in einem Punkt fast einstimmigen Schuldspruch. Die sechs Monate bedingt mit der Auflage einer Bewährungshilfe und bei der Beratungsstelle gegen Extremismus „Boja“ in Betreuung zu gehen, waren ein mildes Urteil, wie auch die Richterin festhielt. Es sei gerade die Grenze, bei der noch keine Eintragung ins Leumundszeugnis erfolge, daher sei die Strafe auch nicht beim Dienstgeber anzugeben. Der Angeklagte nahm das Urteil an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, daher ist der Spruch noch nicht rechtskräftig.