Am 21. Juni fand am Grazer Landesgericht die Fortsetzung des Prozesses vom April dieses Jahres statt. Es ging um Drogenherstellung und ‑verkauf, Vergewaltigung (§ 201 StGB) und sexuellen Missbrauch einer wehrlosen Person (§ 205 StGB). Der politische Aspekt ergibt sich daraus, dass der Erstangeklagte und Drogenkoch nicht nur ein sehr naher Verwandter eines sehr prominenten FPÖ-Funktionärs und ‑Mandatars ist, sondern selbst auch Mitglied der FPÖ, Parteitagsdelegierter und Burschenschafter war.
Ex-Burschenschafter, EX-FPÖ
„War“ deshalb, weil in diesem Fall beide, die FPÖ Graz und die Grazer Burschenschaft Germania, die Notleine gezogen und den Drogenkoch ausgeschlossen haben. Ob man sich damit schon alle Probleme vom Hals geschafft hat, wird erst die Zukunft weisen, denn der Drogenkoch wird noch in einem anderen Ermittlungsverfahren als Verdächtiger geführt: Da geht es um eine Firma, in der er, ein früherer Grazer FPÖ-Gemeinderat mit einem Kryptowährungs-Startup einige Euro-Millionen von Investoren in der Karibik versenkt haben sollen.
Die Staatsanwältin nahm in ihrem Schlussplädoyer darauf Bezug, dass es nicht nur wegen des Riesenlabors und der Substanz, die dort hauptsächlich von dem Ex-Burschi hergestellt wurde, starke Übereinstimmungen mit der Serie „Breaking Bad“ gibt, sondern auch wegen des Vornamens, den der pensionierte Chemielehrer aus der Serie und der Ex-Burschenschafter (fast) teilen. Eine andere Besonderheit der vom Ex-Burschenschafter gekochten Substanz Methamphetamin fand im Prozess keine Erwähnung: Die Droge wurde von den Nazis unter dem Namen „Pervitin” genutzt, um die Soldaten besser an der Front verheizen zu können.

Ausschluss der Öffentlichkeit
Was sonst noch in den Zeugenbefragungen am zweiten Verhandlungstag eine Rolle spielte, entzog sich zum Teil der Öffentlichkeit, die am ersten und zweiten Verhandlungstag zeitweise ausgeschlossen wurde. Verständlich, denn es wurde erörtert, ob eine Frau, die unter Drogen stand, bei dem angeklagten sexuellen Missbrauch zurechnungsfähig war, etwa weil sie ein Handy in der Hand hielt. Dann waren da noch Sexparties mit Drogen und die Vergewaltigung eines Mannes, dem KO-Tropfen unverdünnt eingeflößt wurden, sodass das Opfer Verätzungen im Rachenraum erlitten hat.
Letzteres wurde dem Zweitangeklagten angelastet, der die vom Ex-Burschenschafter produzierten Drogen vertickte und für den Eigenverbrauch benutzte. Es müssen große Mengen von Drogen gewesen sein, die vom Erstangeklagten in seinem Labor produziert worden sind. Im Prozess nutzte der Erstangeklagte die Gelegenheit, um Richter und Sachverständige immer wieder über die Details seines Herstellungsprozesses zu belehren. Strafmildernd wirkte sich das nicht aus. Beide Angeklagten brachten bereits Vorstrafen mit, auch deshalb waren die letzte Woche verhängten Strafen nicht am unteren Ende angesiedelt.
Die Urteile
Der Erstangeklagte wurde zwar vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs freigesprochen, kassierte aber für seine umfangreiche Drogentätigkeit fünf Jahre und den Widerruf einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten aus seiner Verurteilung im Jahr 2021 – macht also sechs Jahre Haft. Zudem wurden knapp 80.000 Euro aus Drogeneinnahmen für verfallen erklärt. Der Zweitangeklagte wurde wegen Vergewaltigung und der Drogendelikte zu vier Jahren und dem Verfall von 50.000 Euro verurteilt. Bernhard Lehofer, Anwalt des Erstangeklagten, meldete Nichtigkeit und Berufung an, der Anwalt des Zweitangeklagten nur Berufung gegen die Strafhöhe.
Update 27.11.24: Die Verurteilung ist rechtskräftig. Der Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe wurde in der Berufungsverhandlung allerdings aufgehoben (somit bleiben fünf Jahre Haft), und der für verfallen erklärte Betrag von 80.000 Euro aus seinen Drogeneinnahmen wurde verringert.
P.S: Was „Breaking Bad” übersetzt bedeutet, ist nicht ganz eindeutig. Die Möglichkeiten reichen von „Pech haben” über „aus den Konventionen ausbrechen” bis „auf die schiefe Bahn geraten”. Zum Grazer Fall passen alle Deutungen.
Danke an das Doku Service Steiermark für die Prozessbeobachtung!
➡️ derstandard.at (21.6.24): „Breaking Bad” in Graz: Verurteilungen wegen mehrfacher Drogendelikte