Wien I: Verurteilung wegen antisemitischer und NS-verherrlichender Hasspostings
Eine 27-jährige Oberösterreicherin musste sich am 29.2. am Wiener Landesgericht für ihre Instagram-Kommentare, die bei der „Meldestelle NS-Wiederbetätigung“ des Innenministeriums angezeigt wurden, verantworten. Sie hatte am 4.7.2023 einen Beitrag des Instagram-Accounts der „Zeit im Bild“, in dem es um den Einmarsch israelischer Truppen im Westjordanland ging, zunächst mit „#fuck Israel“, später in einem zweiten Kommentar mit „#Tod den Juden“ kommentiert und schließlich in einem dritten Kommentar noch nachgelegt: „Schade, dass Hitler seine Arbeit an den Juden nicht beenden konnte, er dreht sich sicher im Grab um, wenn er das hört.“
Die Angeklagte veröffentlichte ihre Ergüsse mit ihrem Klarnamen und war vor Gericht geständig. Einer Formulierung der Staatsanwaltschaft nach war sie lediglich „objektiv geständig“, denn subjektiv zeigte sie sich nicht reumütig und leugnete, dass sie den Holocaust mit ihrer Äußerung bejahen oder verharmlosen bzw. Hitler glorifizieren wollte. Der dritte Kommentar sei ihr zufolge nur eine Reaktion auf einen anderen gewesen, der dem Gericht aber nicht vorlag. Ihren zweiten Kommentar nannte sie „schlimm“ und „unbedacht“, sie hätte lieber „Zionisten“ schreiben sollen.
Worte des Bedauerns kamen der Frau nicht über die Lippen. Sie beschwerte sich allerdings darüber, dass sie anonym zur Anzeige gebracht worden sei. Sie habe aber eine Vermutung, „wer das gewesen ist“. Mit dem Urteil war sie nach Rücksprache mit ihrem Rechtsvertreter ebenso einverstanden wie die Staatsanwältin. (APA via puls24, 29.2.24)
Das rechtskräftige Urteil gegen die bisher unbescholtene Frau lautet 18 Monate bedingter Haft bei drei Jahren Bewährung.
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Wien II: Freispruch trotz NS- und Holocaust-verherrlichender Memes
Einen gänzlich anderen Ausgang hatte das Wiederbetätigungs-Verfahren gegen den 31-jährigen Manuel O. genommen, das am selben Tag und im selben Gerichtsgebäude stattfand.
Der Angeklagte hatte über mehrere Jahre (2018–2020) etliche Hitler‑, Hakenkreuz- und weitere den Nationalsozialismus verherrlichende Bilder an Einzelpersonen versendet sowie in drei WhatsApp-Gruppen gepostet (mit je 70, 100 und 392 Mitgliedern). Die größte der Gruppen trug den Namen „Hardcore Porno and Gore“ und war von dem Angeklagten selbst gegründet worden.
Unter den insgesamt 39 angeklagten Bildern waren zum Beispiel: eine Abbildung von Adolf Hitler mit einem Schornstein und dem Text „Umso größer der Jude, umso wärmer die Bude”; ein historisches Bild auf dem Menschen gerade einen Viehtransport entsteigen mit dem Text „Das war wohl zu viel des Juden”; ein historisches Foto von einem Verbrennungsofen, aus dem eine Hand hinausragt; ein historisches Foto, das Gefangene im KZ hinter einem Zaun zeigt, mit dem Text „Bitte konzentriert euch”; ein Bild von einer Rauchwolke mit dem Text „jüdisches Familienfoto“. Das Teilen des Letzteren begründete der Angeklagte vor Gericht mit „schwarzem Humor“, wobei er nicht sagen konnte, was daran lustig sei. Das konnte er bei den anderen Darstellungen ebenso wenig.
Auch im Schlussplädoyer des Verteidigers fand dieses herausragend abstoßende Bild Erwähnung: „Auch ich tue mir dabei schwer, zu finden was daran lustig ist. Aber nehmen wir mal das schlimmste Bild. Das ist nicht besonders lustig, aber es zeigt eine gewisse Kreativität.”Bezüglich dieser geschmacklosen Äußerung sei darauf hingewiesen, dass es für einen Verteidiger weder üblich noch angebracht ist, die braunen „Witze“ seines Mandanten offensiv zu verharmlosen.
Während der Einvernahme rekurrierte der Angeklagte immer wieder auf einen Harald F., mit dem er die Bilder vorwiegend ausgetauscht habe. Mehrmals suggerierte er dabei, dass die gesamte Motivation hinsichtlich der NS-„Witze“ eher bei F. gelegen hätte und dieser jetzt hier sitzen solle.
Seitens des Verteidigers wurde ins Treffen geführt, dass eine Hausdurchsuchung bei O. keine Hinweise auf eine Neonazi-Gesinnung geliefert habe und O. seit der Anklage zwei Suizidversuche unternommen habe. Seinen Job habe er aufgrund seiner psychischen Situation verloren. O.s Vater wurde als Zeuge einvernommen und sorgte für Emotionalisierung. Er weinte während der Befragung, schilderte seinen Sohn als sozial engagiert und die Familie als sozialdemokratisch. Die Taten des Sohnes bagatellisierte er als einmaliges Vergehen, obwohl der Tatzeitraum über Jahre reichte. Er negierte außerdem, dass sein Sohn einen positiven Bezug zum NS hätte und versuchte dessen Taten mit „Langeweile“ zu erklären.
Die Verteidigung von Manuel O. argumentierte insgesamt mit seinem „derben Humor” und damit, dass er zu wenig über die Gräueltaten der Nazis wisse. Ein Mangel, der im Schlussplädoyer sogar noch weitergehend zum Vorteil des Angeklagten interpretiert wurde: „Wenn er nichts weiß, kann er ja auch nicht positiv darüber nachdenken.” Auch hob die Verteidigung hervor, dass der Angeklagte die von ihm gegründete Gruppe aus eigenen Stücken verlassen habe. Im Beweisverfahren erklärte Manuel O. allerdings, er hätte die Gruppe verlassen, weil ihm die Inhalte angeblich zu krass wurden, er meinte aber nicht die NS-bezogenen, sondern: „Da waren Unfallvideos, die waren grauslich.”
Manuel O. wurde in allen 44 Anklagepunkten von den Geschworenen freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es könnte nur mehr aufgrund einer von der Staatsanwaltschaft eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde durch das Oberlandesgericht aufgehoben werden. In diesem – unwahrscheinlichen – Fall müsste der Prozess wiederholt werden.
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