Neu ist es keinesfalls, dass sich Stefan Magnet in eigener Sache an sein Publikum wendet – im Gegenteil: Das passiert regelmäßig. Neu ist ebenfalls nicht, dass es ums Ganze, um die Existenz schlechthin geht und um Vernichtung, ums Ausradieren. Diesmal war es ein Bußgeldbescheid, der Magnets seit fast drei Jahren eingeübte Dauerempörung an die Spitze trieb: nämlich jener der Landesmedienanstalt Baden-Württemberg. (1)
Der Vorwurf aus Stuttgart: AUF1 hatte ab September 2023 eine Sendelizenz von „SchwarzRotGold TV“ (SRGT) genützt, um sechs Stunden pro Tag eigene Formate via Satelliten-TV auszustrahlen. Die für die Lizenzvergabe zuständige Medienanstalt war darüber laut „taz“ (7.9.23) nicht informiert worden. Es dauerte nicht lange, bis die Prüfbehörde ein Verbot für AUF1 aussprach, über den Platz von SRGT zu senden. „Dass ’schwarz rot gold TV’ im vorliegenden Fall umfangreich Sendezeit gegen Entgelt an Dritte überlässt, erachtet die ZAK als einen Verstoß gegen das Verbot der programmlichen Einflussnahme nach dem Medienstaatsvertrag.“ (tagesschau.de, 14.11.23) Übersetzt: Der Lizenznehmer, ein Stuttgarter Hausarzt, habe AUF1 seinen Sendeplatz gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt, ohne auf die Inhalte Einfluss nehmen zu können, was gegen die Vorgaben verstoße.
Magnet kündigte einen Einspruch an und sendete trotz des Verbots weiter. Das könnte ihm nun zum doppelten Verhängnis werden. Der laut Magnet in dieser Woche eingetrudelte Bußgeldbescheid über insgesamt 195.007 Euro beziehe sich, so Magnet, nur auf den Zeitraum ab Sendestart im Satelliten-TV bis zum Verbot im November. Mit einer weiteren Bußgeldforderung für den nachfolgenden Zeitraum sei zu rechnen. (siehe Update!)
Ein Wums für AUF1
Magnet sieht hinter dem Bescheid wie üblich einen Angriff des „Systems“, das AUF1 vernichten und ausradieren wolle. Der Bescheid wird als „Horrorstrafe“ geframt, Andreas Retschitzegger, Magnets Kumpan aus alten Tagen beim neonazistischen „Bund freier Jugend“, der verbal vom „Programmchef“ zum „Generalsekretär“ avanciert ist, plaudert mit bestürzter Miene von einer „astronomischen” Summe. „Wums“, meint Retschitzegger, und der Moderator Thomas Eglinski assistiert pflichtschuldig: „Das ist wahrlich ein Wums!“ Mit „Tränen in den Augen“ habe er junge Mitarbeiterinnen angetroffen, erzählt der Generalsekretär und stilisiert in verschwörungsideologischer Geübtheit den Bescheid zum Angriff des „Great Reset“ gegen die AUF1-Aufklärungsarbeit hoch.
Allerdings wird die nun verhängte Strafe für das rechtsextreme TV-Projekt kaum „existenzbedrohend“ sein, wie Magnet behauptet, zumal die Summe, so sie überhaupt bindend ist, überschaubar ist und wohl über Spenden eingebracht werden kann – vor allem, da Magnet nicht müde wird zu betonen, AUF1 würde ein „Millionenpublikum“ (2) erreichen. Es ist zudem davon auszugehen, dass Magnet mit Geldern gefüttert wird, die über normale Spendensummen hinausgehen.
Magnet droht jedoch Ungemach auch von anderen Seiten: Die KommAustria verhängte eine Strafe, die aufgrund der nicht legalen Ausstrahlung von AUF1-Nachrichten auf dem oberösterreichischen Regionalsender RTV ausgesprochen und von Magnet beim Verwaltungsgerichtshof beeinsprucht wurde, und die ARD lässt vom Patentamt prüfen, ob Magnets Logo jenem der ARD bzw. „Das Erste“ zu ähnlich ist.
Update 7.3.24, 16h45: Der „Standard” berichtet, dass der Bußgeldbescheid nicht, wie von Magnet behauptet, an AUF1, sondern an den SRGT-Linzenzinhaber ergangen und gegen den Bescheid ein Einspruch möglich sei. Zudem dürfe die Höhe der Zahlung jener entsprechen, die AUF1 bis November 2023 an SRGT für die Ausstrahlung seines Programms entrichtet hat. Magnets aktuelle Kampagne zum Bescheid sei „ein Musterbeispiel dafür, wie Auf1 Geschichten verdreht” (derstandard.at, 7.3.24). Wir haben daher in den ursprünglichen Titel „(nicht)” eingefügt.
AUF1 in Greifswald: Tumulte inszeniert?
Eine andere AUF1-Geschichte griff das deutsche Medienmagazin ZAPP mit einer peniblen Recherche auf: Anfang Februar 2024 sei ein 80-Jähriger nach einer Bürgerschaftssitzung (3) im Rathaus von Greifswald von einer Grünen Lokalpolitikerin von der Treppe gestoßen worden, lautete der schwerwiegende Vorwurf, der via AUF1 und in Folge von anderen rechtsextremen Medien verbreitet wurde. AUF1 schreibt zwar im Teaser „stößt 80-Jährigen mutmaßlich von Treppe“, im Beitrag ist jedoch sofort von einem „Tiefpunkt der Parlamentssitzung an der Ostsee“ die Rede. Ein Mann tritt mit der Behauptung auf: „Also hier vor der Rathaustreppe hat die Frau Horn von den Grünen in Greifswald ein (sic!) 80-Jährigen von der Treppe geschubst.“ Dieser Version widerspricht die beschuldigte Grünen-Politikerin allerdings vehement: Der Mann sei ohne ihr Zutun gefallen.
Wie nun ZAPP schildert und mit Ausschnitten aus dem Sitzungslivestream belegt, sind dem bislang polizeilich nicht geklärten Sturz Tumulte vorausgegangen – ausgelöst durch Mitglieder einer im rechten Spektrum anzusiedelnden Bürgerinitiative, die sich gegen Container für Geflüchtete in Greifswald engagiert und mit offenbar guten Beziehungen zu AUF1 ausgestattet ist. Denn AUF1 war just an jenem Tag vor Ort, wurde aber wie auch die Sprecherin der Initiative nach fortwährenden Störungen aus dem Sitzungssaal geworfen.
Die Sprecherin erklärte von ZAPP befragt, sie sei Zeugin der angeblichen Treppenschubserei geworden und habe zusammen mit anderen die Rettung für den durch den Sturz „lebensgefährlich“ Verletzten gerufen. AUF1 wiederum wusste von „psychischen Beeinträchtigungen“, die der 80-Jährige durch den Sturz erlitten habe, zu berichten. Beide Versionen sind offenbar falsch: Der Gestürzte war nach dem Vorfall in keinem Krankenhaus und sprach selbst davon, nicht psychisch beeinträchtigt zu sein.
Bleibt die in ZAPP gestellte Frage offen, was von den Ereignissen im Greifswalder Rathaus für die audiovisuelle Stiefeltruppe des Rechtsextremismus bewusst inszeniert wurde.
➡️ Das Konstrukt hinter AUF1: 3x Magnet
Fußnoten
1 Von Seiten der Landesmedienanstalt ist bislang (Stand 7.3.24, 11 Uhr) keine Bestätigung zum Bescheid und dessen Rechtskraft bzw. Einspruchsmöglichkeit bekannt.
2 Freilich sagt Magnet nicht dazu, in welchem Zeitraum die „Millionen“ bei seinem Sender vorbeischauen. Die von similarweb veröffentlichte Reichweitenzahl für die AUF1-Website weist für den Jänner 1,1 Millionen „visits“ bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 4,5 Minuten aus.
3 Als „Bürgerschaft“ wird die gewählte Stadtvertretung in deutschen Hansestädten bezeichnet.