„Unter bislang ungeklärten Umständen“ sei der „Kollege Georg Immanuel Nagel“, der als „Redakteur eine tragende Säule bei den AUF1-Nachrichten“ gewesen sei, verstorben, berichtet AUF1-TV am 21. März um 15h48. Der Zeitpunkt ist wichtig, weil der Tod des rechtsextremen Publizisten in der Szene schon einen Tag zuvor Thema war (etwa in der „Blauen Narzisse“). Am 20. März vormittags hat „report24.news“ getitelt: „Erlag der bekannte Patriot der linken Hetze?“
In dieser Schlagzeile gleich mehrere Unterstellungen unterzubringen, ist eine Meisterleistung von „Willi Huber“, hat aber mit der Realität so wenig zu tun wie der angegebene Verfassername. Florian Machl alias Willi Huber hatte möglicherweise zwar schon besseres Wissen um die Todesumstände, versuchte aber trotzdem reflexartig das Framing mit der „linken Hetze“ als Todesursache. Dabei war schon seine Formulierung, wonach „noch nicht viele Details bekannt“ seien, aber der Verstorbene „tot aufgefunden“ worden sei, verräterisch.
Tags darauf, ebenfalls noch vor AUF1-TV, meldete dann auch „exxpress.at“, dass Nagel „am Wochenende tot aufgefunden“ worden sei, über die Hintergründe aber „wenig bekannt“ sei. Die Meldung unterscheidet sich zunächst wenig von der früheren von Machl und der späteren von Magnet alias AUF1-TV. Die Erläuterung der „Hintergründe“ liefert der „Kasten“ am Ende des Beitrags, der üblicherweise bei Berichten über Suizide Hinweise auf Suizidprävention gibt. Dem vorangestellt war aber noch die – scheinheilige – redaktionelle Frage:
Waren es die Arbeitsbedingungen beim rechten Sender, der hauptsächlich durch seine Anti-Corona-Berichterstattung auffällt, die ihm das Leben kosteten? Nagel soll dort zuletzt gekündigt worden sein. Wieder andere sprechen von “Hass von Links” und Anfeindungen im Netz, die Nagel stark zugesetzt hätten.
Der extrem rechte „exxpress.at“ matcht sich mit AUF1-TV um ähnliche Zielgruppen im türkisblauen Sumpf, allerdings mit dem nicht unerheblichen Vorteil, dass „exxpress-TV“ mehr als 700.000 Euro an staatlicher Förderung erhält.
Noch vor der Reaktion von AUF1-TV erscheint ein Nachruf auf dem Blog „Der Status“ von Bernadette Conrads, die sich in den Worten von Nagel als dessen „allerbeste Freundin“ „tief erschüttert“ vorstellt und einiges an rechtsextremen Weihrauch nachfolgen lässt („Georg war ein tief-sensibler und feinsinniger Geist, der seine Verletzlichkeit im Kampf gegen den Untergang der alten, europäischen Werte stets zu überwinden suchte.“), bevor sie zu den möglichen Motiven für dessen „tragisches Ableben“ Stellung nimmt:
Bis zu seinem tragischen Ableben, dem leider einige Wochen von Angst und Zurückgelassenheit vorausgingen, kämpfte er um Anerkennung und Gerechtigkeit. Er kämpfte darum, sich einen Namen machen zu dürfen, seinen Namen verwenden zu dürfen, den Erfolg seiner eigenen Leistungen für sich beanspruchen zu dürfen — und scheiterte. Dass er sich selbst in die Dunkelheit der Hintergrundarbeit gedrängt sah, verkraftete Georg bis zuletzt nicht. Als er, ein Idealist im reinsten Sinn des Wortes, den Rückhalt selbsterklärter Visionäre am meisten benötigte, ließen diese ihn tragischerweise fallen wie eine heiße Kartoffel. Die Erkenntnis, dass auch alternative Medienmacher ausbeuterisch, oberflächlich und eiskalt agieren können, setzte ihm schwer zu.
Damit wäre die Frage des „exxpress“ auch schon beantwortet. Zum „tief-sensiblen“ und „feinsinnigen Geist“ des Georg Immanuel Nagel reicht auch ein Blick auf einige seiner Postings: rassistisch, antisemitisch, sexistisch, homophob, hetzerisch, in der Kombination mit Verherrlichung von Krieg als Purgatorium der Menschheit (die für ihn überwiegend „Müll“ war) sogar faschistisch – da bleibt wenig Platz für Tiefe und Sensibilität. Aber dass sich ein Narzist wie Nagel zurückgesetzt fühlte oder, wie seine „allerbeste Freundin“ so poetisch hinhaucht, nicht verkraftete, „in die Dunkelheit der Hintergrundarbeit gedrängt“ zu werden, lässt sich so interpretieren.
Nun ist die „beste Freundin“ und ehemalige „Wochenblick“- Chefredakteurin Conrads sicher kein Maßstab für Sensibilität (wir verweisen hier nur auf ihr widerliches Posting zum Terroranschlag auf „Charlie Hebdo“ oder auf ihre Geburtstagwünsche für Nagel im Jahr 2015, aber ihr Nachruf im „Status“ bzw. der „exxpress“-Beitrag vom Vortag dürften jedenfalls bewirkt haben, dass sich auch die Zunge von Stefan Magnet, dem Chef von AUF1-TV und damit Arbeitgeber von Nagel, etwas gelöst hat. Zunächst einmal war er („wir“) „bestürzt“, witterte aber inmitten seiner Bestürzung, dass „gewisse ‚Medien‘ (…) natürlich auf niederträchtige Art den Tod auszuschlachten (versuchen)“.
Das war zunächst einmal neben dem dürren und distanzierten Communique von AUF1-TV alles, was Magnet und AUF1-TV drei Tage nach dem Einsturz ihrer „tragenden Säule“ zu sagen hatten. Weitere drei Tage später folgte ein Wutausbruch von Magnet, sein Rundumschlag, in dem er davon spricht, dass „der Tod von Georg Immanuel Nagel instrumentalisiert“ worden sei durch „ehemalige Mitstreiter von mir“, die mit der Presse in Gestalt von „exxpress“ paktieren würden:
Nicht zuletzt, um das Andenken unseres verstorbenen Mitarbeiters Nagel zu verteidigen, gehen wir gegen diesen unwürdigen Artikel des ‚Exxpress’ nun mit unseren Anwälten vor, denn auf unsere umgehenden Aufforderungen reagierte man dort nicht.
Das „Andenken“ „unseres verstorbenen Mitarbeiters“ wird also bedenkenlos Instrumentalisiert, um die Frage des medialen Konkurrenten „exxpress“ juristisch niederzuprügeln. Von einem juristischen Vorgehen gegen Bernadette Conrads und den Blog „Der Status“, in deren Beitrag die Vorwürfe wesentlich deutlicher, wenn auch ohne direkte Nennung, angesprochen worden sind, ist da allerdings nicht die Rede.
Aufruhr im eXXpress-Leserforum: In einem Artikel wurde der Verschwörungssender AUF1 als „extrem rechts“ bezeichnet.
Der bedauerliche Fehler wurde mittlerweile korrigiert.
vorher ↙️ ↘️ nachher pic.twitter.com/2QGdtLbCyZ— björn björnsen (@bjoernsenior) March 21, 2023
Mittlerweile, acht Tage nach seinem Tod, am 27.3.23., veröffentlichte AUF1-Info tatsächlich so etwas wie einen Nachruf. Nicht als Video-Beitrag, sondern als Text. Nicht von Stefan Magnet oder einem anderen AUF1-Redakteur, sondern „von seinem väterlichen Freund“, Christian Zeitz vom Wiener Akademikerbund – Lesezeit: 3 Minuten. Darunter ein Spenden-Aufruf. Natürlich für AUF1-TV. Schließlich kostet es Geld, das Andenken zu verteidigen!