AUF1-TV: Magnet mag Mullahs

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Rechts­extre­mer Medi­en­ma­cher trifft freund­schaft­lich recht extre­men Mus­lim. Die Kon­stel­la­ti­on ist nicht völ­lig unge­wöhn­lich. 2006 ver­sam­mel­te der Anti­se­mit Ahma­di­ne­jad, damals ira­ni­scher Staats­prä­si­dent, Holo­caust­leug­ner aus aller Welt zu einer Kon­fe­renz in Tehe­ran. Johan­nes Hüb­ner lud 2015 als außen­po­li­ti­scher Spre­cher der FPÖ ägyp­ti­sche Exil­ab­ge­ord­ne­te der Mus­lim­bru­der­schaft offi­zi­ell nach Wien. Und jetzt: Ste­fan Magnet plau­dert für AUF1 jovi­al mit Yavuz Özoğuz, einem isla­mis­ti­schen Fun­di. Was ver­bin­det sie alle?

Die Ant­wort ist nicht schwie­rig: Es ist eine ordent­li­che Por­ti­on Anti­se­mi­tis­mus, aber auch ein völ­lig reak­tio­nä­res Bild von Frau­en, Fami­lie und Gesell­schaft, ver­mischt mit Zynis­mus und Igno­ranz. Am 28.3. wur­de das ein­ein­halb­stün­di­ge, in freund­schaft­li­chem Plau­der­ton absol­vier­te Gespräch zwi­schen Ste­fan Magnet und Yavuz Özoğuz bei AUF1-TV online gestellt. Dif­fe­ren­zen gab es so gut wie kei­ne – aus­ge­nom­men die Kopf­tuch­fra­ge für Frau­en, die aber von den bei­den Män­nern ein­fach weg­ge­lä­chelt wurde.

Schon das schrift­li­che Intro von AUF1-TV zum Video macht klar, wohin die Rei­se gehen wird:

Dr. Yavuz Özoğuz gilt als Iran-Ken­ner, gläu­bi­ger Mus­lim und Betrei­ber einer der größ­ten mus­li­mi­schen Online-Por­ta­le Deutsch­lands. Er sagt: Über den Iran wird gelo­gen, weil er eine Ant­wort auf das glo­ba­lis­ti­sche Ver­nich­tungs­pro­gramm gibt. (…) Der „Gre­at Reset“, das betrü­ge­ri­sche Geld­sys­tem, der Wer­te­zer­fall, Zer­stö­rung der Fami­lie und die Geschichts­lü­gen: Bei all die­sen The­men spricht der Mus­lim Dr. Yavuz Özoğuz die­sel­be Spra­che wie die meis­ten „Rech­ten“.

Todes­stra­fe

Was in der Vor­stel­lung dis­kret ver­schwie­gen wird: Özoğuz ist ein offe­ner Pro­pa­gan­dist des ira­ni­schen Mul­lah-Regimes, der es in Inter­views auch ver­steht, die bru­ta­le Anwen­dung der Todes­stra­fe im Iran zu ver­harm­lo­sen und hin­ter sei­ner eige­nen angeb­li­chen Geg­ner­schaft zur Todes­stra­fe zu ver­ste­cken. Und Özoğuz kann viel ver­ste­cken und ver­harm­lo­sen. Schon 2004 seufz­te er in einem „Spiegel“-Interview (Nr. 26/2004) auf die Fra­ge nach der Todes­stra­fe: „Muss hof­fent­lich irgend­wann nicht mehr voll­streckt wer­den. Lei­der ist es noch nicht so weit.

Knap­pe 20 Jah­re spä­ter seufzt er im Inter­view mit Magnet wie­der: „Ich bin auch gegen die Todes­stra­fe und ich hof­fe, dass Umstän­de ein­tre­ten wer­den, damit sie nie­mals mehr not­wen­dig wird“. Dazwi­schen, näm­lich 2016, hat er nicht geseufzt, son­dern das Gegen­teil ver­tre­ten: „Ich bin kein Geg­ner der Todes­stra­fe.“ (taz, 5.2.2016)

Im Iran wer­de die Todes­stra­fe haupt­säch­lich bei Ver­ge­wal­ti­gun­gen ein­ge­setzt, behaup­tet Özoğuz im Inter­view mit Magnet. Die­ser fal­schen Behaup­tung wider­spricht Magnet nicht. Auch wenn der Iran dazu kei­ne Sta­tis­ti­ken ver­öf­fent­licht, zählt Amnes­ty Inter­na­tio­nal mit. Todes­ur­tei­le gibt es im Iran zu Hun­der­ten – jedes Jahr und in Ver­fah­ren, die jeder Rechts­staat­lich­keit spot­ten. Viel­fach wegen Dro­gen­de­lik­ten, gegen Aktivist*innen eth­ni­scher Min­der­hei­ten, aktu­ell auch und häu­fig wegen „Feind­schaft zu Gott“ oder wegen „Ver­dor­ben­heit auf Erden“. Der Iran ist neben Chi­na Welt­spit­ze bei staat­li­chen Hin­rich­tun­gen, die auch öffent­lich stattfinden.

Spei­chel­le­cke­rei­en für die Mullahs

Zu all dem schweigt Magnet, kei­ne kri­ti­sche Fra­ge, kei­ne Ver­ur­tei­lung. Statt­des­sen: Spei­chel­le­cke­rei­en und Lie­be­die­ne­rei gegen­über dem Mul­lah-Regime am lau­fen­den Band. Ange­sichts der bru­ta­len Repres­si­on, die das Mul­lah-Regime erwie­se­ner­ma­ßen gegen­über sei­ner Bevöl­ke­rung aus­übt, ange­sichts sei­nes Ter­rors im In- und Aus­land ist das gesam­te Inter­view eine Ver­höh­nung von Demo­kra­tie und Menschenrechten.

Kotz­pro­ben gefäl­lig? „Man ver­sucht den Iran auf ver­schie­dens­ten Ebe­nen fer­tig­zu­ma­chen“, flö­tet Magnet etwa nach 74 Minu­ten, nach­dem er bei Minu­te 38 unschul­dig gefragt hat: „Was macht denn der Iran so Böses, dass man ihn ver­teu­feln muss?“ Eben­falls Magnet: „Wür­den sich die ira­ni­schen Füh­rer freu­en, wenn in Deutsch­land wie­der selbst­be­wuss­te Deut­sche das Kom­man­do über­neh­men?

Müt­ter­ge­halt ersetzt Frauenunterdrückung

Die ira­ni­schen Füh­rer wären sicher erfreut, wenn nicht belus­tigt, wenn sie mit­be­kä­men, wie ele­gant Magnet die mas­si­ve Repres­si­on der Mul­lahs gegen ira­ni­sche Frau­en kurz in den Mund nimmt, um sie sofort wie­der aus­zu­spu­cken und durch das „inter­es­san­te The­ma“ Müt­ter­ge­halt zu erset­zen: „Die Unter­drü­ckung der Frau­en kann ich nicht beur­tei­len, war ja noch nicht dort, aber Sie haben ein inter­es­san­tes The­ma ange­spro­chen – das Müt­ter­ge­halt.

Die Ant­wort von Yavuz Özoğuz war tat­säch­lich inter­es­sant, weil sie sehr deut­lich den Raum beschreibt, den die Mul­lah-Ideo­lo­gie den Frau­en, falls sie denn über­haupt Müt­ter sind, zumisst. Özoğuz‘ Erzäh­lung geht in etwa so: Der Mann sei natür­lich ver­ant­wort­lich für alle Ein­nah­men und Aus­ga­ben der Fami­lie bis hin zu den PKW-Kos­ten. Soll­te vom Ein­kom­men nach Abzug aller Aus­ga­ben noch etwas übrig­blei­ben, dann gäbe der Mann vom Rest min­des­tens die Hälf­te an die Frau. Aktu­ell sei das nur sym­bo­lisch, beeilt sich Özoğuz hinzuzufügen.

Anti­se­mi­tis­mus und Umerziehung

Bereits zu Beginn des uner­träg­li­chen Gesprächs wird der Anti­se­mi­tis­mus ver­han­delt und dabei die Über­ein­stim­mung betont. Natür­lich nicht offen und direkt, son­dern so, dass alle die Leer­stel­len selbst beset­zen kön­nen. Özoğuz spricht zunächst von einer Hand­voll Leu­te, die die Gesell­schaft spal­ten und so die Welt beherr­schen. Bei der Ant­wort, wer damit gemeint ist, kommt Magnet Özoğuz, der ziem­lich zu schwur­beln beginnt, hilf­reich mit der pas­sen­den Inter­pre­ta­ti­on ent­ge­gen: „Mit Kapi­ta­lis­mus mei­nen Sie ja nicht den Unter­neh­mer, der ein gutes Ein­kom­men hat und des­we­gen einen guten Fir­men­wa­gen besitzt, son­dern Sie mei­nen ja die Hoch­fi­nanz.

Wer nun die Hoch­fi­nanz bil­det, ist ja wohl klar, Herr Magnet, oder? Dür­fen wir das Zitat über­set­zen? „Mit Kapi­ta­lis­mus mei­nen Sie ja nicht das schaf­fen­de Kapi­tal (…), son­dern sie mei­nen ja das raf­fen­de Kapi­tal.“ Passt das so, Herr Magnet? Auch für Sie, Herr Özoğuz?

Als etwas spä­ter Magnet sein gro­tes­kes Lamen­to über die Zer­stö­rung Euro­pas, die nicht mit den zwei Welt­krie­gen geen­det habe, son­dern mit der „Umer­zie­hung“ wei­ter­ge­führt wor­den sei, anhebt, fin­det sich Özoğuz sofort damit zurecht: „[I]ch kann mir durch­aus gut vor­stel­len, dass das eine oder ande­re, was uns erzählt wird über den ers­ten, den zwei­ten Welt­krieg und über die Din­ge, die davor, wäh­rend­des­sen und danach pas­siert sind, nicht stim­men.

Das wirkt zwar ziem­lich unver­bind­lich und wenig kon­kret, aber da hilft die Recher­che des NDR wei­ter, der 2018 auf­deck­te, dass Yavuz Özoğuz „im Inter­net den Ira­ner Maham­mad-Ali Ramin als sei­nen ‚isla­mi­schen Leh­rer‘ und als ‚gelieb­ten Bru­der‘  bezeich­net hat­te. (…) Ramin ist Holo­caust­leug­ner und Orga­ni­sa­tor der ‚Holo­caust­kon­fe­renz‘ im Jahr 2006 in Tehe­ran. Auf die­ser tra­fen sich Holo­caust­leug­ner und ande­re Rechts­extre­mis­ten aus der gan­zen Welt.“ Özoğuz distan­zier­te sich gegen­über dem NDR von Ramins Holo­caust­leug­ner­ak­ti­vi­tä­ten, weil er sie nicht gekannt haben will. Sehr glaub­wür­dig, so wie sei­ne Aus­sa­gen zur Todesstrafe!

Fast trä­nen­rüh­rend im Inter­view mit Magnet war sei­ne Aus­sa­ge zur poli­ti­schen Ein­ord­nung von Magnet: „Vie­le, die als rechts bezeich­net wer­den – ganz ehr­lich –, ich wür­de Sie nicht in die­se Kate­go­rie ein­stu­fen.“ Da stim­men wir mit Özoğuz aus­nahms­wei­se über­ein. Rechts ist Magnet nicht, son­dern rechts­extrem – und das ist noch sehr mil­de ausgedrückt.