Die Antwort ist nicht schwierig: Es ist eine ordentliche Portion Antisemitismus, aber auch ein völlig reaktionäres Bild von Frauen, Familie und Gesellschaft, vermischt mit Zynismus und Ignoranz. Am 28.3. wurde das eineinhalbstündige, in freundschaftlichem Plauderton absolvierte Gespräch zwischen Stefan Magnet und Yavuz Özoğuz bei AUF1-TV online gestellt. Differenzen gab es so gut wie keine – ausgenommen die Kopftuchfrage für Frauen, die aber von den beiden Männern einfach weggelächelt wurde.
Schon das schriftliche Intro von AUF1-TV zum Video macht klar, wohin die Reise gehen wird:
Dr. Yavuz Özoğuz gilt als Iran-Kenner, gläubiger Muslim und Betreiber einer der größten muslimischen Online-Portale Deutschlands. Er sagt: Über den Iran wird gelogen, weil er eine Antwort auf das globalistische Vernichtungsprogramm gibt. (…) Der „Great Reset“, das betrügerische Geldsystem, der Wertezerfall, Zerstörung der Familie und die Geschichtslügen: Bei all diesen Themen spricht der Muslim Dr. Yavuz Özoğuz dieselbe Sprache wie die meisten „Rechten“.
Todesstrafe
Was in der Vorstellung diskret verschwiegen wird: Özoğuz ist ein offener Propagandist des iranischen Mullah-Regimes, der es in Interviews auch versteht, die brutale Anwendung der Todesstrafe im Iran zu verharmlosen und hinter seiner eigenen angeblichen Gegnerschaft zur Todesstrafe zu verstecken. Und Özoğuz kann viel verstecken und verharmlosen. Schon 2004 seufzte er in einem „Spiegel“-Interview (Nr. 26/2004) auf die Frage nach der Todesstrafe: „Muss hoffentlich irgendwann nicht mehr vollstreckt werden. Leider ist es noch nicht so weit.“
Knappe 20 Jahre später seufzt er im Interview mit Magnet wieder: „Ich bin auch gegen die Todesstrafe und ich hoffe, dass Umstände eintreten werden, damit sie niemals mehr notwendig wird“. Dazwischen, nämlich 2016, hat er nicht geseufzt, sondern das Gegenteil vertreten: „Ich bin kein Gegner der Todesstrafe.“ (taz, 5.2.2016)
Im Iran werde die Todesstrafe hauptsächlich bei Vergewaltigungen eingesetzt, behauptet Özoğuz im Interview mit Magnet. Dieser falschen Behauptung widerspricht Magnet nicht. Auch wenn der Iran dazu keine Statistiken veröffentlicht, zählt Amnesty International mit. Todesurteile gibt es im Iran zu Hunderten – jedes Jahr und in Verfahren, die jeder Rechtsstaatlichkeit spotten. Vielfach wegen Drogendelikten, gegen Aktivist*innen ethnischer Minderheiten, aktuell auch und häufig wegen „Feindschaft zu Gott“ oder wegen „Verdorbenheit auf Erden“. Der Iran ist neben China Weltspitze bei staatlichen Hinrichtungen, die auch öffentlich stattfinden.
Speichelleckereien für die Mullahs
Zu all dem schweigt Magnet, keine kritische Frage, keine Verurteilung. Stattdessen: Speichelleckereien und Liebedienerei gegenüber dem Mullah-Regime am laufenden Band. Angesichts der brutalen Repression, die das Mullah-Regime erwiesenermaßen gegenüber seiner Bevölkerung ausübt, angesichts seines Terrors im In- und Ausland ist das gesamte Interview eine Verhöhnung von Demokratie und Menschenrechten.
Kotzproben gefällig? „Man versucht den Iran auf verschiedensten Ebenen fertigzumachen“, flötet Magnet etwa nach 74 Minuten, nachdem er bei Minute 38 unschuldig gefragt hat: „Was macht denn der Iran so Böses, dass man ihn verteufeln muss?“ Ebenfalls Magnet: „Würden sich die iranischen Führer freuen, wenn in Deutschland wieder selbstbewusste Deutsche das Kommando übernehmen?“
Müttergehalt ersetzt Frauenunterdrückung
Die iranischen Führer wären sicher erfreut, wenn nicht belustigt, wenn sie mitbekämen, wie elegant Magnet die massive Repression der Mullahs gegen iranische Frauen kurz in den Mund nimmt, um sie sofort wieder auszuspucken und durch das „interessante Thema“ Müttergehalt zu ersetzen: „Die Unterdrückung der Frauen kann ich nicht beurteilen, war ja noch nicht dort, aber Sie haben ein interessantes Thema angesprochen – das Müttergehalt.“
Die Antwort von Yavuz Özoğuz war tatsächlich interessant, weil sie sehr deutlich den Raum beschreibt, den die Mullah-Ideologie den Frauen, falls sie denn überhaupt Mütter sind, zumisst. Özoğuz‘ Erzählung geht in etwa so: Der Mann sei natürlich verantwortlich für alle Einnahmen und Ausgaben der Familie bis hin zu den PKW-Kosten. Sollte vom Einkommen nach Abzug aller Ausgaben noch etwas übrigbleiben, dann gäbe der Mann vom Rest mindestens die Hälfte an die Frau. Aktuell sei das nur symbolisch, beeilt sich Özoğuz hinzuzufügen.
Antisemitismus und Umerziehung
Bereits zu Beginn des unerträglichen Gesprächs wird der Antisemitismus verhandelt und dabei die Übereinstimmung betont. Natürlich nicht offen und direkt, sondern so, dass alle die Leerstellen selbst besetzen können. Özoğuz spricht zunächst von einer Handvoll Leute, die die Gesellschaft spalten und so die Welt beherrschen. Bei der Antwort, wer damit gemeint ist, kommt Magnet Özoğuz, der ziemlich zu schwurbeln beginnt, hilfreich mit der passenden Interpretation entgegen: „Mit Kapitalismus meinen Sie ja nicht den Unternehmer, der ein gutes Einkommen hat und deswegen einen guten Firmenwagen besitzt, sondern Sie meinen ja die Hochfinanz.“
Wer nun die Hochfinanz bildet, ist ja wohl klar, Herr Magnet, oder? Dürfen wir das Zitat übersetzen? „Mit Kapitalismus meinen Sie ja nicht das schaffende Kapital (…), sondern sie meinen ja das raffende Kapital.“ Passt das so, Herr Magnet? Auch für Sie, Herr Özoğuz?
Als etwas später Magnet sein groteskes Lamento über die Zerstörung Europas, die nicht mit den zwei Weltkriegen geendet habe, sondern mit der „Umerziehung“ weitergeführt worden sei, anhebt, findet sich Özoğuz sofort damit zurecht: „[I]ch kann mir durchaus gut vorstellen, dass das eine oder andere, was uns erzählt wird über den ersten, den zweiten Weltkrieg und über die Dinge, die davor, währenddessen und danach passiert sind, nicht stimmen.“
Das wirkt zwar ziemlich unverbindlich und wenig konkret, aber da hilft die Recherche des NDR weiter, der 2018 aufdeckte, dass Yavuz Özoğuz „im Internet den Iraner Mahammad-Ali Ramin als seinen ‚islamischen Lehrer‘ und als ‚geliebten Bruder‘ bezeichnet hatte. (…) Ramin ist Holocaustleugner und Organisator der ‚Holocaustkonferenz‘ im Jahr 2006 in Teheran. Auf dieser trafen sich Holocaustleugner und andere Rechtsextremisten aus der ganzen Welt.“ Özoğuz distanzierte sich gegenüber dem NDR von Ramins Holocaustleugneraktivitäten, weil er sie nicht gekannt haben will. Sehr glaubwürdig, so wie seine Aussagen zur Todesstrafe!
Fast tränenrührend im Interview mit Magnet war seine Aussage zur politischen Einordnung von Magnet: „Viele, die als rechts bezeichnet werden – ganz ehrlich –, ich würde Sie nicht in diese Kategorie einstufen.“ Da stimmen wir mit Özoğuz ausnahmsweise überein. Rechts ist Magnet nicht, sondern rechtsextrem – und das ist noch sehr milde ausgedrückt.