Irrtümer

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Als die Ver­hand­lung des Geschwo­re­nen­ge­richts am 5.10. gegen Robert G. wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung und Ver­het­zung eröff­net wur­de, war sich der vor­sit­zen­de Rich­ter noch sicher, dass sie nur kurz dau­ern wür­de. Irr­tum! Die ein­zi­ge Jour­na­lis­tin eines Print-Medi­ums ver­lässt die Ver­hand­lung nach weni­gen Minu­ten wie­der: zu wenig inter­es­sant offen­sicht­lich. So kann man sich täu­schen! Nicht der ein­zi­ge Irr­tum. Ein Pro­zess­be­richt von Karl Öllinger.

Nicht, dass die Ver­hand­lung beson­ders auf­re­gend gewe­sen wäre oder inter­es­san­te Ein­bli­cke in die Vita eines Neo­na­zi gebo­ten hät­te. Die fünf Ankla­ge­punk­te zum Vor­wurf der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung, die der Staats­an­walt vor­trug, lie­ßen rela­tiv deut­lich erken­nen, dass da kein Neo­na­zi vor Gericht stand. Eher einer wie das ver­flos­se­ne rechts­extre­me FPÖ-Urge­stein Otto Scrin­zi, der über sich sag­te: „Ich war schon immer rechts, auch inner­halb der NSDAP.“ Bloß, dass Robert G. nie Mit­glied der NSDAP war und glaub­haft auch bei kei­ner spä­te­ren rechts­extre­men Organisation.

Als „liber­tär“, gar als „libe­ral“ ver­sucht sich der Ange­klag­te in sei­ner lang­at­mi­gen Erklä­rung zu Beginn der Ver­hand­lung selbst zu ver­or­ten. Als einer, der eine aus­län­di­sche Frau habe, der sogar zu einem Sym­pa­thi­san­ten der kolum­bia­ni­schen Gue­ril­la gute Kon­tak­te habe und auch Auf­trä­ge für jüdi­sche Fried­hö­fe über­nom­men habe. Robert G. ist näm­lich Zivil­tech­ni­ker. Sein Stu­di­um hat er teil­wei­se in Kolum­bi­en absol­viert, sei­ne Frau dort ken­nen­ge­lernt. Sei­ne quä­lend lan­ge Selbst­dar­stel­lung mit Lebens­lauf, die erst gegen Ende auf die Ankla­ge Bezug nimmt, ist auf eine ein­zi­ge Fra­ge aus­ge­rich­tet: Kann so ein „zutiefst libe­ra­ler, liber­tä­rer Mensch“ sol­che Ver­bre­chen, wie sie ihm die Ankla­ge vor­wirft, began­gen haben? Der Ange­klag­te betont auch mehr­mals, dass es ihn völ­lig aus den Socken gehaut habe, als er von der Ankla­ge erfah­ren hat. Ein Irr­tum der Ermittler?

Nun ist zwi­schen libe­ral und liber­tär schon ein gewal­ti­ger Unter­schied. Aber nur, wenn man unter einer liber­tä­ren Hal­tung auch das Recht ver­ste­hen wür­de, nach eige­nem Bedürf­nis wild zu het­zen, könn­te man ihn so rubri­zie­ren. Eine ordent­li­che Selbst­täu­schung. Aber was wur­de Robert G. über­haupt vorgeworfen?

Begon­nen hat es damit, dass irgend­je­mand der Kam­mer, in der Robert G. als Zivil­tech­ni­ker orga­ni­siert ist, gemel­det hat­te, dass G. auf sei­ner Web­site unter ande­rem sexis­ti­sche Fotos ver­öf­fent­licht habe. Die Kam­mer hat dies zum Anlass für die Ein­lei­tung eines Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens genom­men (das Ver­fah­ren ist noch immer nicht abge­schlos­sen) und die Vor­wür­fe an die Staats­an­walt­schaft wei­ter­ge­mel­det. Die hat dar­auf­hin zu ermit­teln begon­nen und ist fün­dig gewor­den. Wo? Auf der Web­site des Ange­klag­ten, die nicht bloß die übli­che beruf­li­che Wer­bung anbie­tet (Rubri­ken „Leis­tun­gen“, „Pro­jek­te“, „Cur­ri­cu­lum Vitae“ usw.), son­dern gleich im Intro selt­sa­me rech­te Sprü­che wie „Ger­ma­ny, Swe­den, France.…let the pus­sies govern and watch what hap­pens“. Unter den Pus­sies ver­steht der Herr Diplom­in­ge­nieur auch die männ­li­che Vari­an­te des Schimpf­wor­tes, also Schlapp­schwän­ze, wie die­ser Punkt der Ankla­ge, ver­öf­fent­licht am 6.3.2017, zeigt: „The Ger­man Male, from Hit­ler-Youth to sui­ci­dal pus­sies, within less than a cen­tu­ry. Ama­zing!“ („Der deut­sche Mann: Inner­halb von weni­ger als einem Jahr­hun­dert vom Hit­ler-Jun­gen zum selbst­mord­ge­fähr­de­ten Schlapp­schwanz. Erstaun­lich!“) Ist das NS-Wie­der­be­tä­ti­gung? Eher nicht, aber wider­lich und zynisch. So wie sein (nicht ange­klag­ter!) Ein­trag vom 19.1.2017: „The Decli­ne: Boys beco­ming pus­sies, Girls beco­ming sluts, and the worst: both proud of it.“ („Der Nie­der­gang: Die Bur­schen wer­den Schlapp­schwän­ze, die Mädels Schlam­pen, und das Übels­te dabei: Bei­de sind auch noch stolz darauf.“)

Robert G. äußert sich in sei­ner Kolum­ne aber nicht nur auf Eng­lisch, son­dern auch in deut­scher Spra­che. Journalist*innen sind für ihn Abschaum, Kopf­tuch­trä­ge­rin­nen Reli­gi­ons­fa­schis­tin­nen, die ver­stor­be­ne Schrift­stel­le­rin Frie­de­ri­ke May­rö­cker eine „seni­le Plau­der­ta­sche“ und Mer­kel in bekannt rechts­extre­mer Dik­ti­on auch „Mur­kel“. Aber nicht nur das: „Wäre Mer­kel ein Mann, mit nicht deut­lich unter­durch­schnitt­li­chem Ehr­ge­fühl, hät­te er sich längst eine Kugel in den Kopf geschos­sen für das Unheil, das er über sein Land gebracht hat.

Das pos­tet der Mann, der sich als „libe­ral“ bezeich­net sehen will, im Jahr 2017. Auch die­ses Pos­ting ist nicht ange­klagt: Mit dem zynisch emp­foh­le­nen Sui­zid und dem Kon­junk­tiv zieht er – nach bis­he­ri­ger Recht­spre­chung – sei­nen Kopf aus der straf­recht­li­chen Schlin­ge. In Deutsch­land ändert sich das gera­de nach dem Mord an Wal­ter Lübcke.

In der Ver­hand­lung will der Ange­klag­te glau­ben machen, dass es nur ganz weni­ge Pos­tings – eben die acht ange­klag­ten – sei­en, die ein biss­chen ärger wären und zwi­schen Dut­zen­den völ­lig fried­li­chen Pos­tings stün­den. Das Gegen­teil ist der Fall! Ein zyni­sches, sexis­ti­sches, ver­let­zen­des, het­zen­des Pos­ting reiht sich an das nächs­te. Wer den statt­li­chen Mann sieht, der da mit ruhi­ger Stim­me auf der Ankla­ge­bank sitzt und spricht, möch­te gar nicht glau­ben, dass er es ist, der Pos­tings wie die­ses geschrie­ben hat: „Wann ist eigent­lich die Mode auf­ge­kom­men, Plün­de­rer und Brand­stif­ter auf fri­scher Tat nicht ohne Vor­war­nung zu erschie­ßen? Hat wahr­schein­lich mit dem stei­gen­den Mäd­chen­an­teil bei der Poli­zei und der Rich­ter­schaft zu tun.“ (28.6.20)

Oder das hier: „Con­side­ring the facts it seems that Anti­Fa is Mar­xist Shit and BLM is Racist Shit. Chan­ge my mind!“ (26.7.20)

Oder das: „Wir soll­ten nicht mehr von Flucht­rou­ten, son­dern, zutref­fen­der, von Inva­si­ons­rou­ten spre­chen, was den lin­ken Mäd­chen, mit und ohne Pim­mel, gar nicht gefal­len dürf­te, aber das macht nichts.“ (20.10.2020)

Auch die­ses Pos­ting ist nicht unter den Ankla­ge­punk­ten: „Con­chi­ta, 50% der Leu­te, die du sin­gend will­kom­men heißt, wol­len dich an einem Bau­kran hän­gen sehen.“ (4.10.2015)

Für Robert G. fällt das alles unter libe­ra­le Selbst­re­fle­xi­on und Mei­nungs- und Gedan­ken­frei­heit. Bei den Befra­gun­gen durch den vor­sit­zen­den Rich­ter, dem die lang­at­mi­gen Erklä­run­gen des Ange­klag­ten viel zu lan­ge dau­ern, hat man den Ein­druck, dass er das auch so ähn­lich sieht.

Ange­klagt ist etwa die­ses Pos­ting: „Ich weiß nicht, war­um sich die Leu­te so echauf­fie­ren, es ist doch nur ein Stück­chen Stoff, die Haken­kreuz­bin­de.“ (14.4.2018)

Mehr­mals wird der Zivil­in­ge­nieur gefragt, war­um er all sei­ne Hetz- und Hass-Pos­tings auf sei­ner Fir­men-Web­site online stell­te. Eine wirk­lich über­zeu­gen­de Ant­wort kann er nicht lie­fern, betont nur immer wie­der, dass er sei­ne Kun­den nicht im Unkla­ren las­sen woll­te über sei­ne Ansich­ten. Lei­tet er dar­aus ab, dass die sei­ne Ansich­ten bil­li­gen oder gar tei­len? Das wur­de er lei­der nicht gefragt, dafür betont er aber mehr­mals, dass er sogar Auf­trä­ge von der Israe­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de erhal­ten habe. Die hat aber das Haken­kreuz­bin­den-Pos­ting sicher eben­so wenig bemerkt wie das mit­an­ge­klag­te (wegen Ver­het­zung) Schweins­bra­ten-Pos­ting: „Bei einem Schweins­bra­ten hat man wenigs­tens die Garan­tie, dass das Tier nicht von Geis­tes­kran­ken, unter Anru­fung eines Hirn­ge­spins­tes, reli­gi­ös ein­wand­frei, zu Tode gequält wur­de.“ (3.4.18)

Nach mehr als zwei Stun­den und nach­dem die von der Ver­tei­di­gung bean­trag­te Ladung von drei Zeu­gen abge­lehnt wor­den ist, wur­de die Ver­hand­lung zur For­mu­lie­rung der Fra­gen an die Geschwo­re­nen unter­bro­chen. Das ging ziem­lich schnell. Das Urteil: In zwei der acht Ankla­ge­punk­te ent­schie­den die Geschwo­re­nen tat­säch­lich auf „schul­dig“. Der Rich­ter­se­nat hat den Wahr­spruch der Geschwo­re­nen dann aller­dings wegen „Irr­tums“ aus­ge­setzt. Damit tritt der extrem sel­te­ne Fall ein, dass die Berufs­rich­ter einen Schuld­spruch der Geschwo­re­nen nicht aner­ken­nen und ein neu zusam­men­ge­setz­tes Geschwo­re­nen­ge­richt neu­er­lich über Schuld oder Unschuld des Ange­klag­ten ent­schei­den muss.

Zita­te von G.s Web­site unter dem Label „Milieu­be­ding­te Unmuts­äu­ße­run­gen” (Aus­wahl):

Hetze unter dem Label "Milieubedingte Unmutsäußerungen" auf der Website von Robert G.

Het­ze unter dem Label „Milieu­be­ding­te Unmuts­äu­ße­run­gen” auf der Web­site von Robert G.

Con­chi­ta, 50% der Leu­te, die du sin­gend will­kom­men heißt, wol­len dich
an einem Bau­kran hän­gen sehen.
4.10.2015

Ohne den Femi­nis­mus und des­sen hel­den­haf­ten Kampf gegen das
„Wei­ße Patri­ar­chat“  hät­ten es die Isla­mis, also die vollbärtigen
Voll­trot­tel aus dem 7. Jahr­hun­dert um eini­ges  schwe­rer, ihre Vorstellungen 
von der idea­len Gesell­schaft auch im Wes­ten durchzusetzen.
8.3.2017

The truth is neither cor­rect nor diverse,
the truth, I´m sor­ry to say it, is racist.
24.4.2017

Sie wol­len einen ver­mumm­ten Demons­trie­ren­den ver­wir­ren bzw. in
Erstau­nen versetzen ?
Sagen Sie ihm, dass das Wort Nazi von Natio­nal-Sozia­list stammt.
20.4.2017

Wäre Mer­kel ein Mann, mit nicht deut­lich unterdurchschnittlichem
Ehr­ge­fühl, hät­te er sich längst eine Kugel in den Kopf geschossen
für das Unheil, das er über sein Land gebracht hat.
26.7.2017

Dan­ke an Pro­zess­re­port für die Über­mitt­lung des Urteils!