Antisemitische Hetzorgie

Lesezeit: 4 Minuten

Der Prä­si­dent der Israe­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de (IKG) Wien, Oskar Deutsch, hat eini­ge Tage vor der Wahl anläss­lich eines Besu­ches des amtie­ren­den Bun­des­prä­si­den­ten in einer jüdi­schen Schu­le und im Mai­mo­ni­des-Zen­trum Wien eine Wahl­emp­feh­lung für Van der Bel­len aus­ge­spro­chen und den FPÖ-Kan­di­da­ten Rosen­kranz wegen des­sen Ver­harm­lo­sung von Anti­se­mi­tis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus kri­ti­siert. Das hat eine uner­träg­li­che und beschä­men­de anti­se­mi­ti­sche Hetz­or­gie zur Fol­ge gehabt.

Die per­sön­li­che Beleidigung

In sei­ner Stel­lung­nah­me auf Face­book hat Oskar Deutsch von Öster­reich als welt­of­fe­nem, viel­fäl­ti­gen und moder­nen Land gespro­chen, in dem die Wür­de des Men­schen unan­tast­bar ist. Das woll­ten Dut­zen­de Pos­te­rIn­nen auf der Stel­le wider­le­gen. Weil Deutsch in sehr kla­ren Wor­ten dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass der FPÖ-Kan­di­dat Wal­ter Rosen­kranz die „Nazi-Ver­bre­chen sei­ner Gesin­nungs­ka­me­ra­den“, der Bur­schen­schaf­ter ver­harm­lost, ille­ga­le Nazis als „Leis­tungs­trä­ger“ hoch­ge­ju­belt und den Anti­se­mi­ten Juli­us Syl­ves­ter als sein Vor­bild dar­ge­stellt hat, wur­de in Dut­zen­den Pos­tings nicht etwa ver­sucht, ihn sach­lich zu wider­le­gen (was ange­sichts der Fak­ten schwer mög­lich wäre), son­dern per­sön­lich beleidigt.

Ausschnitt Posting von Oskar Deutsch (3.10.22)

Aus­schnitt FB-Pos­ting von Oskar Deutsch (3.10.22)

„Het­zer“ war die meist­ge­brauch­te Beschimp­fung in den Pos­tings, wobei die mit den unter­schied­lichs­ten Attri­bu­ten prä­sen­tiert wur­de: „Bös­ar­ti­ger“, „dre­cki­ger“, „mie­ser“, „wider­li­cher“, „graus­li­cher“, „nie­der­träch­ti­ger“, „elen­der“. Für ande­re war er ein „ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ger Cha­rak­ter“, „echt das Letz­te“, ein „Ver­bre­cher“, „schmie­ri­ger Lüg­ner“, ein „Kas­perl“, „Affe“ oder ein „Spal­ter“.

Die „ande­ren“ sind die Antisemiten? 

Auf etwas ande­re, näm­lich die hin­ter­fot­zi­ge Wei­se, nähern sich eini­ge Pos­ter dem – näm­lich ihrem eige­nen – Anti­se­mi­tis­mus, indem sie Oskar Deutsch dar­auf hin­wei­sen wol­len, dass ande­re den Anti­se­mi­tis­mus ins Land brin­gen wür­den. Bemer­kens­wert ist dabei, dass die deut­lich anti­se­mi­ti­schen Pos­tings fast aus­schließ­lich von Men­schen ohne Migra­ti­ons­hin­ter­grund stam­men. Aber begin­nen wir zunächst mit den hin­ter­fot­zi­gen Erin­ne­run­gen an die „ande­ren“, die den Anti­se­mi­tis­mus ins Land brächten.

Van der Bel­len sei der­je­ni­ge, der Anti­se­mi­tis­mus för­de­re, weil er „jeden Tag hun­der­te ille­gal rein lässt und nix unter­nimmt“. Ein ande­rer Pos­ter wird rich­tig zutrau­lich und raunt: „der immer stär­ker wer­den­de anti­se­mi­tis­mus kommt doch zum gröss­ten teil von mus­li­mi­scher sei­te.“ Sehr ähn­lich: „Ist ihnen nur annä­hernd bewusst das ihr Favo­rit aber­tau­sen­de ihrer schlimms­ten Tod­fein­de ins Land holt“ Und wie­der ein ande­rer will Oskar Deutsch distanz­los ver­deut­li­chen, was die dann machen: „Was glau­ben Sie was die mit Euch machen wenn mal zu vie­le von denen hier sind ?“

Die „Art­ge­nos­sen“

Wir nähern uns dem klas­si­schen Anti­se­mi­tis­mus. Oskar Deutsch und die IKG wer­den in zyni­scher Igno­ranz zunächst ein­mal für die Poli­tik in Isra­el ver­ant­wort­lich gemacht: „Sie haben genug radi­ka­le Zio­nis­ten in Isra­el, küm­mern sie sich um die­se… Da ist genug Arbeit zu leis­ten aber hören sie auf immer und immer wie­der The­men ans Tages­licht zu brin­gen die 80 Jah­re her sind, es inter­es­siert kei­nem (sic!) mehr.“ Wer und was dar­un­ter zu ver­ste­hen ist, wird aus einem ande­ren Pos­ting klar: „Der angebl. Prae­si­dent soll sich lie­ber um sei­ne art­ge­nos­sen in isra­el kuem­mern da haet­te er arbeit genug“

Wir sind also dort ange­kom­men, wo vie­le Pos­tings hin­wol­len: bei der Denun­zia­ti­on des „angeb­li­chen“ Prä­si­den­ten als jüdi­schen „Art­ge­nos­sen“. War­um nicht ehr­li­cher­wei­se gleich ein „Ras­se­ge­nos­se“, der „frech“, „schmie­rig“, „ehr­los“ und „falsch“ ist? Die Zuschrei­bun­gen erle­di­gen aber andere.

Die Juden

Genau sie sind der Grund war­um ich sol­che Juden nicht mag. Schmie­rig und falsch so wie ihr es immer wart.“ Die Juden sind eben doch die ande­ren, „schmie­rig“ und „falsch“ und „frech“ oben­drein, „so wie ihr es immer wart“: „der ewi­ge Jude“ eben, der klar von „uns“ Öster­rei­chern“ unter­schie­den wer­den muss. „Frech­heit son­ders­glei­chen, man stel­le sich vor, ein Öster­rei­cher hät­te der­ar­ti­ges über einen Juden gesagt.“ Oder: „Wie wärs mit weni­ger vor­laut sein und schön brav im Käm­mer­lein blei­ben?

Und natür­lich: „Die Juden geben nie Ruhe“, „jüdi­sche Wahl­be­ein­flus­sung“, „Ihr Juden glaubt ja, ihr könnt euch alles erlau­ben“, und ziem­lich ver­rä­te­risch: „Ich lie­be unse­re israe­li­schen (sic!) Mit­bür­ger, aber Affen wie Sie oder Bel­lo gehö­ren abge­schafft [sic!], mie­se Het­zer!

Raus!

Wenn es mit der neu­er­li­chen „Abschaf­fung“ der „israe­li­schen Mit­bür­ger“ nicht klappt, dann eben: „Ihr könnts auch alle in den Flie­ger stei­gen und tschüss“ Oder: „Ich sage nur Eines, wenn es Ihnen da nicht gefällt,ab nach Istra­el (sic!) mit ihnen“. Ein wei­te­res Pos­ting bezieht sich auf Fotos, die Oskar Deutsch und Kin­der mit Kip­pa zei­gen: „Eine Schan­de für Öster­reich sind die­se Per­so­nen auf den Bil­dern wenn ich schon das wenn ich schon das auf ihrer bir­ne sehe soll­ten sie schleu­nigst öster­reich ver­las­sen.“ Noch deut­li­cher ein ande­rer: „Raus!

Ausschnitt FB-Posting Oskar Deutsch (3.10.22)

Aus­schnitt FB-Pos­ting Oskar Deutsch (3.10.22)

Natür­lich feh­len auch die ande­ren anti­se­mi­ti­schen Zuschrei­bun­gen nicht: „Nicht schon genug an Spen­den bekom­men?“ oder: „zu dem erhält ihr Schmer­zens­geld für die Ver­gan­gen­heit

Oskar Deutsch hat die anti­se­mi­ti­schen und per­sön­li­chen Belei­di­gun­gen, die da zu Dut­zen­den auf sei­ner Face­book-Sei­te abge­las­sen wur­den, bis­her nicht gelöscht – die Ermitt­lungs­be­hör­den haben damit hof­fent­lich aus­rei­chend Zeit und Gele­gen­heit, die Het­ze zu sor­tie­ren und nach § 283 (Ver­het­zung) des Straf­ge­setz­bu­ches tätig zu wer­den. Im Bedarfs­fall: Wir haben eine Siche­rung vorgenommen.

Ausstellungsplakat 1938: "Der ewige Jude"

Aus­stel­lungs­pla­kat 1938: „Der ewi­ge Jude”