Der folgende Text wurde über die „Rechercheplattform zur Identitären Bewegung” als Twitter-Thread veröffentlicht und für diesen Beitrag geringfügig adaptiert.
Vorab: Definition Faschismus
Eine Definition von Faschismus gestaltet sich schwierig. Elemente sind in jedem Fall Führerkult, bewegungsförmige Agitation, Totalitarismus, Nationalismus, Sozialdarwinismus. Die Negativdefintion: antidemokratisch, antiliberal, antihumanistisch. (1) Die nachfolgenden Gruppierungen ordnen wir als eurofaschistisch ein, weil sie folgende Merkmale aufweisen:
→ elitäres Selbstbild
→ palingenetischer Mythos über Symbole & Sprache
→ populistischer, europäischer Ultranationalismus
→ Bewegungs- statt Parteiorientierung
Der Österreicher Alexander Markovics, Mitbegründer der österreichischen Identitären, definiert im Gespräch mit Frank Franz, Bundesvorsitzender der Neonazi-Partei NPD, „neurechts” so:
Rückblick
Nach dem 2. Weltkrieg richtet sich die extreme Rechte neu aus. Statt „Bruderkrieg“ finden die neurechten Ideen vom „Abendland“, der „Festung Europa“ oder dem „Europa der Vaterländer“ mehr Zuspruch. Länderübergreifende Allianzen entstehen.
Italien als Mutterland des Faschismus: Hier starteten Mussolinis Schwarzhemden in den 1920er-Jahren als faschistische Bewegung, die später in nahezu allen europäischen Ländern und auch weltweit ihre Entsprechung fand. Hervorzuheben sind Spanien (Falange/Franco) und Deutschland (NS/Hitler).
Das neofaschistische Vorbild
Die 2003 gegründete CasaPound ist europaweit Vorreiter und Vorbild europäischer Neofaschisten. Mit ihren vielfältigen Strukturen von Studentenorganisationen, Bands, Bücherläden, Verlagen, Kampfsportveranstaltungen, Blogs führt sie den neurechten Kulturkampf auf metapolitischer Ebene. Rechte aus ganz Europa besuchen CasaPound und nehmen Anleihen an Ästhetik, Strategie und Ideologie. Der Ästhetikblog „Zentropa“ brachte neuen Wind in die „alte Rechte“. CasaPound ist bestens vernetzt. Die Identitäre Bewegung wäre ohne sie nicht denkbar.
In Deutschland arbeitet die Neue Rechte an einem ganz ähnlichen metapolitischen Vorfeld aus Aktionsgruppen, Lifestyle-Blogs, Verlagen, Zeitschriften, Vlogs, Instituten, Online-Shops, Bekleidungsmarken – kurz: an einer abgeschotteten faschistischen Parallelgesellschaft. Hervorzuheben sind an dieser Stelle die Identitäre Bewegung, der Jungeuropa-Verlag, Teile der AfD, das Institut für Staatspolitik (IfS), der Antaios Verlag und ihre Protagonisten, die sich ideologisch und ästhetisch auf den Faschismus, „Schwarzhemden“ und bekannte Vertreter beziehen. Der Jungeuropa-Verlag der zwischen Schnellroda (IfS, Antaios Verlag …), Burschenschaften und Identitärer Bewegung anzusiedeln ist, ist freundschaftlich mit den selbsternannten „Faschisten des 3. Jahrtausends“ von CasaPound und anderen Eurofaschisten verbunden und spielt mit NS-Ästhetik.
In Frankreich spannt sich, begründet auf der „Nouvelle Droite“, ein ähnliches Netzwerk aus Génération Identitaire, regionalen faschistischen Aktionsgruppen, Hausprojekten, Blogs, Büchereien & Verlagen auf, die das Gesellschaftsklima vergiften. Im März 2021 reagierte der Staat und verfügt die Auflösung der Identitären. Der französische Kanal „Ouest Casual“ spielt für die Vernetzung und Verbreitung eurofaschistischer Inhalte eine zentrale Rolle und bietet gleichzeitig einen Überblick über das Netzwerk. Der Nationalsozialismus wird dabei ebenso glorifiziert, wie Mordaufrufe, Waffen und Gewalt.
Frankreich ist das Mutterland der Identitären Bewegung, die dann auch in weiteren Ländern aktiv wird. Alle betonen das gemeinsame Erbe als Europäer (Spartaner) und den Kampf um dieses als „Defend Europe“, „Phalanx Europa“ (Online Shop), „Festung Europa“ oder „Europa, Jugend, Reconquista“.
Spanien verfügt ebenfalls über ein neofaschistisches Netzwerk aus verschiedenstes regionalen und überregionalen Strukturen. Bezüge zu italienischen Faschisten bestehen. Ähnlich wie in Italien wirkt die eigene faschistische Katastrophe immer noch nach und bekommt Raum. Die faschistische Gruppe „Hacer Nación“ bzw. „ Acción Social Asturias“ agiert dabei wie CasaPound oder die Identitäre Bewegung, übernimmt ästhetische Elemente wie Fahnen und Rauchbomben, Infostände, Kampfsportturniere und predigt dabei den „Kampf fürs Volk“. Ganz ähnlich agitiert „Hogar Social“ (Hogar = Heimat), die in verschiedenen Städten in Spanien aktiv ist. Sie spielt die soziale Karte als „Kümmerer“. Selbstredend gilt ihre inszenierte „Nächstenliebe“ nur exklusiv den „Spaniern“ und ist wohl Mittel zum Zweck. Schließlich sind sie Wölfe im Schafspelz, wenn sie sich das Wort „Social“ anheften.
Die rechte spanische Bekleidungsmarke „Elite“ sieht ihren Absatzmarkt bei den Faschisten Europas und hält ein mehrsprachiges Shirt-Angebot bereit. Eine ähnliche eurofaschistische Ausrichtung verfolgt der Instagram Kanal „Samurai de Occidente“, der nun auch auf Telegram die „richtigen” Grafiken zur Ästhetisierung des Eurofaschismus liefert und als Informationsschleuder dient. Auch hier ist das Angebot mehrsprachig.
➡️ Die Eurofaschisten – ein Überblick (Teil 2)
Fußnote:
1 Volker Weiß: Faschisten von heute? „Neue Rechte” und ideologische Traditionen (2017)