Waffenfunde im Neonazi-Milieu: Spitze des EisbergsLesezeit: 3 Minuten

Als die „Spit­ze eines Eis­bergs“ wur­den in der ZiB 2 (9.11.21) die in der letz­ten Zeit auf­ge­fun­de­nen Waf­fen­ar­se­na­le bezeich­net. Auf die Fra­ge nach der Grö­ße der Sze­ne, die da offen­sicht­lich auf­rüs­tet, konn­te Roland Scher­scher, Lei­ter des nie­der­ös­ter­rei­chi­schen LVT nicht ant­wor­ten, es sei jedoch bedenk­lich, dass sie einen sehr leich­ten Zugang zu Waf­fen habe. Ein Befund, der […]

10. Nov 2021

Über­all in der Woh­nung sei­en die Waf­fen her­um­ge­le­gen, groß­teils in gela­de­nem Zustand, berich­tet das nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (LVT), ange­sichts der Men­ge an Waf­fen und Kriegs­ma­te­ri­al „blieb ver­mut­lich auch unse­ren erfah­re­nen Ermitt­lern vom #LVT die Luft weg“, kom­men­tiert die nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Poli­zei auf Twitter.

Die Lis­te an Waf­fen, die bei dem 53-Jäh­ri­gen aus dem Bezirk Baden und des­sen gleich­alt­ri­ger Ehe­frau bereits am 8. Okto­ber sicher­ge­stellt wur­den, ist in der Tat glei­cher­ma­ßen beein­dru­ckend wie beun­ru­hi­gend: 

Unter ande­rem befan­den sich dabei Kriegs­ma­te­ri­al in Form von 2 Maschi­nen­ge­weh­ren, 6 Maschi­nen­pis­to­len, ein Sturm­ge­wehr, ein Scharf­schüt­zen­ge­wehr, Ersatz­läu­fe und Ver­schlüs­se für Maschi­nen­ge­weh­re, Schuss­waf­fen der Kat A (Pump­gun, Schuss­waf­fen mit ange­brach­ten Schall­dämp­fer) 17 Schuss­waf­fen der Kat B (Revol­ver und Pis­to­len), 23 Schuss­waf­fen der Kat. C (Langwaffen/Gewehre/Flinten/Büchsen), ver­bo­te­ne Waf­fen (16 Schall­dämp­fer, 21 soge­nann­te „Schie­ßen­de Kugel­schrei­ber”, Schlag­rin­ge), Waf­fen­tei­le sowie eine gro­ße Anzahl ver­schie­de­ner Hieb- und Stich­waf­fen, Pfef­fer­sprays, Elek­tro-Schock­ge­rä­te, asia­ti­sche Nah­kampf­waf­fen u.a.
Eine gro­ße Anzahl die­ser Schuss­waf­fen befand sich bei der Sicher­stel­lung in gela­de­nem Zustand.
Auch konn­ten im Wohn­haus über 1.200 kg ver­schie­de­ne Muni­ti­ons­sor­ten vor­ge­fun­den und sicher­ge­stellt werden.
Dar­über hin­aus konn­ten eine Hand­gra­na­te, 7 Rohr­bom­ben, 20 kg Schwarz­pul­ver und diver­se pyro­tech­ni­sche Gegen­stän­de vor­ge­fun­den und auch sicher­ge­stellt werden.
Eben­falls sicher­ge­stellt wur­den ein Stahl­helm mit einem Haken­kreuz, wei­te­re NS Devo­tio­na­li­en (Fly­er, Orden, Mün­zen, Büs­te von Erwin Rom­mel) sowie diver­se ein­schlä­gi­ge Lite­ra­tur (Zeit­schrif­ten, Bücher). (Pres­se­aus­sendung LPD NÖ, 9.11.21)

Auf den Namen des Nie­der­ös­ter­rei­chers sei man im Zuge der Ermitt­lun­gen zur Neo­na­zi­grup­pie­rung rund um Peter Bin­der, die Waf­fen und Kriegs­ma­te­ri­al in einem noch viel grö­ße­ren Umfang gehor­tet hat­te, um nach Eigen­an­ga­be eine Ter­ror­grup­pe – im Neo­na­zi­jar­gon: „Miliz der Anstän­di­gen“ – zu grün­den, gekom­men. Auf Daten­trä­gern der Grup­pe Bin­der hät­ten sich Kon­ver­sa­tio­nen mit natio­nal­so­zia­lis­tisch kon­no­tier­ten Inhal­ten befun­den, in die der 53-Jäh­ri­ge invol­viert gewe­sen sei.

Profil-Foto von Peter Binders (verstecktem) Facebook-Account
Pro­fil-Foto von Peter Bin­ders (ver­steck­tem) Face­book-Account (hoch­ge­la­den April 2017)

Der Beschul­dig­te und sei­ne Ehe­frau wei­sen jedoch jeg­li­che böse Absich­ten von sich.

Statt­des­sen kam eine Stel­lung­nah­me vom Rechts­an­walt des Man­nes. Der Man­dant sei ein geschichts­in­ter­es­sier­ter Samm­ler, mehr nicht. (…) Ermit­telt wird laut dem Spre­cher der Staats­an­walt­schaft Wie­ner Neu­stadt, Erich Habitzl, aber wegen gericht­lich straf­ba­rer Hand­lun­gen nach dem Waf­fen­ge­setz, Ver­het­zung, Urkun­den­un­ter­drü­ckung und wegen Wie­der­be­tä­ti­gung nach dem Ver­bots­ge­setz. Da aller­dings kei­ne Flucht­ge­fahr, Tatbegehungs‑, Ver­dun­ke­lungs- bzw. Ver­ab­re­dungs­ge­fahr bestehe, lie­gen laut Habitzl der­zeit kei­ne Haft­grün­de gegen den Ver­däch­ti­gen vor. Außer­dem ist er gericht­lich bis­her unbe­schol­ten.“ (Kurier, 10.11.21, S. 18)

Es ist daher vor­erst zu resü­mie­ren: Ein Mann und des­sen Frau, die genug Waf­fen gehor­tet hat­ten, „um einen ver­hee­ren­den Anschlag zu ver­üben“ (Kurier) und die in Ver­bin­dung mit einem Neo­na­zi stan­den, der eine bewaff­ne­te Ter­ror­grup­pe grün­den woll­te, blei­ben auf frei­em Fuß, weil angeb­lich kei­ner­lei Gefahr dro­he. Ins­ge­samt wer­de nun rund um Peter Bin­der gegen 15 Per­so­nen aus Öster­reich und Deutsch­land ermit­telt. Innen­mi­nis­ter Neham­mer mein­te anläss­lich einer Kon­fe­renz zur Ter­ro­ris­mus­ent­wick­lung, „es sei Mate­ri­al bei Rechts­extre­men gefun­den wor­den, ‚das dafür aus­reicht, um die Repu­blik in eine mas­si­ve Kri­se zu stür­zen‘“ (derstandard.at, 9.11.21). Wenn das nun nur die Spit­ze des Eis­bergs ist, wäre wohl Feu­er am Dach angesagt.

Update 29.5.23: Pro­zess­be­richt von prozess.report: Pro­zess nach Waf­fen­fund im Bezirk Baden
Der Mann wur­de zu 24 Mona­ten, sei­ne Ehe­frau zu 18 Mona­ten bedingt auf drei Jah­re ver­ur­teilt. Die Devo­tio­na­li­en, Waf­fen und Muni­ti­on wur­den ein­ge­zo­gen. Das Urteil ist inzwi­schen rechts­kräf­tig, da weder Staats­an­walt­schaft noch Ver­tei­di­gung Rechts­mit­tel ein­ge­legt haben.

➡️ SdR: Chro­no­lo­gie der Waf­fen­fun­de ab Juli 2019

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