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FPÖ Graz (Teil 2): Die unbekannten blauen Vereine

Der stei­ri­sche FPÖ-Chef Kuna­sek bezeich­net den ges­tern bekannt­ge­wor­de­nen Skan­dal zur Ver­un­treu­ung von Par­­tei- und Klub­gel­dern durch den Gra­zer FPÖ-Finan­z­­re­­fe­­ren­­ten als „Ein­zel­fall”. Aber wie es so mit den blau­en Ein­zel­fäl­len im All­ge­mei­nen ist, folgt da einer auf den ande­ren. In Unter­la­gen, die uns zuge­spielt wur­den, schei­nen merk­wür­di­ge Über­wei­sun­gen der Gra­zer FPÖ an Ver­ei­ne auf, die weitgehend […]

9. Nov 2021

Die ver­blüf­fen­den Ent­de­ckun­gen in der Gra­zer FPÖ brin­gen unse­re Time­line etwas durch­ein­an­der. Eigent­lich woll­ten wir über den weit­ge­hend unbe­kann­ten Stei­ri­schen Ver­lags­ver­ein und den frü­he­ren FPÖ-Stadt­rat bzw. Vize­bür­ger­meis­ter Peter Wein­meis­ter berich­ten, der die­sem Ver­ein wäh­rend des­sen Exis­tenz immer eng ver­bun­den war. Dann kam die doch über­ra­schen­de Mel­dung, dass Mat­thi­as Eder, Finanz­re­fe­rent der Gra­zer Stadt­par­tei und Klub­di­rek­tor des FPÖ-Gemein­de­rats­klubs und Mit­glied der Bur­schen­schaft Stiria, laut Selbst­an­zei­ge über zehn Jah­re Hun­dert­tau­sen­de Euro in die eige­ne Tasche gewirt­schaf­tet haben soll, was angeb­lich nie­man­den auf­ge­fal­len ist.

Vor­sorg­lich soll der emsi­ge Finanz­re­fe­rent Eder gleich ein­mal 700.000 Euro bei der Staats­an­walt­schaft zur Wie­der­gut­ma­chung hin­ter- und damit der von ihm ver­mu­te­ten Scha­dens­sum­me von 500.000 Euro noch eini­ge Euro drauf­ge­legt haben. (vgl. kleinezeitung.at , 8.11.21) Zeit­gleich wur­den wir wie man­che ande­re auch aus unbe­kann­ter Quel­le mit Datei­en ver­sorgt, die mut­maß­lich Tei­le der Buch­hal­tung des FPÖ-Gemein­de­rats­klubs zwi­schen 2014 und 2018 (zu 2019 gibt es nur weni­ge Aus­zü­ge) beinhalten.

Und was fin­den wir dar­in? Nicht nur Zah­lun­gen an den unbe­kann­ten Stei­ri­schen Ver­lags­ver­ein, der über etli­che Jah­re die ein­kom­mens­mä­ßi­ge Ver­sor­gung des mit sei­ner Gage am Exis­tenz­mi­ni­mum nagen­den Klub­ob­manns Sip­pel über­nom­men hat, son­dern auch noch etli­che Über­wei­sun­gen an wei­te­re ziem­lich unbe­kann­te Ver­ei­ne. Oder kennt jemand den Aka­de­mi­schen Haus­ver­ein Stei­er­mark? Den Gra­zer Schü­ler- und Stu­den­ten­un­ter­stüt­zungs­ver­ein? Den Aka­de­mi­schen Haus­ver­ein Marburg/Drau? Oder den Ver­ein I.B.? Gut, der letz­te ist bekannt. Die rechts­extre­me Iden­ti­tä­re Bewe­gung hat für ihr Som­mer­fest 2014 „nur” schlan­ke 1.000 Euro erhal­ten – als „Spon­so­ring“ vom FPÖ-Gemeinderatsklub.

Screenshot mutmaßlich Auszug Buchhaltung FPÖ Graz 2014: Vereine, die immer wieder viersellige Summen erhalten haben sollen
Screen­shot mut­maß­lich Aus­zug Buch­hal­tung FPÖ Graz 2014: Ver­ei­ne, die immer wie­der vier­sel­li­ge Sum­men erhal­ten haben sollen

Zum Aka­de­mi­schen Haus­ver­ein Mar­burg, der immer­hin 20.000 Euro erhal­ten haben soll (jeweils 5.000 Euro in den Jah­ren 2014, 2016, 2017 und 2018), war in einer ers­ten schnel­len Recher­che nichts zu fin­den. Wäre es eigent­lich eine Auf­ga­be eines Gra­zer Gemein­de­rats­klubs, einen Aka­de­mi­schen Haus­ver­ein in Mar­burg (gemeint ist hier Mari­bor) zu för­dern? Ver­mut­lich nicht, aber ist es eine ver­tret­ba­re Auf­ga­be des FPÖ-Gemein­de­rats­klubs, durch Zah­lun­gen an den Stei­ri­schen Ver­lags­ver­ein die Gage sei­nes Klub­ob­manns aufzubessern?

Irgend­je­mand wird sich ver­mut­lich auch beim Aka­de­mi­schen Haus­ver­ein Mar­burg über die edle Spen­de aus Graz gefreut haben. Viel­leicht trifft das auch für den Gra­zer Schü­ler- und Stu­den­ten­un­ter­stüt­zungs­ver­ein (GSSV) zu? Wir haben auch zu die­sem Adres­sa­ten, der eben­falls ins­ge­samt 20.000 Euro (in den glei­chen Tran­chen wie die Mar­bur­ger) erhal­ten hat, nichts gefun­den. Bei bei­den Emp­fän­gern sol­len Inse­ra­te sub­ven­tio­niert bzw. bezahlt wor­den sein. Wo? Wann?

Den Aka­de­mi­schen Haus­ver­ein Stei­er­mark, der eben­falls 20.000 Euro für Inse­ra­te bzw. Spon­so­ring erhal­ten haben soll, konn­ten wir aller­dings auf­fin­den: Er resi­diert an der glei­chen Adres­se wie die schla­gen­de Bur­schen­schaft Stiria, bei der nicht nur Eder, son­dern auch der Ex-Stadt­par­tei­ob­mann Eustac­chio Mit­glied ist. Im Ver­eins­re­gis­ter­aus­zug wird als Obmann Mat­thi­as Eder ange­führt. Also wir mut­ma­ßen nicht, son­dern zäh­len nur 1 und 1 zusammen.

Der Ver­ein, der das Fried­rich-Schil­ler-Stu­den­ten­heim betreibt, dürf­te mut­maß­lich der Emp­fän­ger wei­te­rer Spon­so­ring-Zah­lun­gen 2014 (6.000 Euro) und 2018 (5.000 Euro) gewe­sen sein. Obmann die­ses Ver­eins ist übri­gens Peter Wein­meis­ter, der uns ja schon vom mitt­ler­wei­le blitz­ar­tig auf­ge­lös­ten Stei­ri­schen Ver­lags­ver­ein bekannt ist, und die noble Funk­ti­on eines Kas­siers übt dort Mario Eustac­chio aus.

Gel­der vom FPÖ-Gemein­de­rats­klub hat mut­maß­lich auch der Ver­ein zur För­de­rung fort­schritt­li­cher Gemein­de­po­li­tik erhal­ten: rund 75.000 Euro zwi­schen 2014 und 2018, wobei eine Zah­lung aus dem Jahr 2017 beson­ders auf­fällt; da soll der FPÖ-Gemein­de­rats­klub dem FPÖ-nahen Ver­ein 17.000 Euro für einen Kre­dit im Jahr 2008 zurück­be­zahlt haben. In einem Aus­kunfts­be­geh­ren aus dem Jahr 2016 hat­te die Stadt Graz geant­wor­tet, dass der Ver­ein zur För­de­rung fort­schritt­li­cher Gemein­de­po­li­tik in den Jah­ren 2005, 2006 und 2007 jeweils 8.500 Euro von der Stadt erhal­ten hat. Danach nichts mehr. Ist der Groß­teil die­ser För­de­rung damals an den nicht gera­de not­lei­den­den FPÖ-Gemein­de­rats­klub als Kre­dit ver­ge­ben worden?

Vereinsregisterauszug "Verein zur Förderung fortschrittlicher Gemeindepolitik"; Obmann Alfred Zois war Mitarbeiter im Büro Eustacchio
Ver­eins­re­gis­ter­aus­zug „Ver­ein zur För­de­rung fort­schritt­li­cher Gemein­de­po­li­tik”; Obmann Alfred Zois war Mit­ar­bei­ter im Büro Eustacchio

Dem Stei­ri­schen Ver­lags­ver­ein, der laut Eder von Rück­la­gen aus alten Tagen und den edlen Spen­den des Alex­an­der Götz und Peter Wein­meis­ter gelebt haben soll, kön­nen wir zwi­schen 2014 und 2018 immer­hin fast 120.000 Euro laut Anga­ben aus den Excel-Datei­en zuord­nen, die vom Gemein­de­rats­klub bezahlt wor­den sein sol­len. Damit lässt sich’s gut leben in einem Ver­ein, der weit­ge­hend öffent­lich unsicht­bar blieb und jetzt so rasch ver­schwun­den ist, dass das böse Fra­gen aufwirft.

P.S.: Alle Anga­ben zu Zah­lun­gen in die­sem Bericht stüt­zen sich auf Screen­shots von Excel-Datei­en der Buch­hal­tung des FPÖ-Gemein­de­rats­klubs, die uns zuge­spielt wur­den. Ob die dort ersicht­li­chen Ein­tra­gun­gen den Fak­ten ent­spre­chen, wer tat­säch­lich För­de­run­gen erhal­ten oder abkas­siert hat, wer­den hof­fent­lich Gerich­te klären.

➡️ FPÖ Graz (Teil 1): Sip­pel und sein selt­sa­mer Verlagsverein
➡️ FPÖ Graz (Teil 3): Schwamm drüber?
➡️ FPÖ Graz (Teil 4): Tote, Sucht & Forschungen?
➡️ Sip­pel & Eustac­chio: So viel Brutalität!

➡️ Der Stan­dard: Whist­le­b­lower bringt FPÖ Graz noch mehr unter Druck

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