Seit er mit all seinen Accounts von Facebook rausgeflogen ist, postet „Anon K.“ wie so viele Rechte und Irren auf Telegram. Über den ganzen Tag hinweg versorgt er seine Abonnent*innen – das sind immerhin knapp 11.500 – fast ausschließlich mit zusammenkopierten oder aus anderen verschwörungsideologischen und rechtsextremen Kanälen (wie etwa Wochenblick, Info-Direkt) weitergeleiteten Nachrichten. Sein Markenzeichen: jede Menge Emojis. Und er sammelt Spenden. Weil er, der in Österreich geborene Kroate, sich nun für Österreich opfert.
Seinen aufopferungsvollen Kampf führt er seit Beginn der Corona-Maßnahmenproteste. Vorher – noch einige Monate fern von QAnon und Corona – hatte er unter dem Pseudonym Kiki K. auf YouTube martialisch angekündigt, endlich seinen Mund aufzumachen: „Also abonniert meinen Kanal und verbreitet die Scheiße!“ Das dürfte nicht so geklappt haben, denn ganze 31 Abonnenten sind Kikis Aufruf gefolgt.
In der ersten Folge seines „Realtalks“ erzählt Kiki seine „Knaststory“, von seiner Flucht, die ihn zwei Jahre lang von Niederösterreich bis nach Hernals geführt habe, von der Verhaftung nach einem Verrat und seinen Abenteuern im „Häfn“, vor allem jenes mit dem „Rotlichtkönig“, dem „korrektesten Menschen dieser Welt“. Der Sinn seines Talks, so Kiki, sei den Menschen zu helfen, indem er, der geläuterte Ex-Hooligan, der niemals eine Frau schlagen würde (was Kiki verdächtig oft betont), erzählt, wie das Leben so ist. In einer Folge verrät Kiki auch, dass er einen Bruder hatte, der 2016 in Suben verstorben sei. Und dass sein Vater 2005 verstorben sei, als er, Kiki, gerade in Haft war. Diese Version hat er später doch deutlich abgewandelt.
Nach nur drei Folgen und keiner Resonanz war Kikis Realtalk schon wieder vorbei, und er hat sich eine neue Mission gesucht, nämlich über „QAnon Austria“ als „Anon K.“ die Wahrheit zu verbreiten und Österreich vor dem Krieg zu retten. Und um Geld zu keilen. Das ist ihm über eine Facebook-Bekanntschaft auch gelungen: Eine Frau hatte ihm Geld geliehen. Da er die Rückzahlung nur teilweise geleistet hatte, stand er wegen Betrugs am 29. Jänner vor Gericht. Auch wegen eines Facebook-Postings und wegen illegalen Waffenbesitzes. Er hatte einen Schlagstock („Totschläger“) erstanden, obwohl gegen ihn aufgrund seiner Vorstrafen ein Waffenverbot aufrecht war. Seine Aktivitäten als „QAnon Austria“ waren ein nicht prozessrelevantes Randthema.
Im Vorfeld hatte K. einige Spendenaufrufe getätigt:
📢 Liebe Kämpferinnen & Kämpfer für die #WAHRHEIT für das #GUTE, das Jahresende rückt immer näher und alles wird verrückter & verrückter❗️
(…) Ich hab mich dazu entschieden ein Macher zu sein und deswegen tue ich das was ich tue ✊✊
Ich hab durch meine Aufklärungsarbeit Probleme mit dem Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bekommen und habe die Hauptverhandlung am Freitag, 8. Jänner 2021 um 14 Uhr im Landesgericht Wiener Neustadt [Verhandlung fand dann tatsächlich am 29.1. statt; SdR].
Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt beginnt so:
„ZUR LAST: K.K. hat am 12.7.2020 in Guntramsdorf dadurch, dass er als Betreiber der Facebook Telegram Gruppe „Qanon Austria“ für zumindest 4.460 Personen als Mitglieder und eine weitere unbestimmte Anzahl sämtlicher Facebooknutzer … ”
Ich muss meinen Anwalt bezahlen für die weiteren Schritte, jedoch bin ich Corona bedingt Arbeitslos und Rücklagen sind für die Beerdigung meines Vaters, 3/4 Jahr später, für die Beerdigung meines Bruders drauf gegangen.
Er möchte, zurecht, entschädigt werden für seine Arbeit und dafür brauche ich euch 🙏✊
Schade, dass „Anon K.“ nur den Anfang des Strafantrags veröffentlicht hat und nicht die Fortsetzung, wo es um das Posting und dessen ev. Strafgehalt, um Betrug und um illegalen Waffenbesitz gegangen ist. Das hätte aber nicht so gut in K.s Erzählung gepasst, auch nicht, dass er bei seinen früheren Spendenaufrufen noch nichts von einer „Corona bedingten“ Arbeitslosigkeit erzählt hat, sondern nur, dass er beschäftigungslos sei. Aber wer gegen die Corona-Diktatur in den Krieg zieht, muss auch deren Opfer sein, das verkauft sich besser. Zwei Beerdigungen sind auch noch flugs hinzu gekommen, die, wie er in seinem Kiki-„Realtalk“ verraten hatte, aber bereits 2005 und 2016 stattgefunden haben müssten.
K. hat für den Betrug und den Waffenbesitz drei Monate bedingt erhalten, für sein Posting wurde er, weil es nach dem § 282 angeklagt war, der der Richterin wenig geläufig und aus ihrer Sicht nicht zutreffend war, freigesprochen.
Und nun postet K. alias „QAnon Austria“ glücklicherweise fleißig weiter, denn sonst würden wir doch nie erfahren, dass George Soros und Hillary Clinton hinter dem jüngsten Militärputsch in Myanmar stecken oder dass deutsche Nonnen in Köln Waisenkinder an Geschäftsleute für Sexorgien vermieten würden.
Ob K. selbst an seine via Social Media verbreiteten Wahnsinnigkeiten glaubt oder nur ein Geschäftsmodell daraus gemacht hat, können wir nicht sagen. Das jedoch schon: Noch wahnsinniger sind jene, die ihn als vermeintliches politische Opfer ernst nehmen und Geld überweisen.
P.S.: K.s Anwalt war einer jener, der auch gegen die Corona-Diktatur kämpft und für diese Mission – was sonst? – Spenden keilt …
Danke an Markus Sulzbacher für die Recherchehilfen!
➡️ Das Corona-Protestbusiness: Konstruktionen zwischen Spenden, Schenkungen und Gadgets. Teil 1: Der Friede und das Busgewerbe
➡️ Das Corona-Protestbusiness: Konstruktionen zwischen Spenden, Schenkungen und Gadgets. Teil 2: Goldgräberstimmung in der Szene – Vereine, Anwälte und Ärzte
➡️ Das Corona-Protestbusiness (Teil 4): eine Firma für Selbstmarketing